Der Begriff Pyrolyse setzt sich aus den altgriechischen Worten Pyr für Feuer und Lysis für Lösung zusammen. Er beschreibt die thermochemische Spaltung organischer Verbindungen unter Sauerstoffausschluss. Das bisher bekannteste Pyrolyseverfahren ist die Methanpyrolyse, bei der Methan als Hauptbestandteil von Erdgas in einem Hochtemperaturreaktor in die Produkte Wasserstoff (H2) und fester Kohlenstoff (C) aufgespalten wird. Der Vorteil dieser Technologie ist, dass beim Produktionsprozess keine klimaschädlichen Kohlendioxid-Emissionen entstehen, also CO2. Neuer ist das Verfahren der Plasmapyrolyse: Dabei werden die Methanmoleküle mithilfe beschleunigter Elektronen getrennt. Der Wirkungsgrad ist im Vergleich zu anderen Pyrolyseverfahren hier noch etwas besser. Ein besonders positiver Aspekt ist der geringe Stromverbrauch. So muss etwa für die Elektrolyse zur Herstellung von grünem H2 rund fünf Mal mehr Energie eingesetzt werden. Genau wie beim grünen lässt sich auch beim sogenannten türkisen Wasserstoff Strom aus erneuerbaren Energien nutzen.
Ökonomisch interessant ist zudem das zweite Endprodukt, der Kohlenstoff, der in großen Mengen anfällt. Aus einem Kilogramm Methan entstehen beim Umwandlungsprozess grob abgeschätzt etwa drei Anteile Kohlen- und ein Anteil Wasserstoff. Der entstehende reine Kohlenstoff lässt sich als sogenanntes Carbon Black in verschiedensten Anwendungsbereichen einsetzen, etwa bei der Herstellung von Tinten, Farben, Kunststoff, Gummi oder Batterien. Weitere Einsatzgebiete sind die Stahl- oder Zementindustrie, der Straßenbau oder die Landwirtschaft.
Rennen der Verfahren noch offen
Um genügend Wasserstoff und klimaneutrale Gase bereitzustellen ist eine Herstellungs-Diversifizierung vonnöten. Eine globale und technologieoffene Wasserstoff- und Gasbeschaffung ist der Schlüssel zum Erfolg im Klimaschutz und für eine sichere Versorgung, das war kürzlich eine Botschaft beim Pyrolyse-Forum des Deutschen Vereins des Gas- und Wasserfachs (DVGW). Ob grüner, blauer oder türkiser Wasserstoff, jedes Verfahren hat seine Vor- und Nachteile. Dabei ist noch offen, welches Verfahren schlussendlich das Rennen machen wird. Schließlich unterschritten alle drei Wasserstoff-Pfade die Treibhausgasemissionswerte, die die EU für den Handel in Europa als klimaneutral einstuft.
Auch bei Wintershall Dea plädiert man für Technologieoffenheit. Deren Bereichsleiter Carbon Management & Hydrogen, Klaus Langemann, ist sich zwar sicher, dass sich grüner H2 langfristig durchsetzen wird. Bis dahin sei jedoch Offenheit gefragt, um damit auch der grünen H2-Variante „auf das Pferd zu helfen“, die heute noch energieintensiv, teuer und aktuell nicht ausreichend verfügbar sei, sagte er auf einer DVGW-Veranstaltung. Die Pyrolyse beschreibt Langemann unter diesen Gesichtspunkten als eine sehr interessante Technologie, die man deshalb bei Wintershall Dea nach vorne treibe.
200 kilo türkisen Wasserstoff und 600 Kilo Carbon Black soll eine Pilotanlage ab 2023 täglich produzieren.
Ganz konkret arbeitet das Unternehmen hier an zwei Pyrolyse-Verfahren beziehungsweise Projekten: der Flüssigmetall-Pyrolyse und im sogenannten HiiROC-Projekt. Die Technik der Flüssigmetall-Pyrolyse beruht darauf, Methan in einem mit Flüssigmetall befüllten Blasensäulenreaktor in seine Bestandteile Wasserstoff und festen Kohlenstoff zu zerlegen. Gemeinsam mit dem Karlsruher Institut für Technologie (KIT) arbeitet das Unternehmen seit 2019 im Rahmen eines Forschungsprojekts daran, für die Flüssigmetall-Pyrolyse die beste Lösung zu finden. Dabei steht in dem auf drei Jahre angelegten Vorhaben unter anderem die Optimierung des Reaktorkonzepts und die Materialauswahl im Vordergrund. Eine weitere Pilotanlage soll im kommenden Jahr den ersten Wasserstoff produzieren. Sie wäre hierzulande eine der ersten Anlagen für türkisen Wasserstoff.
Gemeinsam mit der VNG AG investierte Wintershall Dea 2021 zudem in das englische Unternehmen HiiROC. Das Startup hat ein modulares, skalierbares System entwickelt, das in dezentralen Einheiten dort Wasserstoff produzieren kann, wo er gebraucht wird, etwa in Wohngebieten, oder als industrielle Einheiten neben Fabriken. Dabei sind die Anlagen skalierbar von einer einzelnen modularen Einheit bis zur H2-Produktion im industriellen Maßstab. HiiROC arbeitet mit der sogenannten thermischen Plasmapyrolyse, bei der in einem Gasplasma die Spaltung des Erdgases in Wasserstoff und festen Kohlenstoff erfolgt. Im kommenden Jahr ist eine Pilotanlage geplant, die zunächst täglich 200 Kilogramm türkisen Wasserstoff und 600 Kilogramm Carbon Black produziert.
Als Vorteil des Verfahrens hebt VNG hervor, dass dieses bei höheren Temperaturen, Drücken und Wirkungsgraden arbeitet. So reduziert etwa die Wasserstoffproduktion bei einem Druck von rund 50 Bar die nachgelagerten Kompressionskosten.
Herausforderung Kohlenstoffablagerung
Neben den diversen positiven Aspekten sind bei der Methanpyrolyse jedoch auch noch einige technische Herausforderungen zu bewältigen. Dazu zählt der Energiebedarf der Reaktion bei hohen Temperaturen über 1.000 Grad Celsius in Verbindung mit einer unkontrollierten Ablagerung von festem Kohlenstoff auf Reaktorwänden und Katalysatoren, das sogenannten Clogging, sowie die mögliche Bildung unerwünschter gasförmiger Nebenprodukte, wie Acetylen. Dabei gibt es einen ungünstigen Zusammenhang: Für eine hohe H2-Ausbeute sind hohe Prozesstemperaturen von Vorteil, allerdings lagert sich auch der Kohlenstoff häufig an den heißesten Anlagenbereichen ab.
Um diese Nachteile zu umgehen, entwickelt das DBI – Gastechnologisches Institut gGmbH Freiberg - ein neuartiges Verfahren, bei dem die Schritte „Wasserstofferzeugung“ und „Kohlenstoffablagerung“ in zwei Reaktionen getrennt ablaufen. Die trockene Reformierung erfolgt bei der die Umsetzung des Methans mit CO2 an geeigneten Katalysatoren und auch Biogas lässt sich direkt verwenden.
Beim zweiten Teilschritt, der Boudouard-Reaktion in einem Wanderbettreaktor, kann der auf dem Bettmaterial abgeschiedene Kohlenstoff entweder abgeführt und gespeichert oder partiell als Bettmaterial wiederverwendet werden. Diese Vorgehensweise vermeidet sowohl eine mögliche Katalysatordeaktivierung als auch störende Kohlenstoffablagerungen an den Reaktorwänden. Die auf unterschiedlichen Temperaturniveaus stattfindenden beiden Prozessteilschritte stellen laut DBI im Vergleich zur einstufigen Pyrolyse deutlich geringere Anforderungen an die technische Umsetzung. Allerdings ist für einen reduzierten Gesamtenergiebedarf eine wärmetechnische Verschaltung der beiden Prozessschritte vonnöten.
DVGW-Publikation mit weiteren Infos:
www.dvgw.de/leistungen/publikationen/publikationen-gas/pyrolyse-kompakt