Während konventionelle Windturbinen weiterhin eine entscheidende Rolle bei der Nutzung von Windenergie spielen, entwickeln Start-ups neue Ansätze zur Energiegewinnung aus Windenergie. Unter diesen zukunftsweisenden Technologien stehen Flugwindenergieanlagen im Fokus, die konstante Höhenwinde nutzen können. Sie nutzen große Drachen zur Stromerzeugung, die übergroßen Lenkdrachen ähneln, am Boden verankert sind und beim Aufstieg ein Seil hinter sich her. Das Seil treibt eine Winde an, die mit einem Generator am Boden verbunden ist. Diese Technologie ermöglicht es, Wind in Höhen zu ernten, die weit über die Reichweite herkömmlicher Windturbinen hinausgehen.
Johannes Peschel, Gründer & CEO der Kitepower BV, Stephan Wrage, Gründer & CEO der Skysails Group, und Dennis Rendschmidt, Geschäftsführer VDMA Power Systems als Moderator, erläuterten die Technologie im Rahmen einer Pressekonferenz auf der Wind Energy Hamburg. Dennis Rendschmidt betonte zunächst, Höhenwind sei in der Öffentlichkeit unterbelichtet. Das Thema sei eine komplementäre Lösung zur etablierten Windenergie. In den vergangenen Monaten habe man positive Meldungen zur Entwicklung der Windenergie in Deutschland wahrgenommen, aber man sein nicht da, wo Deutschland laut politischer Ambitionen stehen sollten. Höhenwind könne an dieser Stelle einen wichtigen Beitrag leisten.
Stephan Wrage, CEO der Firma Skysails, sagte, er sei überzeugt, dass die Windstromernte aus Flugdrachen künftig eine große Rolle spielen werde. Er betonte den Mehrertrag in großen Höhen – auf 200 m Höhe sei das Potenzial größer als auf zehn Metern. 50 Prozent mehr Ertrag und 5.000 Volllaststunden seien machbar. Für die Stromproduktion fliegt der Drache sogenannte „Power Cycles“ und stürzt dann herunter wie ein Jo-Jo. Angetrieben vom Wind, steigt der automatisch gesteuerte Lenkdrachen in Achterschritten auf. Während er an Höhe gewinnt, wickelt er eine Leine von einer Winde am Boden ab. Die Zugkraft treibt einen Generator im Inneren der Winde an, der Strom erzeugt. Dies wird als „Arbeitsphase“ bezeichnet. Sobald die Leine ihre maximale Ausdehnung erreicht hat, steuert der Autopilot den Drachen in eine neutrale Position mit minimalem Widerstand und Auftrieb. Der Generator, der nur einen Bruchteil der in der Arbeitsphase erzeugten Energie verbraucht, fungiert nun als Motor und rollt die Leine wieder ein. Das System wiederholt diesen Vorgang kontinuierlich und lässt den Drachen in einer Höhe von 200 bis 400 Metern fliegen.
Das Konzept, das hinter dem Stromkreislauf des Drachens steht, wird tatsächlich als „Jo-Jo-Prinzip“ bezeichnet. Die vom Airborne Wind Energy System erzeugte Energie kann in das Stromnetz eingespeist, in Batterien gespeichert oder direkt verbraucht werden. Der Stromdrachen kann zur Wartung oder vor vorhergesagten Wetterextremen landen. Sobald er an den Start- und Landemast angedockt hat, wird er auf den Boden abgesenkt, wo er abmontiert und an einem sicheren Ort verstaut werden kann.
Ein weiterer Vorteil neben der guten und gleichmäßigen Windernte in der Höhe: Stahl und Beton werden durch Software und AI ersetzt. So werden 90 Prozent weniger Material als an einer herkömmlichen Windturbine benötigt.
Heute sind die Drachen mit 400 bis 800 MWh pro Jahr noch klein. Aber langfristig will Skysails auch in Richtung Offshore und Floating, also schwimmende Anlagen, bis 5.000 MWh gehen. Die Firma hat 100 Mitarbeiter und arbeitet seit 2016 an dem Thema.
Kitepower-CEO Johannes Peschel sagte: „Wir sehen das Potenzial von Floating Offshore, auch in Deutschland.“ Man arbeite mit mehreren Firmen, die das ausprobieren wollen, zusammen; 2025 entstehen erste Pilotanlagen an verschiedenen Standorten in Europa; Kitepower kommt von der TU Delft; 25 Mitarbeiter gibt es in Delft in den Niederlanden.
Flächen seien laut den Flugdrachen-Pionieren im Maßstab von 19 bis 20 GW in Deutschland verfügbar. Dabei geht es um freie, offene Felder, auf denen man keine traditionelle WEA betreiben kann. Die Winddrachen nahe mittelständischen Unternehmen entstehen und mit PPA-Strom genutzt werden, auch zur Wasserstofferzeugung. Die gleichmäßige Stromproduktion ist für viele Anwendungen attraktiv. Peschel sagte, in den meisten Projekten seien seine Drachen als Ersatz von Dieselgeneratoren auf Inseln unterwegs. Mit geringen Logistikaufwänden lassen sie sich auf die Insel bringen.
Peschel sieht die Drachen aber auch im Bausektor; überall wo Strom teuer und fossil ist, auch morgens und abends lasse sich der Strom statt des teuren Börsenstroms gut nutzen, in Phasen, wenn nicht so viel PV erzeugt wird und der Verbrauch hoch ist. (nw)