Am Freitagvormittag, 1. September, hat auch Nordex den Schleier gelüftet – und wieder eines bewiesen: Wenn eine wirklich neue Ära des Wettbewerbs beginnt, setzt sich das in Deutschland zuletzt auf Rang drei beim Windparkausbau vorgerückte Unternehmen mit seinen Neuentwicklungen durch ein oder zwei wichtige Kerndaten zunächst an die Spitze. Nordex kündigte die Anlage N149/4.0-4.5 als Hauptattraktion des eigenen Messeauftritts an. Mit einer sogenannten spezifischen Leistung bis hinab auf das Niveau von 229 Watt pro Quadratmeter der von den Flügeln überstrichenen Fläche wird die Turbine zum (fast) effizientesten Modell. Je weniger Watt eine Anlage nämlich pro Fläche ernten muss, desto gleichmäßiger und daher schonender verteilen sich die Lasten auf ihren Antriebskomponenten. Je geringer das Verhältnis ist, so gilt außerdem, umso gleichmäßiger können die Anlage auch in unsteten Windströmungen der Binnenlandstandorte die Ernte einfahren.
Die zweite von Nordex besonders hervorgehobene Kennziffer ist der geringe Schallwert: Die Anlage wird je nach gekaufter Version und womöglich abhängig von der Ausstattung der Rotorblätter mit Schallvermeidungsprofilen nur 104,9 Dezibel emittieren. Schallleistungspegel von unter 105 Dezibel galten bisher als Bestwerte für Anlagen mit höchstens rund 140 Meter Rotordurchmesser. Denn je größer ein Rotor ausfällt, desto schneller zischen ohne eingeleitete Gegenmaßnahmen die Rotorblattspitzen durch die Luft und erhöhen den Lärm. Für die neue Anlage – entwickelt für Standorte mit geringeren Durchschnittswindgeschwindigkeiten von rund sechs bis sieben Meter pro Sekunde soll das Maschinenhaus auf einem 164 Meter hohen Turm gesetzt werden können.
Anlagentyp mit verschiebbarer Nennleistung
Aus dem Bekannten der Nordex-Entwicklungsstrategie heraus fällt allerdings, dass die Ingenieure des Unternehmens dieses Mal nicht wie früher eine neue Antriebsplattform kreierten, um von einer zur nächsten Megawatt- und Rotorklasse vorzurücken. Außerdem verzichtet Nordex auf eine fixe Definition der Anlage: Kunden können im Erzeugungskapazitätsbereich von 4,0 bis 4,5 MW bestellen – und je nach Aufstellungsort und dortigen Windbedingungen die Anlagen mit dem günstigsten Nennwert bestellen. Allerdings waren genaue Leistungsklassen-Definitionen branchenweit auch schon zuletzt bei Anlagen mit leicht über drei bis leicht über vier MW eher Makulatur. So regelten die Turbinenhersteller die Nennleistungen ihrer Anlagen zuletzt in großen Schritten um Mal 0,3, Mal 0,6 MW von Messe zu Messe nach oben, ohne am Design merklich etwas zu verändern, geschweige denn dafür Rotorgrößen nochmals anzupassen.
Weltmarktführer Vestas hatte mit der neuen V150 schon rund einen Monat vorher dieselbe Dimension angekündigt wie nun Nordex. Das dänische Unternehmen präsentiert auf seinen Online-Schaufenstern eine Anlage mit 4,2 MW Leistung und 150 Meter Rotordurchmesser. Dies würde zur spezifischen Leistung von 238 Watt pro Quadratmeter führen. Vestas zeigt sogar eine ungefähr zu erwartende Jahresernte an – für den Bestfall, dass die Anlagen nur dann Störungen oder Wartungsphasen haben, wenn erntefreie Flauten sind: Laut Vestas würde der neue Binnenlandriese bei 6,5 Metern pro Sekunde im Jahresmittel gerundet auf rechnerische 3.300 Volllaststunden kommen. Das entspricht einem Auslastungsgrad von gut 37 bis zu 38 Prozent. Bei einem Mittel von 7,0 Metern Wind pro Sekunde, in leicht besser gelegenen Windparks in Mitteldeutschland zum Beispiel, betrüge dieser Wert sogar mehr als 3.500 Volllaststunden oder gut 40 Prozent Auslastung.
Bis zu 169 Meter Nabenhöhe
Die Dänen wollen die Nabenhöhe auf 169 Meter hinaufschrauben – und ebenfalls 104,9 Dezibel als maximalen Schallleistungswert einhalten. Allerdings hat Vestas in Anzeigen in gedruckten Magazinen auch schon eine zweite Version mit 4,0 MW angezeigt. Kommt diese ebenfalls auf den Markt, fällt die Rotoreffizienz nochmals leicht höher aus beziehungsweise ist die spezifische Leistung noch geringer. Eine Version für Mittelwindstandorte hingegen mit 136-Meter-Rotor und 4,2 MW Leistung will Vestas mit einem Schallleistungswert von bis zu nur 103,9 Dezibel anbieten können.
In der Anlagenklasse darunter gilt bislang die Siemens-Windturbine SWT-3.15-142 hier als führend: Die im März 2017 erstmals als Prototyp installierte Binnenlandanlage hat einen Rotorleistungsbeiwert von 199 Watt und kommt laut Siemens bei 6,5 Meter pro Sekunde mittlerem Wind auf 43,5 Prozent Auslastung und 3.811 Volllaststunden.
Was genau Siemens auf der Husumer Messe präsentieren und eventuell an neuen Binnenland-Anlagendimensionen nachlegen wird, ist bislang noch unbekannt. Sicher ist nur, dass der Angriff auf den deutschen Markt mit seinen Binnenland-Lagen mit getriebelosen Windturbinen seit einem Jahr ausweislich stark nach oben zeigender Errichtungs- und Verkaufszahlen auf Hochtouren läuft. Vorausgegangen waren Jahre der Abstinenz im Errichtungsgeschäft hierzulande. Mit den getriebelosen Windturbinen aber konkurriert Siemens direkt mit dem Deutschland-Marktführer Enercon. Lange Zeit punktete das ostfriesische Unternehmen Enercon in Deutschland als einziges mit seinen erfolgreichen Direktantriebs-Windkraftanlagen – also Windturbinen ohne Getriebe mit direkt im Generator drehender Rotorachse.
Neuer Schwachwindtyp im 3,x-MW-Bereich
Doch auch Enercon hat sich den Markttrends inzwischen angeschlossen – und damit dem neu verschärften Konkurrenzkampf gestellt. Schon mit den jüngeren Entwicklungen der Anlagen E-115 mit drei MW Leistung und dem jüngsten Anlagentyp E141 mit 4,2 MW Leistung hatte Enercon sich den Maßstäben der inzwischen gängigen Turbinengrößen bei den Binnenlandanlagen stark angenähert. In früheren Jahren hingegen hatte sich Enercon lange vor allem darauf konzentriert, die Windparks ihrer Kunden besonders zuverlässig laufen zu lassen. Die eigene spezielle Generatortechnologie sicherte Enercon im Markt vor allem durch intensive Wartungsbetreuung und durch stetiges Feintuning ab. Für verschiedenste Anlagenhöhen, Generator- und Rotorgrößen stellte Enercon für alle Standorte in Deutschland und für viele verschiedene Investoren mit unterschiedlichster Kapitalausstattung individuell wählbare Anlagenmodelle bereit.
In Husum wird Enercon wie berichtet mit zwei neuen Anlagen bei spezifischer Leistung und bei Anlagenleistungsklasse sich nun ganz im Koordinatensystem gängiger Binnenlandspezialanlagen einreihen. Mit zwei neuen 3,5-MW-Typen, eine davon mit 126 Meter Rotordurchmesser und eine weitere mit 138 Meter Rotordurchmesser, steuert Enercon die Windklassen IEC IIA für mittlere Windgeschwindigkeiten und IEC IIIA für Schwachwindstandorte neu an. Für die Version E-138 EP3 bedeutet das eine spezifische Leistung von 234 Watt pro Quadratmeter. Damit soll die Anlage laut Enercon bei mittleren sieben Meter Wind pro Sekunde Jahresenergieerträge von mehr als 13,2 Millionen Kilowattstunden einfahren. Die Jahresauslastung betrüge damit an solchen Standorten rund 43 Prozent.
(Tilman Weber)