Seit der Verabschiedung des Solarpakets im vergangenen Jahr wurden auch die Regelungen für die Erneuerung von bestehenden Solaranlagen verbessert. Was ist mit den neuen Regelungen jetzt möglich?
Tomaso Charlemont: Bei der Erneuerung von Solaranlagen müssen wir zunächst unterscheiden zwischen Revamping und Repowering. Mit Revamping ist der Austausch einzelner Komponenten gemeint, ohne die Leistung der Anlage zu erhöhen. Beim Repowering wird die Leistung der Solaranlage durch die Installation neuer Komponenten bewusst vergrößert. Bis 2023 waren die Rahmenbedingungen für beide Varianten sehr restriktiv. Es war nur der Austausch einzelner, defekter Module möglich. Durch die Änderungen im Solarpaket haben sich die Vorgaben stark verbessert. Nun ist der Austausch von Solarmodulen in Deutschland vollständig erlaubt und die Anlage kann komplett optimiert werden, solange die ursprüngliche Nennleistung beibehalten wird.
Wie viel Anlagenleistung könnte allein mit dieser Optimierung zugebaut werden?
Deutschland hat diese Anpassungen als eines der letzten Länder in Europa vorgenommen. Das Potenzial ist erheblich. Wir schätzen, dass etwa 50 Gigawatt an zusätzlicher Leistung in Deutschland durch Revamping und Repowering auf bestehenden Flächen gehoben werden könnten.
Wie wirken sich die neuen Regelungen konkret auf die Nachfrage nach einer Optimierung aus?
Durch die Änderungen im Solarpaket ist die Geschäftsentwicklung in Deutschland nach oben gegangen und wir sehen hier – wie gesagt – ein großes Potenzial.
Welche Hürden stehen der Erneuerung der Anlagen noch im Wege?
Beim Revamping und Repowering geht es nicht nur um den Austausch von Komponenten, sondern auch um die Tatsache, dass Teile der Anlage bereits ans Netz angeschlossen sind. Das bringt enorme Komplexität mit sich und erfordert eine sorgfältige Planung der durchzuführenden Arbeiten. Die veränderte Auslegung der Anlage muss berücksichtigt und jeder Schritt genau geplant werden. Die beteiligten Firmen sollten über die notwendigen Kompetenzen verfügen, da die Planung und das Engineering dieser Anlagen sehr spezifische Aufgaben sind. Daher ziehen sich Modernisierungs- und Repoweringmaßnahmen oft in die Länge und dauern häufig länger als der Bau einer neuen Anlage.
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Das klingt komplex. Wie gehen sie konkret bei einer Optimierung der Solaranlage vor?
Die Anlagenbetreiber sind vertraglich und rechtlich verpflichtet, eine Mindestenergieeinspeisung ins Netz sicherzustellen. Bei der Erneuerung der Anlage müssen wir daher oft in Clustern vorgehen: Das heißt, dass wir einzelne Trafostationen abschalten, diesen Cluster erneuern, nach den Arbeiten die Trafostationen wieder einschalten und dann erst mit dem nächsten Cluster fortfahren.
Unter welchen Voraussetzungen würden Sie das Repowering einer Solaranlage empfehlen?
Diese Frage muss individuell beantwortet werden und hängt stark von der finanziellen Analyse des Solarparks ab. Aus meiner Erfahrung würde ich sagen, dass nach etwa acht, zehn oder zwölf Jahren eine Optimierung notwendig werden kann.
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Welche Kriterien legen sie einer solchen Analyse zugrunde?
Ein Kriterium ist grundsätzlich die Erkenntnis, dass die Solaranlage weniger Energie erzeugt als ursprünglich geplant, und deshalb die technische Notwendigkeit besteht, die Module, Wechselrichter oder Trafos zu ersetzen. Bei Photovoltaikmodulen liegt es insbesondere an Materialien oder Technologien, die vor zehn oder mehr Jahren verwendet wurden. Diese erweisen sich jetzt als ungeeignet und wirken sich negativ auf die Leistung des Solarparks aus. Bei Wechselrichtern hingegen liegt das Problem bei Produkten, die heute nicht mehr gewartet oder repariert werden können, weil es die Hersteller nicht mehr gibt und jeder Ausfall eines Geräts die ganze Anlage oder einen großen Teil davon stilllegt. Allgemein wird ein Revamping vorgenommen, wenn eine Anlage leistungsschwach ist oder Komponenten hat, die technische Probleme aufweisen. Sei es bei Modulen, bei Wechselrichtern, bei Trafostationen oder aber auch bei Kabeln. Oftmals sind dies technisch begründete Modernisierungsarbeiten, die durchgeführt werden müssen, weil daraus resultierende Fehler zur Abschaltung der Anlage führen können. Revamping kommt zum Tragen, wenn der gezielte Austausch einzelner Komponenten durch Wartungseinsätze nicht mehr ausreicht oder möglich ist, und der Ersatz aller oder großer Teile der Hauptkomponenten vorgenommen werden muss.
Und wann wird ein Repowering notwendig?
Repowering kommt später. Wenn die Anlage ans Ende der Einspeisevergütung oder der geplanten Lebensdauer kommt und grundsätzlich abgebaut werden soll, kann durch ein Repowering auf der gleichen Fläche eine neue, leistungsstärkere Anlage gebaut werden. Der große Vorteil hierbei ist, dass der Netzanschluss – wenn er verlängert werden kann – und die Baugenehmigung inklusive Standortstudien für die Fläche bereits vorliegen.
Weiterbetrieb mit PPA oder Repowering?
Kann man auch beide Optimierungsvarianten parallel durchführen, also noch während der Laufzeit der Einspeisevergütung die alten Komponenten tauschen und damit die Leistung der Anlage erhöhen?
Es gibt Fälle, bei denen Revamping und Repowering zusammengebracht werden können. Durch die technologische Entwicklung der Komponenten über die letzten Jahre haben Photovoltaikmodule, die heute eingesetzt werden, einen Wirkungsgrad, der doppelt so hoch ist wie die Module von vor zehn oder mehr Jahren. Genauer gesagt, vor zehn Jahren hatte ein Modul einen Wirkungsgrad von circa 12 Prozent. Heute sind wir bei 24 Prozent. Durch den Ersatz alter Module durch aktuelle kann die ursprüngliche Nennleistung auf einer kleineren Landfläche gebaut werden, ohne dass die Einspeisevergütung entfällt. Das heißt, dass bis zu einem Drittel oder sogar die Hälfte der bisher genutzten Fläche frei werden kann. Vorausgesetzt, dass ein zusätzlicher Netzanschluss möglich ist, kann hier der Zubau zusätzlicher Kapazität sinnvoll sein. Der große Vorteil hierbei ist, wie beim Repowering grundsätzlich, dass keine neue Baugenehmigung, inklusive Standortstudien, mehr notwendig ist, da ja bereits eine Baugenehmigung von der ursprünglichen Anlage vorliegt.
Die Fragen stellte Sven Ullrich