Entscheidende Erkenntnisgewinne für das bessere Miteinander von Windenergienutzung und Artenschutz erhoffen sich Alfred Herberg, Leiter des Fachbereichs Schutz, Entwicklung und nachhaltige Nutzung von Natur und Landschaft im Bundesamt für Naturschutz (BfN), und seine Mitstreiter. Er hat gerade gemeinsam mit dem geschäftsführenden Vorstand des Zentrums für Sonnenenergie- und Wasserstoff-Forschung Baden-Württemberg (ZSW), Frithjof Staiß, die Naturschutzforschung am Windenergietestfeld Geislingen/Donzdorf offiziell eröffnet. Sie dient dazu, Maßnahmen zum besseren Schutz von Vögeln und Fledermäusen beim Betrieb von Windenergieanlagen zu entwickeln und zu testen. Dafür wird das Verhalten der Tiere an den laufenden Windenergieanlagen mit modernsten Methoden detailliert untersucht.
„Ich freue mich, dass das ZSW als Betreiber die Möglichkeit eröffnet hat, das Windenergietestfeld auch für die Untersuchung naturschutzbezogener Fragestellungen zu nutzen“, sagte Alfred Herberg. „Das Vorhaben NatForWINSENT kann entscheidende Erkenntnisgewinne dafür bringen, mit welchen wirksamen Maßnahmen das Miteinander von Windenergienutzung und Artenschutz noch weiter verbessert werden kann.“ Herberg unterstrich in diesem Zusammenhang, dass es nur gemeinsam – im Schulterschluss mit allen relevanten Akteuren wie Behörden, Naturschutzverbänden und Forschung – gelingen wird, die zukünftigen Herausforderungen sowohl der Energiewende als auch des Erhalts der Biodiversität zu meistern. „Die Naturschutzforschung am Windenergietestfeld ist hierbei ein besonders wichtiger, herausragender Baustein“, so Herberg.
Auch Frithjof Staiß betonte die Bedeutung der Naturschutzforschung: „Unsere Forschung auf dem Testfeld soll die Windenergienutzung voranbringen. Dabei haben wir zwar insbesondere die Optimierung der Windenergieanlagen im Fokus, wir wissen aber auch um die Bedeutung von flankierenden Maßnahmen abseits der Stromerzeugungstechnik. Deshalb ist uns die Forschung an Naturschutzfragen ein besonderes Anliegen.“
Das BfN fördert mit Mitteln des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV), eingebettet in die Förderkulisse der nationalen Artenhilfsprogramme, die aktuelle Phase des Vorhabens „NatForWINSENT-II: Umsetzung der Naturschutzforschung am Windtestfeld an Land“ mit knapp 1,45 Mio. Euro. Das vom ZSW geleitete Vorhaben wird von einem Team aus Forscherinnen und Forschern international renommierter Institutionen bearbeitet.
Bei einem Rundgang über das Testfeld ließ sich der BfN-Fachbereichsleiter die im Rahmen der Forschungsarbeiten eingesetzten Technologien erläutern, die zum Teil speziell für dieses Projekt entwickelt wurden. Die Forscherinnen und Forscher finden für Ihre Untersuchungen am Windenergietestfeld einzigartige Bedingungen vor. So erhalten sie beispielsweise die Möglichkeit, in die Steuerung der Windenergieanlagen einzugreifen, um das Verhalten von Vögeln und Fledermäusen in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit der Rotoren zu untersuchen. Zudem können sie für Vorher-Nachher-Vergleiche auf umfangreiche Datenreihen zurückgreifen, da die Untersuchungen in Vorläufervorhaben des BfN bereits über mehrere Jahre vor der Errichtung der Windenergieanlagen durchgeführt werden konnten.
Eine Besonderheit des Testfeldes liegt in der umfassenden apparativen Ausstattung. Die aufgenommenen Daten einer Vielzahl hochmoderner Messinstrumente ermöglichen einen bestmöglichen Erkenntnisgewinn durch die Auswertung sowohl der biotischen Erfassungen untereinander (z. B. Radar, Telemetrie, Laser-Rangefinder) als auch eine zielgerichtete Verschneidung dieser ökologischen Daten mit den abiotischen Messdaten (Sichtweite, Turbulenzen und weitere meteorologische Parameter). Hieraus können beispielsweise Rückschlüsse gezogen werden, bei welchen Wetterbedingungen Vögel und Fledermäuse mehr und bei welchen weniger gefährdet sind. Auf dieser Grundlage sollen Vermeidungsmaßnahmen konzipiert werden, die einen größtmöglichen Schutz bei optimaler Energiegewinnung gewährleisten.
Im Projekt NatForWINSENT werden mit hohem Praxisbezug zudem auch andernorts entwickelte technische Vermeidungsmaßnahmen für den Artenschutz - wie etwa kamerabasierte Antikollisionssysteme - evaluiert. Dadurch erlangt das Vorhaben besondere Aktualität, denn diese neuen Schutzmaßnahmen für Vögel stehen bereits an der Schwelle zur Praxisanwendung. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit solcher Systeme ist die konkrete Schutzwirkung entscheidend. Hierzu werden sie am Windenergietestfeld unter Standardbedingungen für den Schutz insbesondere von Rotmilanen getestet.