An der flachen Blatthinterseite abgeschnittene Profile sowie zwischen Außenwölbungen und nach innen gewölbten Blattprofilabschnitten wechselnde Oberflächen könnten Windturbinenflügel effizienter werden lassen. Das haben Forscher im Entwicklungsprojekt Indiana Wind am Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) in Braunschweig ausgetestet. „Wir haben Spielarten für die Gesamtkontur von Rotorblättern gewonnen, die uns die Balance zwischen Baukosten, aerodynamischer Effizienz und möglichst wenig Geräuschemissionen neu austarieren lassen“, lobt Michaela Herr das Ergebnis. Sie ist die Leiterin des DLR-Windenergieprogramms und war federführend für das dreieinhalbjährige Projekt verantwortlich.
Mit Messungen an Blattmodellen im Windkanal und digitalen Simulationen von Geräuschentwicklungen, von aerodynamischem Auftrieb und designabhängigen Gewichtsveränderungen loteten die Braunschweiger Forscher die neuen Spielräume fürs Blattdesign aus. Demnach könnten im Innenbereich des Rotors relative Blattdicken von bis zu 60 Prozent möglich werden. In dieser bauchigen Gestalt des Blattprofils könnten sich die immer längeren Rotorflügel auch noch viele Meter nach außen fortsetzen. Erst weiter außen würden die Blätter der Zukunft dann zum herkömmlichen Design moderner Blätter zurückkehren – mit sehr schlanken, an der Hinterkante spitz auslaufenden Profilen.
Relative Blattdicken bezeichnen das Verhältnis der Blattdicke zur Profiltiefe. „Im Vergleich zu herkömmlichen 35 Prozent dicken modernen Blattprofilen sind 60 Prozent dicke Rotorblattabschnitte sogenannte bluff bodies: stumpfe Körper“, sagt Herr. Um Material zu sparen, haben die Braunschweiger im inneren Rotorbereich die hinteren flachen Blattbereiche abgeschnitten und dennoch sehr runde Wölbungen angesetzt. Die starke Profilierung soll für einen besonders starken Auftrieb des Rotors sorgen. Allerdings sorgen abgeschnittene, kantige Blatthinterenden für Strömungsabrisse der im Betrieb um die Profile strömenden Luft. Solche Abrisse verursachen zischende Geräusche, was Genehmigungen der Anlagen erschweren würde. Die Braunschweiger maßen, testeten, überprüften und spielten so lange mit den Blattformen, bis sie die Balance von Effizienz, Akustik und Kosten in Abhängigkeit vom Design berechnen konnten. Nun können sie simulieren, wie weit nach außen sie die Blattprofile noch relativ dick ausfallen lassen und Hinterkanten abschneiden könnten.
Industriepartner war Enercon. Die ostfriesischen Windradbauer hatten lange Zeit auf ihrem Alleinstellungsmerkmal von im Wurzelbereich weit nach hinten ausgreifenden Blattprofilen bestanden. Weil sich im Blattinnenbereich weit weniger Energie ernten lässt als mit der hohen Rotationsgeschwindigkeit im Außenbereich, hatten andere Windturbinenbauer erst mit zunehmender Entfernung von der Nabe das Profil ausgelegt. Enercon bestand lange Zeit auf der Ausbeute auch des geringen zusätzlichen Energiepotenzials nahe der Nabe – gab zuletzt aber aus Kostengründen das ausgreifende Blattwurzeldesign wieder auf. Nun hatten DLR und Enercon im Schulterschluss einen neuen Anlauf genommen, um möglichst viel Energie im gesamten Rotorbereich abzuschöpfen.
Hierbei testeten die Braunschweiger sogar Designs mit an der Unterseite eingebuchteten, konkaven Profilen, die einen Auftriebseffekt bewirken könnten. Den wichtigsten Effekt erzielen Blattdesigner gewöhnlich durch die Wölbung der Blattoberseite, wo die darüber ziehende Luftströmung eine Saugwirkung erzeugt und das Blatt nach oben zieht.
Indiana Wind lehrt auch, dass Strömungsgrenzschichten an Blättern mit hoher relativer Dicke ungewohnt anders ausfallen. Grenzschichten wirken auf die Akustik ein. Die Forscher verfeinerten ihre Rechenmodelle so sehr, dass sie ohne Messungen die Geräusche der Blattdesigns simulieren können.