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Forschung

Gleichstrom im regionalen Netz

Im Zuge der Energiewende stehen Übertragungs- und Verteilnetzbetreiber vor großen Herausforderungen. Während Gleichspannungstrassen im Bereich der Höchstspannung bereits im Netzentwicklungsplan eingetragen sind, steht die Anpassung für die Mittel- und Nieder­spannung noch aus. Die ursprünglich hierarchische Baumstruktur der Stromnetze (Grafik 1) wird durch rhizomorphe Systemveränderungen neu ausgerichtet. Das heißt, parallele Transformationsprozesse bei Erzeugern, Verbrauchern, Netzen und Speichern in allen Spannungsebenen verändern die Ausrichtung und Ausstattung der Stromversorgung (Grafik 2). Der Begriff des Rhizoms wird in Anlehnung an die Idee der Rhizomatik von Deleuze und Guattari gewählt, in der hierarchische Kommunikations- und Ordnungs­muster durch eine Struktur ergänzt oder ersetzt werden, die Querverbindungen erlaubt, Hierarchieebenen überspringen kann, so unterschiedliche Elemente miteinander verbindet und neue Plateaus bildet. In der Bandbreite möglicher Lösungswege, die geeignet wären, diesen komplexen Systemveränderungen adäquat zu begegnen, kommt der Einführung von flexiblen Gleichspannungsnetzen (Englisch: Direct current, kurz DC) mit ihrer Leistungselektronik insbesondere in der Kombination mit Informations- und Kommunikationstechnologie eine entscheidende Rolle zu.

Forschungsfokus Gleichstromtechnik

Grafik2: Visualisierung vernetzter, neuer Versorgungsstrukturen. - © Grafik: FEN
Grafik2: Visualisierung vernetzter, neuer Versorgungsstrukturen.

Im transdisziplinären Forschungscampus Flexible Elektrische Netze (kurz FEN), der vom Bundes­ministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird, beschäftigen sich derzeit sechs elektrotechnische und neun sozio-technische Institute der RWTH Aachen gemeinsam mit zwölf international agierenden Unternehmen mit der Erforschung und Realisierung von Elektrizitätsnetzen mittels Gleichstrom auf der Mittelspannungsebene (MV).

Die Themengebiete umfassen die Planung, Modellierung, Konzeption und Bewertung von künftigen Netzen. Im Bereich der technischen Komponenten werden unter anderem Anlagen und Netztechnik, Automatisierung, Regelung und Betriebsführung untersucht. Praktische Umsetzung findet das Projekt in einem MVDC-Forschungsnetz, das am Campus Melaten mehrere Prüfstände von Forschungsinstituten der RWTH Aachen verbinden wird. Dieses Forschungsnetz ermöglicht den Praxis­test und die Einschätzung verschiedener Komponenten wie DC-DC-Konverter, Leistungsschalter oder DC-Kabel.

Die sozio-technischen Institute forschen an relevanten Querschnittsthemen eines künftigen, womöglich zellular vermaschten Netzes. Sie beschäftigen sich unter anderem mit den Auswirkungen der DC-Technik auf den urbanen Raum und die Landschaft, mit deren Akzeptanz und möglichen Umsetzungsszenarien. Auch Fragen nach gesundheitlichen Auswirkungen, ökonomischer Bewertung und geeigneten Kommunikationskonzepten werden betrachtet. So können Gleichspannungsnetze interdisziplinär beleuchtet und perspektivische Vorteile wie auch eventuelle Hemmnisse im Laufe des Projekts identifiziert und mit den elektrotechnischen Instituten rückkoppelnd bewertet werden.

Städtebau und Landschaftsarchitektur

Im Rahmen des Forschungscampus FEN befassen sich das Institut für Städtebau und Landesplanung (ISL) und der Lehrstuhl für Landschaftsarchitektur (LA) mit möglichen Auswirkungen von MVDC-­Netzen auf urbane und ländliche Räume.

Die Auswirkungen erneuerbarer Energien –insbesondere der Windenergie und der geplanten Höchstspannungstrassen im Zuge des Netzausbaus – sind inzwischen etablierte Themen im Bereich der Landschaftsplanung. Sie werden meist aus naturschutzfachlicher Sicht oder mit Fokus auf Veränderungen des Landschaftsbilds betrachtet. Die Auswirkungen von Gleichspannungsnetzen der Mittel- und Niederspannungsebene auf Städte und Landschaften wurden bislang noch nicht untersucht.
Mit dem Fokus des Forschungsprojekts auf die Mittelspannung werden Region, Stadt und Quartier mit ihren Nieder- und Mittelspannungsnetzen betrachtet. Um die Auswirkungen der DC-Technologie klassifizieren zu können, wird zusätzlich mit einem Drei-Ebenen-Modell gearbeitet: einer visuellen Ebene, einer semi-visuellen Ebene und einer strukturellen Ebene. So können sichtbare Auswirkungen, indirekt auftretende und rein planerische und regulatorische Effekte benannt werden.

Potenzielle Vorteile der DC-Technik

Zur Konkretisierung der Auswirkungen werden ein ländlicher und ein urbaner Untersuchungsraum betrachtet. Dort wurden bereits Anwendungsfelder für DC-Technologie in bestehende oder geplante Bereiche projiziert, zum Beispiel in ein Neubau­gebiet im Aachener Nordwesten, in einen Windpark oder auch in einen geplanten Radschnellweg. Anhand der unterschiedlichen Beispiele konnten im Austausch mit den elektrotechnischen Instituten mögliche Einsatzgebiete und potenzielle Vorteile der DC-­Technik, die sich mit der Einspeisung von erneuerbaren Energien, energetischen Quartierskonzepten und Elek­tromobilität auseinandersetzen, identifiziert werden. ...(Teil1)

Dies ist der erste Teil eines Artikels aus unserem aktuellen Heft 8/2016.    Holen Sie sich jetzt das E-Magazine und lesen Sie die ganze Geschichte.

Autoren: Dipl.-Ing. (FH) Sandra Sieber, Dipl.-Ing. Benjamin Casper, Forschungscampus FEN, RWTH Aachen