Der Schweizer Investor Swiss Energy AG hat Mitte des Jahres den spanischen Windkrafthersteller MTorres Ólvega Industries, kurz MTOI, übernommen. Welche Rolle haben Sie dabei gespielt?
Stefan Simon: Corporate Energies hat den gesamten Kaufprozess in der methodischen Beratung und der operativen Umsetzung sowie die nachfolgende Unternehmensorganisation von der ersten Analyse des Herstellers über die Konzeption künftiger Prozesse und Strukturen bis hin zur Umsetzung der neuen Unternehmensausrichtung begleitet.
Von MTorres hat man lange nichts gehört. Der Hersteller hat den Durchbruch nie wirklich geschafft. Woran lag das?
Stefan Simon: Zunächst: Der neue Markenname lautet United Energies. Der Hersteller verkauft seit 15 Jahren getriebelose Anlagen mit 1,65 Megawatt. In den vergangenen Jahren hat MTOI aus drei Gründen nicht genügend Anlagen verkaufen können. Im Jahr 2008 ist das ägyptische Unternehmen El Sewedy in MTOI eingestiegen, kurz vor der Bankenkrise. Zudem hatte es sich auf die MENA-Region fokussiert, was dann mit dem Arabischen Frühling auch nicht so gut funktioniert hat. Hinzu kommt der Einbruch des spanischen Markts.
Wie sieht das künftige Unternehmenskonzept aus?
Stefan Simon: Früher war der Hersteller nur für die Produktion von Windkraftanlagen zertifiziert. Seit September 2015 wurde die Zertifizierung nach ISO 9001 erweitert auf den Industriesektor, also auf die Planung von Fabriken zur Herstellung von Windkraftanlagen, deren Umsetzung und den Technologietransfer.
United Energies wird als Hersteller Joint-Venture-Partner im eigenen Lizenzgeschäft. Hinzu kommt ein Projektentwickler mit großer Projekt-
Pipeline. Außerdem ist ein starker Industriepartner für die Produktion vor Ort erforderlich.
Im Laufe der Marktanalyse sind wir schnell auf konkrete Anfragen aus zehn Ländern gestoßen. Letztendlich soll aber die Anzahl der Lizenzvergaben aufgrund der gewaltigen Aufgabe des Technologietransfers auf zwei oder drei limitiert werden. Da müssen wir uns noch entscheiden.
Wie geht es weiter?
Stefan Simon: In Russland und im Iran sind die ersten Joint Ventures unterzeichnet worden. Die Konzepte für den Aufbau der Industrien sind erstellt. Wir rechnen damit, dass die Hallen 2016 aufgebaut werden, um 2017 mit der Produktion zu beginnen. Aus unserem Industrieentwicklungskonzept gehen von den JV-Partnern Bestellungen von Windkraftanlagen in der Größenordnung von 200 MW hervor. Wir arbeiten bis zum Jahresende an der Finanzierung der ersten Lieferungen.
Wer bringt das Geld rein?
Stefan Simon: Das ist immer unterschiedlich. In Brasilien haben wir einen sehr starken Projektentwickler, der sich jetzt sein Industrieunternehmen sucht. In Russland haben wir ein sehr starkes Industrieunternehmen, das sich jetzt einen Planer auswählt. Im Iran und auf den Philippinen haben wir Industrieunternehmen, die sich derzeit mit den passenden Entwicklern zusammenschließen.
Wie rechnen sich die Vorhaben?
Stefan Simon: Der Gewinn zwischen Verkaufs- und Herstellungspreis liegt über 150 Euro pro Kilowatt. Kostenvorteile durch den vermiedenen Schwerlasttransport kommen hinzu. Bei einer Produktionskapazität von vorerst 250 MW könnten rechnerisch mit einer nationalen Industrie über 60 Millionen Euro pro Jahr erwirtschaftet werden. Mit einem Return of Investment von maximal zwei Jahren kann jede Regierung, Bank oder jeder Investor überzeugt werden. Der Return of Investment halbiert sich sogar, wenn wir vor Ort schon hohe Hallen mit 100-Tonnen-Kränen vorfinden. Weitere Vorteile liegen in der lokalen Ersatzteilbeschaffung sowie in der Wartung und Reparatur der Kraftwerke in Eigenregie. Normalerweise sind diese beiden Punkte die bekannten Treiber der Betriebskosten im außereuropäischen Ausland.
Wann entstehen die ersten Fertigungsstätten vor Ort?
Stefan Simon: Im zweiten Jahr nach der Unterschrift unter dem Lizenzvertrag beginnt United Energies mit dem Aufbau der Fabriken für die Turbinen, Türme und Rotorblätter. Diese drei Produktionsstätten sind für 150 Anlagen pro Jahr ausgelegt und können modular erweitert werden. United Energies sucht sich Zulieferer vor Ort, soweit das möglich ist, und setzt gleichzeitig auf technische Expertise aus Europa. Die europäischen Export Credit Agencies und die niedrigen Zinsen in Europa unterstützen die Maschinenlieferung.
Wie soll der Technologietransfer aussehen?
Stefan Simon: Die Qualität jeder Zulieferkomponente muss für den Aufbau einer neuen Fertigung sorgfältig geprüft werden. Schrittweise ist neben der Herstellung auch die gesamte Wertschöpfungskette im Zielmarkt abzubilden: also Zusammenbau der Turbine, Fundamentbau, Montage, Inbetriebnahme, Wartung und Reparatur. Hinzu kommt die Qualifikation der Mitarbeiter: Die Produktionshalle im spanischen Ólvega und das Ingenieurbüro in Pamplona werden zu Ausbildungszentren umfunktioniert. Am Anfang trainieren die Spanier sieben Führungskräfte des Lizenznehmers aus den Bereichen Herstellung, Produktentwicklung, Qualitätsprüfung, Einkauf, Logistik, Verkauf und Betriebsführung.
Wie wird geistiges Eigentum geschützt?
Stefan Simon: Wir setzen in unserem Unternehmenskonzept auf die ständige Weiterentwicklung der Produkt-Palette. Wer morgen kopierte Technologie nachbaut, der verkauft an seinen Kunden die Fehler von gestern. Zum Klimakonvent von Paris vertrete ich die Meinung, dass Europa weniger einen hohen Zaun und mehr einen breiten Industriegürtel mit aufbauen sollte. Deutschland würde sich zeitgemäß von „Made in Germany“ zum „Engineered in Germany“ wandeln, denn Windkraftanlagen gehören zu solchen dezentralen Produkten am jeweiligen Ort des Energiebedarfs. Wir wollen dort die Arbeitsplätze schaffen.
Das Interview führte Nicole Weinhold. Es ist in der Print-Ausgabe von ERNEUERBARE ENERGIEN im Januar erschienen. Holen Sie sich jetzt ein kostenloses Probeheft und finden Sie weitere spannende Geschichte rund um erneuerbare Energien.