Martin Kopp, Geschäftsführer Windcomm e.V. windcomm
Die zentrale These der Bundesregierung lautet, dass die erneuerbaren Energien zu schnell zugebaut werden, die Netze verstopfen und der Netzausbau kaum hinterherkommt. Letzteres ist in Teilen richtig. In solchen Netzausbaugebieten soll nach Willen der Bundesregierung der Zubau von erneuerbaren Energien auf rund zwei Drittel der Ausbauwerte der Jahre 2013 bis 2015 reduziert werden. Eine verkappte Ausbaudeckelung, von der wohl am stärksten Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Nordhessen betroffen sein wird.
Richtig ist, dass wir Teilregionen in Deutschland vorfinden, in denen die Einspeiseleistung aus erneuerbaren Energien größer ist, als die aktuelle Netzkapazität. Hier bringen technische Maßnahmen wie z. B. Leiterseiltemperaturmonitoring oder das Umseilen mit Hochtemperaturleiterseilen von Netztrassen nur kurzfristige Entlastungen. In vielen Regionen wird jedoch ein Großteil des Stroms aus fossilen und atomaren Quellen generiert. Diese Must-run-Kraftwerke sollten mittelfristig aus dem Strommarkt ausscheiden, da ihre technischen Eigenschaften nicht zu einem neuen Strommarktdesign passen, das aus immer mehr dezentralen Erzeugern besteht. Die Bundesregierung sollte somit auch mit einem Kohleausstieggesetz einen verlässlichen Rahmen schaffen und flexible Kraftwerkseinheiten auch ökonomisch bevorteilen. Im Umkehrschluss wäre auch eine Abgabe auf die Tonne emittierten CO2 denkbar.
Damit der Netzausbau insbesondere in Engpassregionen kurzfristig beschleunigt werden kann, sind jedoch mehrere Instrumente seitens des Plan- und Genehmigungsverfahrens notwendig. Die Planverfahren können dadurch gestrafft werden, dass betroffene Bürger und Träger öffentlicher Belange wie Natur- und Denkmalschutzverbände durch eine kooperative Planung ihre Anmerkungen im Rahmen von Bürger- oder Dialogforen frühzeitig in den Planprozess mit einfließen lassen. Dies reduziert auch das Risiko nachgeordneter Klagen. So können bereits vor dem eigentlichen Planfeststellungsverfahren viele Hemmnisse ausgeräumt werden. Zudem können gesonderte Planschritte, wie ein Raumordnungsverfahren, wegfallen. Hier sind die Bundesländer und die Bundesnetzagentur gefragt, sich auch über Best-Practise-Beispiel auszutauschen. Das Verwaltungsrecht des Bundes und der Länder bietet durch § 25 VwVfG eine entsprechende Rechtsgrundlage.
Nachdem eine Trasse planfestgestellt ist, sollte in Anlehnung an die angedachten Pönalen im EEG 2016 für Anlagenbetreiber darüber nachgedacht werden, auch für den betroffenen Netzbetreiber eine verbindliche Realisierungszeit zu vereinbaren. Werden die Fristen nicht eingehalten, sind Strafzahlungen an die Bundesnetzagentur bzw die Planfeststellungsbehörden der Länder zu zahlen. Kann die Trasse dann immer noch nicht fristgerecht realisiert werden, wäre zum Beispiel eine Erschließung durch eine staatliche Erschließungsgesellschaft denkbar. In Schleswig-Holstein werden Realisierungsvereinbarungen zwischen dem Netzbetreiber und dem Land bereits geschlossen. Darin wird ein abgestimmter Zeitrahmen festgelegt. Vorschläge gibt es viele, nun braucht es ein ganzheitliches Konzept!
Verfasser: Martin Kopp