Gemäß § 38 b Abs. 2 EEG 2017 sind Solaranlagen, die aufgrund eines technischen Defekts, einer Beschädigung oder eines Diebstahls Solaranlagen an demselben Standort ersetzen, abweichend von § 3 Nr. 30 EEG 2017 bis zur Höhe der vor der Ersetzung an demselben Standort installierten Leistung von Solaranlagen als zu dem Zeitpunkt in Betrieb genommen anzusehen, zu dem die ersetzten Anlagen in Betrieb genommen worden sind.
Damit die Regelung Anwendung findet, müssen folgende Voraussetzungen vorliegen:
• Einhaltung des Ersetzungsbegriffs (Substitution)
• Substitution am selben Standort
• Vorhandensein eines speziellen Ersetzungsgrunds
• Begrenzung auf die ersetzte Modulleistung
Rechtsfolge der Regelung ist, dass im Hinblick auf das ersetzte Modul kein Förderanspruch mehr besteht; für das neue Modul liegt dagegen keine (erneute) Inbetriebnahme vor. Die neuen Module werden vielmehr so behandelt, als seien sie die alten Module und erhalten deren Vergütungssatz, der in der Regel deutlich höher liegen dürfte, als der aktuelle Vergütungssatz für neu in Betrieb genommene Module.
Wiedererrichtung mithin praktisch ausgeschlossen
Als „Ersetzungsgrund“ gilt jeder erzwungene, also unfreiwillige Generatorentausch durch Defekt, Beschädigung oder Diebstahl.
Was unter „demselben Standort“ zu verstehen ist, ist weder dem Gesetzestext noch der Gesetzesbegründung zu entnehmen. Da nach § 3 Nr. 30 EEG 2017 das einzelne Modul als „Anlage“ gilt, könnte die Regelung dahingehend zu verstehen sein, dass bei einer Gebäudeanlage dasselbe Dach, bei einer Freiflächenanlage der exakt selbe Standort gemeint ist. Wurde das Dach, auf dem das zu ersetzende Modul errichtet war, zwischenzeitlich zerstört, wäre eine Wiedererrichtung mithin praktisch ausgeschlossen.
In ihrem Hinweis 2018/24 vom 23.07.2019 hat die Clearingstelle EEG nunmehr aber klargestellt, dass eine Solaranlage immer dann an „demselben Standort" wiedererrichtet wird, wenn - im Fall von sog. Gebäudeanlagen oder von Solaranlagen an oder auf sonstigen baulichen Anlagen - die ersetzenden Solaranlagen
• auf denselben Gebäuden bzw. baulichen Anlagen,
• auf denselben Grundstücken oder
• auf demselben Betriebsgelände
errichtet werden, auf dem bzw. denen sich die ersetzten Solaranlagen befanden.
Freiflächenanlagen
Im Fall von Freiflächenanlagen handelt es sich stets um denselben Standort, wenn sich die ersetzenden Solaranlagen innerhalb derjenigen Flächen befinden,
• die im jeweiligen Bebauungsplan oder
• die infolge eines Verfahrens nach § 38 Satz 1 BauGB als Errichtungsflächen für die Solaranlagen vorgesehen sind.
In eng umgrenzten Ausnahmefällen kommt darüber hinaus auch ein Ersetzen im unmittelbaren Umfeld des Gebäudes, Grundstücks oder Betriebsgeländes in Betracht, wenn aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen das Ersetzen auf demselben Gebäude, demselben Grundstück oder demselben Betriebsgelände unmöglich ist und die Anwendung der oben skizzierten engeren Auslegung m Einzelfall zu unzumutbaren und mit Sinn und Zweck der PV-Austauschregelung unvereinbaren Ergebnissen führt. Hierfür müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:
• Ein Ersetzen auf demselben Gebäude, Grundstück oder Betriebsgelände ist aus Gründen unmöglich, die nicht in der Sphäre der jeweiligen Anlagenbetreiberin bzw. des jeweiligen Anlagenbetreibers liegen.
• Das Ersetzen ist an einem benachbarten Ort möglich, der noch einen so engen Bezug zum ursprünglichen Standort aufweist, dass bei einer abwägenden Gesamtschau aller Umstände des Einzelfalls der Begriff des Standorts ausnahmsweise noch als erfüllt zu betrachten ist.
In diesen Fällen ist die Grenze des Standorts anhand der Besonderheiten des Einzelfalls und unter Abwägung aller Umstände zu ermitteln.
Wenn das Gebäude zerstört ist, auf dem die Solaranlage war
Wurde also das Gebäude, auf dem die Solaranlage errichtet war, zerstört und ist eine Errichtung auf demselben Grundstück oder Betriebsgelände nicht möglich, kann u.U. auch eine Errichtung auf einem Gebäude, das sich auf dem Nachbargrundstück befindet, noch ausreichen, um in den Genuss der Fiktion des § 38 b Abs. 2 EEG 2017 zu gelangen. Wurde nur ein Teil der zunächst errichteten Solaranlagen zerstört, bieten die auf demselben Betriebsgelände befindlichen Gebäude aber keinen Platz für eine Ersetzung, weil sie ihrerseits mit Modulen belegt sind, ist es zudem zulässig, einen Teil der noch vorhandenen Module – unter Beibehaltung des bestehenden Vergütungssatzes – an einen anderen Standort zu verlegen und die frei gewordene Fläche dazu zu nutzen, die zerstörten Module zu „ersetzen“.
Wurde eine Solaranlage in Anwendung des § 38 b Abs. 2 EEG 2017 an demselben Standort wiedererrichtet, kann sie später wiederum an einen anderen Standort versetzt werden, d.h. das spätere Versetzen der ersetzenden Solaranlagen lässt die Fiktionswirkung des § 38 b Abs. 2 Satz 1 EEG 2017 (also das Beibehalten des Inbetriebnahmezeitpunkts der ersetzten Module) unberührt, wobei das Ersetzen an demselben Standort jedoch voraussetzt, dass die ersetzenden Solaranlagen am bisherigen Standort auch tatsächlich installiert worden sind und technisch in der Lage waren, Strom zu erzeugen.
Im Umkehrschluss ist die Anwendung der Fiktionswirkung des § 38 b Abs. 2 Satz 1 EEG 2017 damit ausgeschlossen, wenn das „Ersetzen" nicht an demselben Standort erfolgt, wenn also die ersetzenden Solaranlagen nicht an demselben, sondern einem anderen Standort als die ersetzten Solaranlagen installiert werden.
Wichtig ist ferner die weitere Feststellung der Clearingstelle, dass für das Ersetzen gem. § 38 b Abs. 2 Satz 1 EEG 2017 keine Ausschlussfrist gilt. Eine Solaranlage kann daher mitunter noch viele Jahre nach ihrer Zerstörung oder Beschädigung ersetzt werden, ohne dass der ursprüngliche Vergütungssatz verloren geht. Allerdings stellt die Clearingstelle klar, dass der Vergütungszeitraum unabhängig vom Zeitpunkt des Ersetzens weiterläuft, d. h. die ersetzende Solaranlage erhält den ursprünglichen Vergütungssatz nur bis zum Ablauf des für die ersetzte Anlage geltenden Vergütungszeitraums.
Die von der Clearingstelle entwickelten Grundsätze sind auch auf die Vorgängerregelungen des § 38 b Abs. 2 EEG 2017 übertragbar und somit auf Solaranlagen, die im Geltungsbereich des § 51 Abs. 4 EEG 2014 bzw. des § 32 Abs. 5 EEG 2012 zerstört wurden. Somit können theoretisch selbst Solaranlagen, die im Jahre 2012 zerstört wurden, heute noch wiedererrichtet werden.
Der Autor Dr. Carsten Witter ist Rechtsanwalt und Partner der WKL Rechtsanwälte, Hamburg