Mit dem Landau Microgrid Project (LAMP) hat das Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Zusammenarbeit mit dem Technologieunternehmen LO3 Energy und dem lokalen Energieversorger „EnergieSüdwest AG einen Feldversuch gestartet, in dem Privathaushalte den dezentralen Stromhandel auf regionaler Ebene als mögliches Modell für den Energiemarkt der Zukunft testen.
Eine Forschungsgruppe rund um Professor Christof Weinhardt vom Institut für Informationswirtschaft und Marketing am KIT plädiert dafür, Energiemärkte ebenso regional zu organisieren wie regionale Obst- und Gemüsemärkte: „Wir glauben, dass die Akzeptanz von erneuerbaren Energien, also das Aufstellen von Windrädern, Solarkollektoren und Blockheizkraftwerken enorm zunimmt, wenn die Menschen vor Ort in den Energiehandel einbezogen werden.“ In seiner Vorstellung sollen Privatpersonen, Institutionen oder Unternehmen deshalb nicht nur mit der eigenen Solaranlage Strom produzieren, sondern diesen auch gleich selbst verkaufen. So könnten die Bewohner eines Dorfes gezielt den Strom aus den Sonnenkollektoren vom Dach ihrer Kirche oder der Sporthalle beziehen und würden damit nicht nur die Energiewende, sondern auch das Gemeindeleben unterstützen. „Aus einer dezentralen Netzstruktur und lokalem Stromhandel ergeben sich viele Vorteile“, sagt Weinhardt: „Da sind die eingesparten Kosten für den Stromtransport und eine größere Resilienz gegenüber Störungen oder terroristischen Attacken. Außerdem könnte der umstrittene Ausbau der Stromtrassen reduziert werden.“
Um zu testen, ob solche regionalen Strommärkte auch in der Praxis funktionieren, werden bald bis zu 20 Privathaushalte im baden-württembergischen Landau einen eigenen Strommarkt bilden und ihren Strom miteinander handeln. „Zum ersten Mal werden dann Endverbraucher in Deutschland darüber bestimmen, woher ihr Strom kommt“, sagt die Wirtschaftsingenieurin Esther Marie Mengelkamp, die den Versuchsaufbau als Projektleiterin am KIT gestaltet hat. „Bisher bestimmen Netzbetreiber darüber, welcher Strom fließt. So werden für einen grünen Stromtarif oft lediglich Wasserkraftwerke in Skandinavien zertifiziert, während der Strom vor Ort tatsächlich im nächsten Atom- oder Kohlekraftwerk produziert wird.“ Die beim Handel eingesetzte Plattform basiert auf der Blockchain-Technologie, wodurch Herkunft und Besitzer der verfügbaren Energie zu jedem Zeitpunkt eindeutig identifizierbar bleiben. Der Aufwand für die Teilnehmer der Simulation bleibt dabei überschaubar: Zunächst erfolgt der Einbau eines Smart Meters, anschließend wird mittels eines mobilen Endgeräts konfiguriert, woher Strom bezogen oder zu welchem Preis eigener Strom verkauft werden soll. Bis sich die eigenen Präferenzen ändern, funktioniert der Handel dann vollautomatisch.
Der Feldversuch basiert auf einem ähnlichen Experiment, das der Projektpartner LO3 Energy in den USA durchgeführt hat: Mit dem „Brooklyn Microgrid“ in New York wurde privater Stromhandel schon 2016 möglich. Wie in Brooklyn werden die teilnehmenden Haushalte in Landau nun von LO3 Energy mit einem Smart Meter ausgestattet, auch die Handelsplattform wurde von dem US-Unternehmen entwickelt. Weltweit einzigartig ist aber, dass der Projektpartner Energie Südwest AG für den Feldversuch eine geschlossene Netzinfrastruktur zur Verfügung stellt: Durchgeführt wird die Marktsimulation innerhalb des Stromnetzes des regionalen Energieversorgers im Landauer Wohngebiet Lazarettgarten. „Die Energiewende ist eine Mammutaufgabe“, sagt Thomas Waßmuth von der Energie Südwest AG, der die Umsetzung des Forschungsprojekts unterstützt: „Wir wollen unseren Kunden die Möglichkeit geben, sich hier vor Ort einzubringen.“
Anhand der durch die Studienteilnehmer generierten Daten werden die Wissenschaftler des KIT nach Abschluss von LAMP in großer Detailschärfe wissen, wieviel Strom im Landauer Mikronetz verbraucht und gehandelt wurde und wie sich der Strompreis dabei entwickelt hat. Anschließend soll das getestete Marktmodell analysiert, angepasst und weiterentwickelt werden. „Für die Zukunft der Energiemärkte gibt es viele Ungewissheiten“, sagt Weinhardt und verweist etwa auf ein mögliches Auslaufen der garantierten Einspeisevergütung für erneuerbare Energien. „Wir müssen schon jetzt diese Marktsimulationen durchführen, um die Märkte für die Zukunft zu gestalten.“ Ein weiterer Feldversuch entsteht gerade aus einer Kooperation von „LO3 Energy“ mit dem „Allgäuer Überlandwerk“ (AÜW) in Kempten. Beide Projekte stehen in enger Abstimmung und werden die Erkenntnisse untereinander austauschen, um voneinander zu lernen. (Nicole Weinhold)