Nach fast 20 Jahren übernahm Bärbel Heidebroek im Juni 2023 die Präsidentschaft des Bundesverband Windenergie von Hermann Albers. Für ihre erste Amtszeit hat Heidebroek sich das Ziel gesetzt, die erneuerbaren Energien in die Mitte der Gesellschaft zu holen. Sektorenkopplung und Digitalisierung sind Hauptthemen der diesjährigen Husum Wind und können dabei eine wichtige Rolle spielen. Im Interview mit ERNEUERBARE ENERGIEN berichtet Bärbel Heidebroek, welche Entwicklungen auf der Messe zu sehen sind und wie die Windbranche durchstartet.
Was macht die Husum Wind für Sie besonders?
Bärbel Heidebroek: Sie ist weiter das Familientreffen der Branche. Hier hat alles begonnen. Von diesem Urkeim, von diesem Aufbruch der Branche, ist hier noch viel zu spüren. Husum ist keine Messe wie jede andere.
Wo sehen Sie die Wind-Branche aktuell?
Bärbel Heidebroek: Wir sind jetzt erwachsen geworden als Branche. Wir sind aus der Nische raus. Der Welpenschutz ist weg. Wir wollen jetzt wirkliche Energieversorgung sein und dafür Verantwortung übernehmen.
Wo in der Branche sehen Sie aktuell gute Entwicklungen?
Bärbel Heidebroek: Die Anlagentechnologie hat sich insgesamt toll entwickelt. Gerade in den letzten Jahren ist ein unheimlicher technischer Fortschritt gelungen. Ich glaube, wir brauchen diese Innovationen auch weiter. Wir brauchen Anlagen, die Effizienzpotenziale ausnutzen.
Wie kann man diese Entwicklungen auf der Messe sehen?
Bärbel Heidebroek: Wir werden dies in allen Bereichen sehen: Bei Herstellern, bei Zulieferern, bei Service und Wartung. Auch bei Entwicklern, Projektieren und Finanzierern wird angesichts der politisch gesetzten Ziele jetzt nach neuen Wegen gesucht. Wir erleben also eine äußerst spannende Phase. Die Stimmung in der Branche ist gut.
Woran erkennen Sie diese gute Stimmung?
Bärbel Heidebroek: Wir alle haben das Gefühl, der politische Wille ist da, der gesellschaftliche Wille ist da und vor allem haben wir als Gesellschaft erkannt, dass wir die Erneuerbaren brauchen. Ich glaube nicht, dass es noch eine relevante politische Kraft gibt die bestreitet, dass wir die Erneuerbaren brauchen und dass das die Zukunft ist.
Auch andere sehen, dass im deutschen Markt etwas passiert und kommen nach Husum.
Bärbel Heidebroek: Richtig, die relevanten chinesischen Hersteller sind da. Sie versuchen mit ordentlicher staatlicher Unterstützung in den Markt drängen. Da braucht es eine europäische Antwort und klare Regeln für einen Fairen Markt an die sich alle halten müssen.
Niedersachen ist in diesem Jahr Partnerland der Messe. Wie schafft man es, die Ausbau-Vorbilder auf das gesamte Land zu übertragen?
Bärbel Heidebroek: Niedersachsen, Schleswig-Holstein und seit einigen Jahren auch Nordrhein-Westfalen machen deutlich: Landespolitik hat Spielräume. Die anderen Bundesländer können und müssen nachziehen. Ich würde mir wünschen, dass alle Bundesländer die Flächenziele so vorziehen wie Niedersachsen das macht. Ich verstehe nicht, warum man ein Zwischenziel 2027 braucht.
Ihr Vorgänger Hermann Albers hat zur letzten Husum Wind gesagt: „Vier Jahre im Stillstand, aber ein mutiger Aufbruch“. Was ist Ihr Leitspruch für die aktuelle Entwicklung?
Bärbel Heidebroek: Durchstarten. Der Bund hat geliefert. Der Startschuss ist gefallen. Da sind wirklich viele gute Gesetze beschlossen, die nun in den Ländern und in den Behörden anzuwenden sind. Noch hakt es dabei. Aber es baut sich eine Welle an neuen Projekten auf, die wir bald umsetzen können. Deshalb: Husum 2023 ist die Messe des Durchstartens.
In welcher Form sehen Sie das?
Bärbel Heidebroek: Aktuell steigen die Genehmigungen, gestützt auf drei Bundesländer, massiv. Wenn zur Spitzengruppe NRW, Niedersachsen und Schleswig-Holstein die nächsten Länder zugig aufschließen wird ab 2024 auch der Zubau massiv zunehmen. Auf der Messe sehen wir zudem, dass die technische Entwicklung weitergeht.
Greifen alle wichtigen Zahnräder endlich ineinander?
Bärbel Heidebroek: Ich habe noch nie so stark dieses Gefühl gehabt, dass es nicht mehr zurückgehen kann. Es wird keine Bundesregierung mehr geben, die den Kohleausstieg oder den Atomausstieg rückgängig macht. Alle Zeichen stehen auf Erneuerbare.
Die Bundespolitik hat die richtigen Weichen gestellt. Das wird auf die Landesebene heruntergebrochen und noch weiter auf die Kommunen. Wie werden die lokalen Bauämter und Genehmigungsbehörden einbezogen?
Bärbel Heidebroek: Ich glaube, dazu muss es so einen Trickle-Down-Effekt geben. Auf Bundesebene hat man die richtigen Weichen gestellt. Hier haben wir jetzt ein gutes Mindset. Dieser politische Wille muss von oben nach unten durchsickern. Und das dauert natürlich ein bisschen. Aber ich bin sehr sicher, dass wir auf einem guten Weg sind.
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