Der Hafen der dänischen Insel Rømø. Hier ist Kristen Nedergaard der Hafendirektor. Der Däne erzählt: „Fische werden hier schon lange nicht mehr gefangen. Nur die Krabbenkutter bringen noch etwas nach Hause.“ Das Übliche – Europas Meere sind längst leer gefischt, Ersatz findet den Weg aus Asien und Afrika auf die hiesigen Fischtheken. Für viele Häfen heißt das, sie müssen sich neu erfinden und Wirtschaftsmodelle für die Zukunft entwickeln. Kein Wunder, dass die Offshore-Windkraft als junge Branche bei vielen Hafenbetreibern Hoffnungen weckt. Wie aber fängt man es an?
Teurer Hafenausbau ohne Sicherheit
Wie lässt sich das Interesse der Offshore-Branche am besten einfangen? Nedergaard hat sich darüber hinlänglich Gedanken gemacht. „Wir haben hier ein Henne-und-Ei-Problem“, sagt er. „Die Offshore-Firmen erwarten die erforderliche Infrastruktur für ihre Projekte, bevor sie sich auf eine Kooperation einlassen.“ Die Häfen wollen derweil die Sicherheit einer verbindlichen Zusage haben, bevor sie in den Ausbau des Standorts investierten. Nicht selten fließen Fördergelder aus Brüssel, aus Staatstöpfen und von Regionalbehörden, um den Hafenumbau anzustoßen.
Im Fall von Rømø ist es etwas anders gelaufen. Hier hatte die ehemalige Hafendirektion beschlossen, ohne verbindliche Zusagen großer Offshore-Unternehmen in Vorleistung zu gehen. „Das war eine gewagte Entscheidung, die mit Blick auf den deutschen Offshore-Markt aus dem Vertrauen in die geographische Lage des Hafens gemacht wurde“, erzählt Nedergaard, während er die Besucher durch die Hafenanlagen führt. Der ehemalige Hafendirektor hängte seinen Job dann an den Nagel. Als Nedergaard seine Stelle übernahm, stellte er fest, dass die von seinem Vorgänger geplante Finanzierung mit 35 Millionen Dänischen Kronen oder umgerechnet vier Millionen Euro für einen neuen, 410 Meter langen Schwerlastkai nicht ausreichte. „Ich musste zunächst einmal zwölf Millionen Dänische Kronen einwerben, damit der Kai überhaupt fertig gebaut werden konnte.“ Das Bauwerk trägt den Anforderungen der Offshore-Industrie Rechnung, die ihre Parks in der Nordsee errichtet – kann aber auch für andere Verschiffungen genutzt werden.
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WPD und Siemens kommen
Weitere Gelder sind in neue Büroräume geflossen. Schick und modern, mit großen Fensterfronten versehen, warten sie auf ihre künftigen Aufgaben. Inzwischen haben zwei namhafte Unternehmen Räumlichkeiten angemietet. Im Januar nimmt der Bremer Planer WPD seine Arbeit dort auf, Siemens folgt voraussichtlich im Juni. Ein erster Offshore-Einsatz wurde vom Hafen bereits zwischen Oktober 2012 und September 2013 geleistet. Schiffseigner Peter Madsen (A/S) hat von Rømø aus einen Kolkschutz für den Windpark Amrum Bank West verschifft.
Ein Hafen sei nichts ohne sein Hinterland, findet Morten Basse Jensen, Chef der Regenerativsparte von Offshoreenergy.dk, der dänischen Offshore-Wind-Cluster-Organisation. Jensen hatte ein Netzwerk aus regionalen Hoteliers, Elektrikern und anderen Firmen aus dem Hinterland des Hafens Grena gegründet, das den Errichtern des Offshore-Windparks Anholt seine Dienste anbieten wollte. Am Ende konnte sein Netzwerk Djurs Wind Power Aufträge im Wert von 60 Millionen Euro generieren – unter anderem, weil ihre Auftraggeber Siemens und Dong merkten, dass sie viel Zeit und Mühen sparen konnten, weil sie sich für alle benötigten Dienstleistungen nur an die Koordinierungsstelle des Netzwerks wenden mussten.
Dong hatte zunächst klargestellt, dass regionale Unternehmen bei einer Ausschreibung nur dann beauftragt werden, wenn sie ebenso günstig und genauso gut sind wie konkurrierende Firmen. Das ist den regionalen Anbietern gelungen. Als Dienstleister für die Industrie mussten die Firmen sich allerdings auf deren Bedürfnisse einstellen: Das Hotel vor Ort eröffnete sein Frühstücksbuffet für die Offshore-Arbeiter wesentlich früher als bisher für die Touristen. Viele Firmen mussten 24 Stunden an sieben Tagen die Woche einsatzfähig sein.
Um auch in einem freien Markt die Chancen der lokalen Wirtschaft zu stärken, ist vor allem eine gute Sichtbarkeit und Organisation kleinerer Unternehmen entscheidend. Die lässt sich mit Netzwerken wie Jensens Djurs Wind Power erreichen. Das Modell macht auch in Rømø Schule. „Der Hafen von Rømø wird nun sein eigenes Netzwerk in Zusammenarbeit mit den Organisationen Offshore Energy Renewables in Esbjerg, Windcomm in Schleswig-Holstein und der Stadt Tønder aufbauen“, betont Hafendirektor Nedergaard. Jensen mit seiner Organisation Offshoreenergy.dk hilft dem Hafen dabei.
Kleine Firmen tun sich zusammen
Kleine, lokale Unternehmen sind oftmals innerhalb eines Netzwerks besser aufgestellt als allein, weil dort Wissen, Kontakte und Erfahrungen ausgetauscht werden. Das gilt auch für kleine Häfen, die beim großen Offshore-Geschäft mitmischen wollen, aber kaum wahrgenommen oder unterschätzt werden. Darum hat sich 2010 die Hafenkooperation Offshore-Häfen Nordsee SH gegründet – mit zehn Häfen von List bis Brunsbüttel und von Rendsburg bis Helgoland. Erreicht eine Anfrage für eine Hafennutzung die Kooperation, wird die Firma an den passenden Dienstleistungshafen weitervermittelt. Die Kooperation wirbt mit der Minimierung von Schnittstellenverlusten.
Tatsächlich spart der Planer auch hier viel Zeit, wenn er nicht selbst die kleinen Häfen abklappern muss. Gleichzeitig bieten sie oftmals die idealen Bedingungen als Basis für Meeresgrunduntersuchungen, Reparaturen im Windpark und Ähnliches, weil sie eine größere Nähe zu den Meeresparks haben.
Jüngster Neuzugang des Hafen-Netzwerks ist übrigens der Rømø-Port. „Wir brauchen bessere Kontakte nach Norddeutschland“, begründet Hafendirektor Nedergaard, „Wir wollen mit deutschen Firmen und Häfen zusammenarbeiten, wann immer das möglich ist.“ Gemeinsam können auch die kleinen Player vom Offshore-Geschäft der Großen profitieren. (Nicole Weinhold)