Niedertemperaturwärme – der Bereich bis 200 Grad Celcius (°C) – wird für Gebäudeheizungen, Klimatisierungen, Lebensmittelproduktion, Galvanik, Trocknungsprozesse, Wäschereien und vieles mehr benötigt. Die Angaben über den Bedarf an Niedertemperaturwärme streuen recht breit. Dennoch kann man davon ausgehen, dass in der Europäischen Union etwa 50 Prozent der gesamten Primärenergie für die Bereitstellung von Niedertemperaturwärme aufgewendet werden müssen.
Nach einer Prognose des Bundesverbandes Erneuerbare Energie e.V. vom Oktober 2009 werden 2010 aber nur 0,6 Prozent der Niedertemperaturwärme aus der Nutzung der solaren Energie bereitgestellt werden, obwohl das Potenzial dieser Energiegewinnungsform weitaus größer ist. Analysiert man die Ursachen für die vergleichsweise geringe derzeitige Bedeutung der solaren Wärmeerzeugung, so ergibt sich eine Reihe von psychologischen, technischen und ökonomischen Hindernissen für ihre Anwendung. Für die solare Bereitstellung von Niedertemperaturwärme in Mitteleuropa gilt: Für Heizungen ist keine beziehungsweise nur eine sehr aufwändige ganzjährige Nutzung möglich. Die Technik ist komplex und besitzt entsprechendes Fehlerpotenzial. Es treten Probleme bei nicht ausreichender Wärmeentnahme (Stagnation) auf. Die Standardisierung ist ungenügend entwickelt, was Installationsprobleme mit sich bringt. Kollektoren werden nicht nach ertragsökonomischen Kriterien bewertet, sondern nach Größe. Solare Wärme ist ohne Förderung derzeitig nicht voll konkurrenzfähig gegenüber fossilen Energieträgern. Allerdings ist der Abstand zu fossilen Energieträgern vergleichsweise gering und dürfte in der nächsten Dekade geschlossen werden. Solare Wärme ist für die Politiker und Medien nicht attraktiv, da zu kleinteilig.
Wegen der derzeitig sehr komplizierten Installation und Inbetriebnahme erreichen die Anlagen relativ oft nicht die angestrebte Leistung, was zu Verärgerungen und Reklamationen führt. Es ist dringend erforderlich, Fehler bei der Systeminstallation zu vermeiden, in dem man die Anlagen standardisiert und vereinfacht. Damit wird der Monteur in die Lage versetzt, die Solarwärmeanlage fehlerfrei zu errichten, auch wenn Systemkomponenten verschiedener Hersteller zum Einsatz gelangen. Als Beispiel mag die Elektrotechnik dienen, die es bei weitaus größerer Komplexität geschafft hat, dass Baugruppen der verschiedensten Produzenten problemfrei zusammenschaltbar sind.
Für die Solarthermie müssen solche kompatiblen Komponenten erst entwickelt werden, um dem Installateur die Arbeit zu erleichtern und um Fehler zu vermeiden. Plug and play sollte hier die Zielrichtung sein. Wichtig ist auch, dass möglichst geringe Wartungsaufwendungen anfallen. So ist es für den Anwender der Solaranlage keineswegs eine Nebensache, wenn alle fünf Jahre die teure Solarflüssigkeit gewechselt werden und die Anlage gespült werden muss.
Viele Solaranlagen erreichen in der Praxis auch nicht die gewünschten Vorgaben und Projektierungswerte hinsichtlich ihres Ertrages, denn aus Unkenntnis oder Absicht werden von den Realisierungsfirmen häufig die Keymark-Kennwerte der Kollektoren, die von den Prüfinstituten bei hohem Energieeintrag bis 1000 Watt pro Quadratmeter (W/m²) ermittelt werden, unreflektiert verwendet. Es gilt das Motto: „Nimm 25 Prozent mehr Flachkollektorfläche und du hast den gleichen Ertrag wie bei einem Vakuumrohr-Kollektor.“ In diesem Zusammenhang sollte man sich erinnern, dass in Deutschland nur ca. 50 Stunden im Jahr eine solare Einstrahlung von 950 W/m² auftritt und im Durchschnitt nur ca. 400 W/m² zu erwarten sind. Berechnet man den solaren Ertrag einer Anlage mit der zeitlichen Verteilung der solaren Einstrahlungsleistung, beispielsweise für den Standort Würzburg, so ergeben sich Ertragsunterschiede von mehr als Faktor zwei, wenn die Arbeitstemperatur 60 °C übersteigt.
Ein sehr kritisches Problem ist der Stagnationszustand eines Kollektors. Stagnation bedeutet, dass im Kollektor das gesamte Fluid verdampft ist und demzufolge keine Wärme mehr zum Sammler transportiert wird. Dies kann zum Beispiel dadurch geschehen, dass in einem Einfamilienhaus im Sommer keine Wärme benötigt wird, da man verreist ist und keine Wärme entnimmt. Besonders gefährdet sind hochwertige, direkt durchströmte Vakuumrohrkollektoren, da diese im Finnenbereich Temperaturen bis 300 °C erreichen. Bei diesen hohen Temperaturen zersetzt sich das Frostschutzmittel des Wärmeträgers und mit der Zeit verstopfen die dünnen Zuleitungsrohre. Bei größeren, industriell genutzten Anlagen tritt ein weiteres Problem auf. Hier können, besonders bei hohen Betriebstemperaturen, so genannte partielle Stagnationen auftreten. Ist die hydraulische Verschaltung dieser Anlagen ungünstig gewählt oder im System treten auf Grund von Fertigungstoleranzen deutliche Streuungen der Durchflussströme in den einzelnen Rohren beziehungsweise Kollektoren auf, können gering durchströmte Zweige in Stagnation gehen.
Solche stagnierenden Rohre beziehungsweise Kollektoren tragen dann nicht mehr zur Energieerzeugung bei und der Wirkungsgrad der Gesamtanlage sinkt. Darüber hinaus zersetzt sich dann gegebenenfalls das Frostschutzmittel in diesen Zweigen und es treten die oben beschriebenen Probleme auf.
Ehrlichkeit tut Not
Welche Wege gibt es, dem Nutzer bessere Systeme, also einfache, effektive und kostengünstige Solaranlagen, anzubieten? Die Anlage sollte für den Nutzer, bezogen auf die mit der Anlage erreichten Energiekosten, so ökonomisch wie möglich gestaltet und angeboten werden. Dazu gehört bei der Projektierung vor allem Ehrlichkeit. Das bedeutet, der Typ der Kollektoren ist dem spezifischen Einsatz anzupassen. So ist es sinnlos, eine Stützungsheizung für ein Freibad mit Vakuumrohrkollektoren auszuführen oder auf der anderen Seite Flachkollektoren bei einer erforderlichen Arbeitstemperatur von 60 °C beziehungsweise Speichertemperaturen von 90 °C einzusetzen.
Auch die Größe der Anlage, also der solare Deckungsgrad, sollte so gewählt werden, dass die mit der Anlage erzielten Energiekosten sich im Minimum befinden. Üblicherweise liegt das Kostenminimum bei Heizungsunterstützung in Abhängigkeit von den Wärme-Speichermöglichkeiten heute zwischen 30 und 40 Prozent solarer Deckung. Technisch mag ja ein Haus mit 100 Prozent solarer Deckung sehr interessant sein und den einen oder anderen Begeisterten finden. Ökonomisch ist aber ein solches Haus heute nur schwer zu realisieren.
Narva hat im vergangenen Jahr ein Heatpipe-Vakuumrohr entwickelt, das ohne mechanisches Ventil arbeitet und trotzdem die im Stagnationsfall im Sammler auftretende Temperatur begrenzt. Nur mit einem solchen Rohr, so unsere Überzeugung, sind die derzeitig niedrigsten spezifischen Energiekosten zu erreichen. Denn: Mechanische Ventile, die bei Temperaturen von über 150 °C zwanzig Jahre störungsfrei arbeiten sollen, sind nicht billig. Um neue Wege zu finden, die Temperatur im Sammler sicher zu begrenzen, wurde das Verhalten und die Eigenschaften der Vakuumkollektoren und Heatpipes analysiert, wobei man zur Einsparung von Entwicklungszeit auf entsprechende Rechnerprogramme setzte. Bei der Analyse des Wärmetransportes zwischen Absorberfinne und Kondensator wurde erkannt, dass theoretisch eine bei einer Grenztemperatur abschaltende Heatpipe auch ohne Ventil möglich sein müsste: Dosiert man eine solche Menge Fluid in die evakuierte Heatpipe, dass diese Menge gerade bei der gewählten Abschalttemperatur vollständig verdampft ist, erfolgt auch kein Wärmetransport zum Kondensator mehr. Der Grund dafür ist, dass in der Heatpipe praktisch kein Temperaturgradient im Fluiddampf zwischen Finne und Kondensator existiert und demzufolge auch Wärmetransport über Thermodiffussion erfolgen kann. Über ein Rechnerprogramm wurde das Verhalten potenzieller Fluide wie Wasser, Alkohole, Aceton, Alkane modelliert und damit deren Betriebsverhalten untersucht. Hauptparameter waren dabei die dosierte Menge, die Geschwindigkeit des Wärmetransports, die Abschalttemperatur, das Druck-Temperaturverhalten unter verschiedenen Wärmeentnahmebedingungen, Wasserschädlichkeit und die chemische Stabilität des Fluides.
Es wurde erkannt, dass die Gruppe der Alkane als Fluid besonders geeignet war. So zeichnen sich im Gegensatz zu Wasser besonders n-Hexan und n-Pentan durch die Möglichkeit aus, relativ große Mengen dosieren zu können, ohne dass der Druck in der Heatpipe auch in kritischen Betriebszuständen zu hoch wird. Dieses Verhalten ist vor allem für die vollständige Kühlung sehr langer Absorberfinnen für einen hohen Wirkungsgrad wichtig und ergab auch die Möglichkeit eine ventilfreie Abschaltung bei 130–140 °C zu realisieren, was Systemvereinfachungen erlaubt. Darüber hinaus sind Alkane chemisch sehr stabil und lassen eine lange Lebensdauer zu.
Natürlich mussten in der Entwicklungsphase auch eine ganze Reihe von technologischen Problemen gelöst werden. Besonders kritisch waren das Evakuieren, Dosieren und Verschließen der Heatpipes.
Auch bei der Lösung dieser Probleme wurden Erfahrungen und Kenntnisse aus der Lampenproduktion genutzt. So wurde durch Heizbandagen Kondensationen des Fluides im Vakuumsysten vermieden, die zu langen Evakuierungszeiten geführt hatten, die Fluiddosierung konnte schrittweise verbessert werden und mit einem WIG-Schutzgas-Schweißverfahren wurde die Langzeit-Vakuumdichtheit der Heatpipe gesichert.
Die Entwicklung des Heatpipe-Solarkollektor-Rohres ist nun abgeschlossen. In Zusammenarbeit mit der TU Dresden wird derzeitig eine Solar-Wärme-Anlage konzipiert und in diesem Jahr realisiert, in der das dargestellte vereinfachte Prinzip auf Praxistauglichkeit geprüft wird.
Gerhard Mientkewitz
Narva Trade Solartechnik GmbH