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Neue Ideen und ihre Erfinder

Azimutlager am Turmfuß

„Wir erforschen die Möglichkeit, das Turmkopf­lager einer Windturbine hinunter in den Turmfuß zu bringen“, verrät Torsten Faber. Der Leiter des Wind Energy Technology Institute (WETI) an der HS in Flensburg räumt gleich als Erstes ein: „Dadurch verzehnfachen sich die Lasten, die auf das Lager wirken. Außerdem muss das Lager auch entsprechend größer konstruiert sein.“ Der Vorteil sei derweil, dass sich der Turm mit dem Anlagenkopf zusammen drehe. Dadurch ergibt sich eine Hauptwindrichtung und bietet sich die Möglichkeit, bis zu 50 Prozent Material einzusparen. Der Turm muss nicht in jede Richtung gleich stark ausgelegt sein. Und vor allem muss er keine kreisrunde Grundfläche mehr haben, sondern kann zum Beispiel als Ellipse geformt sein. Das wiederum bietet auch für den Transport neue Möglichkeiten. Denn die aktuellen Türme kommen längst an ihre Grenzen, wenn es zum Beispiel um das Passieren von Brücken (4,20 Meter) geht. „Die Standardkonzepte für die Windturbinentürme können wir heute nicht mehr hochskalieren“, führt der Wissenschaftler an.

Klingt nach einer neuen, spannenden Idee. Oder gab es das schon mal? „Ja, das gab es schon mal“, sagt Faber. „Bereits im 16. Jahrhundert drehte sich die gesamte Konstruktion der Bockwindmühle auf einem Lager.“ Die kleinen Holzmühlchen wogen allerdings deutlich weniger. Aber Faber hat schon einen Plan, um die Lagerung für die zehnfache Last fit zu machen. „Wir müssten zum Beispiel zwei Lager übereinander legen – mit einem definierten Abstand, als Hebelarm, um das Biegemoment aufzunehmen.“ Letztlich müssen die Lager mindestens 20 Jahre halten, zumal ein Lagertausch extrem aufwendig wäre. Bei der Turmform habe sein Team zunächst an eine Ellipse gedacht, was aus Transportgründen bereits offensichtliche Vorteile hat. „Aber wir denken auch über ein aerodynamisch geformtes Profil wie bei den Rotorblättern nach, auch Aussparungen wären denkbar“, so Faber. In jedem Fall spielen bei den Überlegungen zu den Materialkosten auch Fragen der Fertigung und mögliche wirbelerregte Querschwingungen eine Rolle.

Auch wenn die Hürden hoch sind, hält Faber es für gut möglich, dass die Technik umgesetzt wird. „Die Stahlindustrie hat ein großes Interesse daran, weil Stahltürme heute immer öfter durch Hybride mit Betonfuß ersetzt werden.“ Voraussetzung für das neue Design wäre freilich, dass Turmbauer und Anlagenhersteller ein Team bilden. Derzeit untersuchen Faber und sein Team per Computersimulationen die Möglichkeiten für einen drehbaren Turm an der virtuellen Fünf-Megawatt-Anlage, die das National Renewable Energy Laboratory NREL zur Verfügung gestellt hat. Für die dynamische Last­simulation ist aktuell eine weitere Forschungsprofessur am Institut ausgeschrieben.

Zeit für Innovationen

Torsten Faber, seit 2010 Leiter des Wind Energy Technology Institute (WETI) an der HS in Flensburg, ist für Über­raschungen gut. Ob drehender Turm, Holzrotorblatt oder abgespannter Turm – Technologien, die manchen seiner Kollegen exotisch erscheinen, schaut er sich genau an. „Wir müssen die Grundkonzepte hinterfragen“, sagt er. Jahrelang habe man die Turbinen unter dem Druck des Markts immer nur vergrößert. Jetzt aber sei die Zeit für Innovationen und neue Konzepte reif. Auch alte Ideen wie etwa der Vertikalachser könnten plötzlich wieder interessant sein – zum Beispiel weil sich Wartungskosten verändert haben. Faber hat vor der Professur in Flensburg zehn Jahre lang für den GL in der Zertifizierung von Windturbinen gearbeitet. Dort hat er jede Menge Fehlkonstruktionen und Schwachpunkte gesehen. „Aber man darf als Zertifizierer ja keine Tipps geben, wie das Design besser wäre“, schmunzelt er. Jedenfalls entspringen viele Ideen für die heutigen Entwicklungen aus den Problemen, die er damals beim GL gesehen hat. Die Idee für das hölzerne Rotorblatt hat es ihm derweil besonders angetan, weil er zu Beginn seines Berufslebens Zimmermann gelernt hat und er daher eine besondere Sympathie für den Rohstoff hegt. (Nicole Weinhold)
Der Artikel ist ein Auszug aus unserer Titelgeschichte der Ausgabe 7 unseres Print-Magazine. Holen Sie sich das Heft, ein kostenloses Probeheft oder das Abo - auch als E-Magazine.