„Our charmed existence is at an end“, rief Andrew Garrad, der Präsident des Europäischen Windenergieverbandes EWEA, den Ingenieuren zur Eröffnung der COWEC zu. Zu Deutsch heißt das ungefähr: „Unsere Existenz als charmantes Etwas ist vorbei“ – inzwischen muss die Windenergiebranche sich in allen Fragen dem Wettbewerb auch um die technologisch erfolgreichsten Konzepten stellen. Und von diesem wird das Fortbestehen eines Unternehmens künftig abhängen.
Dem jedenfalls stimmten die Teilnehmer einer Diskussionsrunde im Anschluss an die Begrüßungsworte Andrew Garrads zu. Dabei verwiesen die Teilnehmer nicht zuletzt auf die Konkurrenz der Windturbinenbauer aus Asien. Sie wird offenbar auch als ein künftiger Treiber der technologischen Entwicklung wahrgenommen: Von 100 verschiedenen noch bestehenden Windenergieanlagenherstellern in China, so betonte der Chefingenieur von Nordex, Jörg Scholle, werden sich seiner Meinung nach nur fünf bis sechs ernsthafte Konkurrenten auf Dauer durchsetzen können. Doch diese werden ihre Technologie dann auch außerhalb Asiens in Gestalt von Windparks installieren können. Dabei spiele keine Rolle, ob diese Turbinen ursprünglich eine Entwicklung des jeweiligen chinesischen Unternehmens selbst oder ein für die eigene Herstellung lizenziertes Anlagenkonzept aus der Feder eines europäischen Entwicklers sei. „Deren Technologie ist inzwischen zeitgemäß“, sagte auch Martin Knops, Senior Vice President für Forschung und Entwicklung bei Repower – und bisheriger Leiter der Rotorblattentwicklung.
Mehr Steuerung essentiell
„Größere Rotoren, eine fortgeschrittene Steuerung, reduzierte Lasten, höhere Türme, neue Anforderungen durch die Netze – und niedere Windparkbaukosten“ nennt Knops als die zentralen Herausforderungen seines Unternehmens. Auch andere Turbinenbauer stimmen dem zu. Die Leiterin des Bereichs Strategischer Einkauf beim Offshore-Anlagenhersteller Areva, Claudia Martens, hat eine ähnliche Prioritätenliste. Sie nennt die Lastminderung an erster Stelle. Denn über die wachsenden Rotorblätter leiten die Anlagen zwangsläufig immer größere Kräfte auch auf den Triebstrang und in die feststehenden Bauteile wie den Turm ab.
Ein „wertbasiertes Entwickeln“, sowie ein optimiertes intelligentes Design der Anlagen gehören für die Offshore-Vertreterin auf dem Podium ebenfalls auf die Prioritätenliste. Und – nicht unwichtig für Offshore-Anlagenhersteller: Die Kosten für Fundamente und die Installation der Anlagen zu reduzieren – sie gehören zu den Hauptposten einer Investition in Offshore-Windparks und haben nach vorherrschender Branchenmeinung abgesehen vom Turbinenbau selbst das größte Kostensenkungspotenzial. Markus Becker, Cheftechniker des nach einer Intervention des indischen Mutterkonzerns nur noch mit reduzierter Belegschaft produzierenden Rostocker Unternehmens Kenersys, nennt zudem die Volllaststunden: Ein guter so genannter Kapazitätsfaktor sei eine weitere zentrale Herausforderung. Er ist ein Maß dafür, wie oft und wie viel im Jahr eine Windenergieanlage Strom erzeugt.
Das Vorbild Automobilindustrie funktioniert für die Branche durchaus: Den technischen Unterschied heutiger Automobilmodelle mache überwiegend deren Steuerung aus, hieß es aus dem Publikum von Seiten eines großen deutschen Automobilzulieferers. Daher müssten die Turbinenbauer nun auch die Überwachung der Lasten ernster angehen – sie sei im Automobilbau als Grundlage der Steuerung inzwischen „tägliches Geschäft“.
(Tilman Weber)