Die Biogas-Branche stehen seit der EEG-Novelle 2014 vor der Frage, wie sie neue Anlagen überhaupt wirtschaftlich betreiben kann. Entsprechend ist der Neuinstallations-Markt komplett zusammengebrochen. Der Leitfaden „Direktvermarktung von Biogas-Strom“ der Leuphana Universität Lüneburg zeigt nun Wege auf, wie man unter neuen Vorzeichen wirtschaftlich Biogasanlagen betreiben kann. Der Leitfaden besteht aus zwei Teilen: Der erste Teil wendet sich an die Biogasanlagenbetreiber, der zweite Teil an die kreditgebenden Banken und Sparkassen.
Bezüglich des Regelmarktes empfieht die Studie: Anlagenbetreiber sollten sich in Erzeugergemeinschaften zusammenschließen, da sie dadurch bessere Vergütungskonditionen gegenüber den Stromhändlern einfordern und interne Kosten der Vermarktung reduzieren können. Die Studie gibt zum Beispiel Handlungsempfehlung für Betreiber, was die ideale Organisationsform anbelangt. So heißt es etwa, Erzeugergemeinschaften, die durch vertragliche Regelungen definiert sind, böten den Anlagenbetreibern im Vergleich zu losen Zusammenschlüssen eine höhere Sicherheit, seien allerdings auch mit höheren Kosten (z.B. Pooleintrittsgebühr) und einer Beschränkung der Handlungsfreiheit (Mindestlaufzeit) verbunden.
Stärker als Erzeugergemeinschaft
Weiter wird empfohlen, beim Eintritt in eine informelle Erzeugergemeinschaft darauf zu achten, dass der Koordinator über eine hohe Fach- und Koordinationskompetenz verfügt und dass Erzeugergemeinschaften mit größeren Portfolios eine stärkere Marktposition als Erzeugergemeinschaften mit kleinen Portfolios haben. Die Vergütungskonditionen sind also umso besser, je größer der Pool einer Erzeugergemeinschaft ist.
Wenn es um Vermarktungsmodelle geht, stellt der Leitfaden klar, dass eine wesentliche Stellschraube für Zusatzgewinne aus der Direktvermarktung ist die Berechnung bzw. Verteilung der Ausgleichsenergiekosten ist. Bei der Berechnung der Ausgleichsenergiekosten sei auf faire Verrechnungssätze zu achten. "Die Einspeiseleistung eines Portfolios aus vielen Biogasanlagen lässt sich präziser vorhersagen als die einer einzelnen Biogasanlage. Gute Stromhändler können die Einspeiseleistung ihres Portfolios prognostizieren und auftretende Abweichungen bzw. Kosten minimieren. Die dadurch vermiedenen Ausgleichsenergiekosten sollten den Anlagenbetreibern nicht in Rechnung gestellt werden", heißt es.
Direktvermarktung
Weiter geht es um die grundlastorientierte Fahrweise. Dabei sollten Betreiber von Bestandsanlagen die bisherige feste Einspeisevergütung garantiert bekommen, um durch den Wechsel in die Direktvermarktung nicht schlechter gestellt zu werden. Zudem sollten sie ein Vergütungsmodell wählen, bei dem sie einen festen Anteil von der Managementprämie erhalten und bei dem keine fiktiven Ausgleichsenergiekosten verrechnet werden. Die grundlastorientierte Fahrweise eignet sich besonders für Betreiber, die keine Zusatzinvestitionen tätigen und keine Preisrisiken eingehen wollen.
Weitere Tipps aus dem Leitfaden im Folgenden:
— Bei der Vermarktung von Regelleistung sollten die Anlagenbetreiber die Gebotsgestaltung an die Stromhändler abgeben, da diese aufgrund ihrer größeren Erfahrung und ihres Knowhows bessere Preisprognosen erstellen können und damit in der Regel bessere Ergebnisse erzielen.
— Anlagenbetreiber, die durch die Vermarktung von Regelleistung gesicherte Zusatzeinnahmen erhalten möchten, sollten ein Vergütungsmodell bevorzugen, bei dem sie einen festen Prozentsatz vom Durchschnittswert der in einem Monat bezuschlagten Leistungspreise erhalten. Anlagenbetreiber, die im 23 Gegensatz dazu ein höheres Risiko eingehen wollen, sollten ein Modell wählen, bei dem sie an den tatsächlich erzielten Leistungspreisen beteiligt werden.
— Beim Regelleistungsabruf sollten Anlagenbetreiber darauf achten, einen Arbeitspreis zu erhalten, der mindestens die anlagenspezifischen Kosten deckt. Bei der Abrufreihenfolge sollte die Höhe des Arbeitspreises nur dann ein Kriterium sein, wenn die Betreiber am vollen Arbeitspreis beteiligt werden. Sofern Stromhändler eigene Erzeugungseinheiten in die Vermarktung einbeziehen, ist die Abrufhäufigkeit der einzelnen Anlagen transparent darzustellen.
— Bei der Abrufhäufigkeit sollten die Stromhändler auf anlagenspezifische Restriktionen eingehen, sodass eine Überbeanspruchung der Biogasanlagen vermieden wird. Hierzu ist gemeinsam mit dem Stromhändler eine entsprechende Gebotsstrategie zu entwickeln.
— Um die Erlösverteilung und die Performance der Stromhändler nachvollziehen zu können, sollten die Stromhändler den Anlagenbetreibern ihre Preisgebote offenlegen und ihr Vorgehen möglichst transparent darstellen.
— Ob Zusatzinvestitionen zur Erschließung neuer Vermarktungsmöglichkeiten wirtschaftlich sind, hängt maßgeblich von der bestehenden Anlagenkonfiguration ab (z.B. Volumen des Gasspeichers, installierte BHKW-Leistung). Stromhändler und Anlagenbetreiber sollten gemeinsam für beide Seiten nachhaltige Vermarktungsstrategien entwickeln und umsetzen.
(Nicole Weinhold)