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Torsten Bischoff im Interview

"Die Grenzen setzt der nachhinkende Netzausbau"

Torsten Bischoff leitet seit Juli 2017 die Stabsabteilung Unternehmenskommunikation der Stadtwerke-Kooperation Trianel in Aachen. Der promovierte Politikwissenschaftler ist bei Trianel seit 2016 Leitung der Energiepolitik. Zuvor war er im Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit tätig, in dem er seit 2006 verschiedene Referate geleitet hat, zuletzt das Referat für „Klimaschutz und Energiewende“.

Herr Bischoff, wie beurteilen Sie den Stand der Energiewende in Deutschland?

Die Energiewende in Deutschland ist über viele Jahre eine Erfolgsgeschichte gewesen, vor allem im Strombereich. Die Kernkraftwerke werden Ende 2022 abgeschaltet und der Ausbau der Erneuerbaren lief besser als erwartet. Das spiegelt sich auch in den Preisen von EE-Anlagen und in den Förderkosten für erneuerbaren Strom wider. Regenerativanlagen sind aktuell so günstig wie noch nie.

Also alles gut?

Nein. Eigentlich ist das eine gute Voraussetzung für den nächsten Schritt, den ernsthaften Einstieg in die Sektorenkopplung. Stattdessen droht die Politik gerade einen Fehler zu wiederholen, den sie bei der Photovoltaik schon einmal gemacht hat: Just in dem Augenblick, in dem die Anlagen billig und die Stromgestehungskosten niedrig wurden, hat die Politik auf eine Art und Weise die Reißleine gezogen, die das Kind mit dem Bade ausgeschüttet hat.

Wo sehen Sie die größten Probleme beim Erneuerbaren-Ausbau?

Das akute Problem beim Erneuerbaren-Ausbau sind nicht primär die wirtschaftlichen Eckdaten oder etwa das EEG-Ausschreibungssystem. Die Grenzen setzt der massiv nachhinkende Netzausbau, der aktuell um gut zehn Jahre hinter der Netzplanung liegt. Der Präsident der Bundesnetzagentur hat vor einiger Zeit schon einmal von fünf Milliarden Euro Redispatch- und EinsMan-Kosten gesprochen, auf die wir zusteuern würden. Heute sind wir immerhin schon bei rund 1,4 Milliarden Euro Verzugskosten. Es ist ja nun nicht so, dass der Netzausbau eine freiwillige Leistung der Netzbetreiber wäre, sie sind zu einem bedarfsgerechten Ausbau gesetzlich verpflichtet.

Wie beurteilen Sie Peter Altmaier in diesem Zusammenhang?

Nach meinem Eindruck hat auch der Bundeswirtschaftsminister richtig erkannt, auf welches Problem wir hier, nicht nur finanziell, zulaufen. Nur leider wird die Lösung noch immer an der falschen Stelle gesucht. Richtig wäre es, sich beim Netzausbau von der Zielvorstellung einer „Kupferplatte Deutschland“, also dem vollständig engpassfreien Stromtransport in nahezu jeden Winkel dieser Republik, zu verabschieden. Auch wenn das volkswirtschaftlich die billigste Lösung für das Transportproblem sein mag, ist das schlicht in der Wirklichkeit nicht machbar, einfach weil es die Bürgerinnen und Bürger nicht akzeptieren.

Was ist mit der Erdverkabelung?

Daran werden auch Erdverkabelungsinitiativen und das dritte oder vierte Netzausbaubeschleunigungsgesetz nichts ändern. Die „Kupferplatte Deutschland“ ist und bleibt eine Schimäre. Wir brauchen einen Plan B für den kommenden Netzausbau und für die künftige Netzplanung. Dieser Plan B muss der Tatsache Rechnung tragen, dass 95 Prozent des EE-Stroms in die Verteilnetze eingespeist werden. (Nicole Weinhhold)