„Aus zweierlei Gründen“, sagt Ian-Paul Grimble, Chef bei PSM in Erkelenz, habe er zusammen mit seinem Partner in der Geschäftsführung, Torsten Stoll, die Initiative vor zwei Jahren ins Leben gerufen: „Um motivierte junge Männer kennenzulernen“, sagt Grimble als erstes. Schließlich seien Bewerber, die einen Windpark-Instandhaltungsjob mit technologischen aber auch körperlichen Herausforderungen gerne ausüben wollen, auf dem leergefegten Facharbeitermarkt weiterhin schwer zu finden. In der Regel „mehrere Monate“, auch schon Mal ein Jahr lang, müsse das in der niederrheinischen Provinz am Rand des Braunkohletagebaus Garzweiler ansässige Unternehmen PSM suchen. Den zweiten Grund trägt Geschäftsführer-Kollege Stoll vor: PSM betrachte die Integration der vielen in den vergangenen Jahren vor Krieg, Vertreibung oder wirtschaftlicher Ausweglosigkeit nach Deutschland gekommenen Menschen als „gesamtgesellschaftliche Aufgabe“. Für PSM sei daher klar: „Wir wollen unseren Beitrag leisten.“
Das bei PSM erdachte Grundkonzept für eine Einbindung von Flüchtlingen in die Arbeiten draußen in den Windparks, die Einsatzwillen und körperliche Belastbarkeit verlangen sowie Freude an einem Job in den luftigen Höhen der Windturbinen-Maschinenhäuser: Sie hätten Mitarbeiter gewollt, sagt Stoll, „die schon einen technischen Beruf haben und die deutsche Sprache können.“ Außerdem hätten sie bewusst sich gegen die Übernahme von Flüchtlingen in die klassische Lehrlingsausbildung entschieden. „Wir wollten nicht die Diskussion aufkommen lassen: Flüchtling oder Lehrling.“ Die Flüchtlingsausbildung sollte in der Öffentlichkeit nicht in Verdacht geraten als etwas, das den „jungen Menschen von hier“ die Ausbildungsplätze wegnimmt.
Für Grimble und Stoll war daher klar, dass sie eine öffentliche Förderung für das Flüchtlinge-Anlernen brauchten. Dieses Konstrukt würde jedem Verdacht vorbeugen, dass PSM unternehmenseigene Mittel für Flüchtlinge verbraucht, die die Firma dann nicht mehr in die Lehrlingsausbildung stecken kann. Grimble, Stoll und der Chef-Ausbilder der Erkelenzer, Hardi Gronau, gewannen daraufhin das auf die Energiewirtschaft fokussierte privatwirtschaftliche Essener Fortbildungsinstitut Kraftwerksschule als Partner. Und sie organisierten zusammen mit der Kraftwerksschule eine Fortbildungsförderung für jeden der Flüchtlinge von rund eineinhalb Jahren durch die Essener Arbeitsagentur. Außerdem sponserte PSM eine alte Windenergieanlage für die Ausbildung, die das Unternehmen zuvor aus einem Windpark-Repowering-Projekt beim Austausch neuer gegen alte Windturbinen gewonnen hatte. Die Altanlage aus dem Repowering-Projekt soll nun als Trainingsanlage am Essener Standort der Kraftwerksschule dienen. Schließlich gewannen Grimble und Stoll noch die drei Unternehmen UTW in Hannover, RTS in Bremen und Deutsche Windtechnik X-Service in Osnabrück als Partner, die nun ebenfalls ausbilden.
Vier junge Männer fangen jetzt mit einer Art Kennenlern-Praktikum bei PSM an: Hossein Mowludi aus dem Iran sowie Anas Du Alghna, Ali Mahmoud und Alayawi Salam Al-Mohamad jeweils aus Syrien. Alle vier sitzen nun – einheitlich im Blaumann gekleidet – in dem Besprechungsraum des Wartungsdienstleistungs-Unternehmens. Der 41 Jahre alte Mowludi war Rettungsschwimmer und Schneider in seinem Heimatland. Der 30-jährige Al-Mohamad hingegen hat schon zwei Jahre in der Erdgasförderung gearbeitet. Der ebenso 30 Jahre alte Mahmoud hat sogar drei Jahre lang Maschinenbau in dem inzwischen vom Bürger- und Stellvertreterkrieg verwüsteten Land studiert – ohne einen Abschluss mitgenommen zu haben. Auch Du Alghna ist 30 Jahre jung – in Syrien hatte er als Selbstständiger mit Parfüm, Kleidung und Kosmetik gehandelt. Alle sind sie alleinstehend, ohne Frau oder gar Kinder, so verraten sie auf Nachfrage – und sie wünschen sich, einmal Familien zu gründen. Und alle vier können dank eines weitreichenden Aufenthaltsstatus in Deutschland frei reisen.
Alle vier freuen sich auch darauf, dass es für sie nun losgehen soll mit der eineinhalbjährigen Schulung. Außerdem sind sie überzeugt davon, dass Windenergie eine gute Sache ist, für die sie gerne tätig sein wollen. Sie wohnen in Essen, werden in zeitlichen Blöcken mal in der Fortbildungsstätte Kraftwerksschule die Grundkenntnisse in Theorie und Praxis über deutsche Ausbildungsprinzipien aber auch in handwerklichen Dingen und eben Elektrik erfahren. Und in den anderen zeitlichen Blöcken werden sie in Erkelenz von den Wartungsteams mit in den Einsatz genommen, um an den lebenden Objekten - den rotierenden Windturbinen - zu lernen. Dann werden sie über den 83 Straßenkilometer großen Anfahrtsweg in einem Bus täglich zur Arbeit hin- und zu ihren Wohnstätten zurückpendeln. In einem großen theoretischen Teil werden sie in den für Elektriker hilfreichen Fächern wie Physik, Chemie, Mathe, aber auch Deutsch ihre Schulungen erhalten – sowie immer auch in einer Lehrwerkstatt sich in Sägen, Feilen, Bohren von Metall trainieren.
Im Betrieb von PSM werden sie dann lernen, elektrische Ströme, elektrische Spannungen und elektrische Widerstände zu messen, sich ein wenig mit der Steuerung der Anlagen zurechtzufinden oder Elektrik installieren zu können. Zum Abschluss sollen alle Teilnehmer nach erfolgreichem Lernen eine IHK-Zertifizierung erhalten – auch hierfür existiert bereits eine Partnerschaft zwischen dem Pilotprojekt und der IHK.
Die vier Männer sind nicht die ersten Menschen aus der großen Flüchtlingseinreise seit 2015, die einen Job in der Windkraftbranche gefunden haben. Allerdings sind Ausbildungsprogramme à la „Empower Refugees“, wie PSM und die Kooperationspartner der Erkelenzer das Schulungs-Pilotprojekt genannt haben, bislang einmalig. Denn die Hürden der Aus- und Fortbildung für Flüchtlinge sind hoch. Schon 2016 hatten die Beteiligten des Projekts, zu denen auch die Energieagentur NRW gehört, damit angefangen, das Programm zu entwickeln und vorzubereiten und über die Kraftwerksschule ausreichend Bewerber unter Flüchtlingen zu finden. Komplex war es alleine schon, die Finanzierung der Fortbildungen zu konstruieren. Über sogenannte Aktivierungs- und Vermittlungsgutscheine (AVGS) für 10.000 Euro pro Person und über Bildungsgutscheine für 30.000 Euro pro Person haben die Macher von „Empower Refugees“ schließlich das Programm sichern können. 40.000 Euro für eineinhalb Jahre sind indes gerade Mal gut 2.500 Euro pro Teilnehmer. Davon müssen die Ausbildungsunkosten mit bezahlt werden.
Schließlich hatte das Jobcenter Essen die Förderung von 15 Teilnehmern zugesagt. Von Firmen aus der Windbranche lagen am Ende sogar Zusagen für die Ausbildung von 30 Perseonen im Empower-Refugee-Programm vor. Allerdings gestaltete sich die Auswahl genügend geeigneter Kandidaten selbst für die Kraftwerksschule schwer. Von rund 130 Personen, die schließlich an den Info-Veranstaltungen teilnahmen, waren am Ende nicht mehr als die verbliebenen 12 geeignet oder gewillt genug.
Das erste Kennenlernpraktikum, wie die Partner des Programms den ersten Zeitabschnitt beim Ausbilder nennen, ist übrigens nach fünf Wochen nun wieder vorbei. PSM setzt derweil die klassische Ausbildung von sechs bis sieben jungen Mitarbeitern fort. PSM-Geschäftsführer Grimble nutzt die Gelegenheit zur Ermahnung an Wettbewerber, von denen einige nicht ausbilden, dies in Zukunft doch zu tun. Dabei bleibe aus wirtschaftlicher Sicht eines dennoch klar: „Diese Fachkräfte sollen dazu beitragen, dass wir Geld verdienen.“
(Tilman Weber)