Vor allem für Gewerbebetriebe oder Mehrfamilienhäuser könnte das Solardach für die Selbstversorgung künftig an Attraktivität verlieren - zumindest wenn Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble seine Idee zur Änderung des Stromsteuergesetzes so umsetzt, wie es ihm vorschwebt. Ein Verbrauch von 20 Megawattstunden ist weit über dem eines einzelnen Haushaltes mit vier Personen. Der liegt bei rund 3,5 Megawattstunden. Privathaushalte wären also nicht betroffen, sondern Gewerbebetriebe oder Mehrfamilienhäuser. Das würde mehrere Modelle für die Nutzung großer Dächer für Solar unwirtschaftlich machen, etwa die Möglichkeit, dass Projektfirmen Solarzellen auf ein Firmendach setzen und die Firma mit vergleichsweise günstigem Sonnenstrom beliefern. Immer mehr Wohnungsbaugesellschaften versorgen ihre Mieter mit Solarstrom vom Dach. Supermärkte, Industrie und Dienstleistungsfirmen haben sich ebenfalls in den vergangenen Jahren dem Thema genähert.
Wie begründet das Finanzministerium den Plan für die Zusatzsteuer? EU-Vorgaben für ein sogenanntes Kumulierungsverbot verlangen demnach, dass Strom nicht auf zwei Arten gefördert werden darf. Jetzt soll er doppelt belastet werden: Für Solarstrom, der sich für neun bis elf Cent erzeugen lässt, werden zwei Cent Steuer fällig. Außerdem wird auf den selbstverbrauchten Solarstrom seit 2014 die EEG-Umlage erhoben. Nachdem diese „Sonnensteuer“ bereits für viel Unmut in der Branche gesorgt hatte, soll nun offenbar über einen anderen Kanal dieselbe Quelle Geld in die Staatskassen bringen. Der Bund erwartet zwischen 2018 und 2022 durch die Änderung gut 1,3 Milliarden Euro Mehreinnahmen. Die Ökosteuer sei eingeführt worden, um die Energiewende zu beschleunigen, nicht sie zu bremsen. „Eine Ökosteuer auf Solarstrom zu erheben wäre ein Schildbürgerstreich und würde den Zweck des Gesetzes auf den Kopf stellen“, so Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW.
Die Ökosteuer wurde einst ins Leben gerufen, um die derzeit günstigen Marktpreise für fossile Energien anzuheben und damit auf die hohen Mineralölpreise vorzubereiten. So sollte das Fahren sparsamer Kraftfahrzeuge unterstützt werden, was wiederum die Technologieentwicklung auf diesem Gebiet anregen sollte. Die einstige Zielrichtung der „Ökologisierung des Steuerrechts“ mit der Ökosteuer ist in Schäubles neuer Steueridee nicht wiederzufinden. Laut BSW würde mit der Steuer auf einen Schlag ein Großteil der rund 100.000 Anlagen von Mittelständlern oder Landwirten unwirtschaftlich.
Die Bioenergiebranche ist von dem Entwurf des Strom- und Energiesteuergesetzes ebenfalls betroffen. Strom aus Bioenergie, Deponie- und Klärgas wird in dem Entwurf nicht mehr als Strom aus erneuerbaren Energien gewertet. Das hieße, eine Stromsteuerbefreiung für Strom aus Bioenergie würde wegfallen. Nicht nur die Steuerpläne des Finanzministerium schlagen der Regenerativbranche aufs Gemüt. Vor allem auch die geplante Gesetzesnovelle für das EEG bereitet Sorge. Eine breite Allianz von 30.000 Menschen, Verbänden und Branchenakteuren aus dem Bereich der erneuerbaren Energien, hat gestern mit einer bundesweiten Warnminute ein Zeichen gegen die geplanten Regelungen gesetzt. „Die Erzeugung und Verwendung erneuerbarer Energie wirkt als Einkommens- und Beschäftigungsmotor über alle Wertschöpfungsstufen, sichert die Technologieführerschaft insbesondere mittelständischer Unternehmen und steht für Innovationskraft und weltweite Exporterfolge“, erklärt Janet Hochi, Geschäftsführerin des Biogasrat. „Die aktuellen Pläne des Bundeswirtschaftsministeriums zur Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes bedrohen die Erfolgsgeschichte der nachhaltigen Erzeugung erneuerbarer Energie aus Wind, Sonne oder Biomasse.“
(Nicole Weinhold)