Die aktuelle Branchensituation in den erneuerbaren Energien führt bei vielen Marktteilnehmern aus der Wind- und Solarindustrie aktuell zu Reorganisationen und Umstrukturierungen. Diese Veränderungen ziehen unter anderem auch umfangreiche Kündigungen nach sich, die von allen Betroffenen – den gekündigten Mitarbeitern, den Vorgesetzten und den im Unternehmen verbleibenden Mitarbeitern – als stark belastend und herausfordernd wahrgenommen werden.
Das subjektive Erleben dieser Trennungsprozesse ist sehr unterschiedlich, wird aber von Gekündigten auch als Karriereknick oder als Existenzbedrohung und somit als Krise wahrgenommen. Dies ist sehr verständlich und nachvollziehbar, wankt doch beim Jobverlust eine wesentliche Säule unserer Lebensgestaltung, die uns Sicherheit, Status, Kontakte und Selbstwertgefühl gibt. In Beratungsgesprächen mit Fach- und Führungskräften zeigt sich, dass diese Wahrnehmung von vielen geteilt wird. Das ist erwähnenswert, macht es doch deutlich, dass Gekündigte mit diesen Empfindungen nicht alleine sind.
Wer bin ich und was will ich?
Personen, die sich in der beschriebenen Situation befinden, fällt es zu Beginn schwer, den Blick zügig in die Zukunft zu richten, um neue Möglichkeiten zu sehen, die sich ergeben werden. Das Gute im Schlechten zu erkennen ist häufig erst im Rückblick möglich, weil durchlebte Berufsprobleme dann als Situationen mit positivem Veränderungscharakter wahrgenommen werden können.
Ein heutiger Gymnasiallehrer für Mathematik und Physik, der vor seiner Lehrertätigkeit als Head of Global Quality in einem international agierenden Unternehmen tätig war, empfindet seine Kündigung im Rückblick auch als positive Weichenstellung für seine Erwerbsbiographie. Er kann heute seine damals schwierige Berufssituation unter anderem als Lebenslerneinheit sehen, die Entscheidungen nach sich gezogen hat, die zum Guten führten. Nun möchte ich nicht mit aller Kraft den Blick auf das Positive richten und für einen Branchen- und Tätigkeitswechsel werben. Ich erlebe aber in meinem Beratungsalltag auch diese interessanten Chancen, die eine Möglichkeit für Personen zwischen zwei Jobs darstellen. Um sie nutzen zu können, ist ein konstruktiver Reflexionsprozess sinnvoll, der die Trennung, deren Entstehungsgeschichte und die eigenen Anteile daran berücksichtigt. Besonders diese Erkenntnis und Bewertung dient als beeinflussbarer Ansatzpunkt, um Ähnliches in Zukunft zu vermeiden. Darüber hinaus ist es für das Erreichen künftiger beruflicher Ziele besser, fundierte Kenntnis über die eigenen fachlichen und persönlichen Kompetenzen und die eigenen Motive zu haben. Diesen Fähigkeiten nachzugehen ist ein wichtiger Erkenntnisprozess. Wo lagen meine Erfolge und mit welchen Maßnahmen und Verhaltensweisen konnte ich in bestimmten Arbeitsstationen positive Ergebnisse erreichen? Auf welche Projekte bin ich besonders stolz, was für fachliche und persönliche Fähigkeiten waren notwendig, um ans Ziel zu kommen? Die Beantwortung dieser Fragen hilft zu erkennen, in welchen gewollten Aufgabenstellungen und Unternehmensumfeldern die eigenen Fähigkeiten positive Wirkung erzielen. Wer bin ich und was will ich?
Die Analyse der eigenen Person ist somit strategische Vorarbeit für den neuen Job. Sie hat großen Einfluss auf die Richtung der Bewerbungen und die Frage, für welche Positionen man sich letztendlich entscheidet. Es ist natürlich klar, dass auch andere Faktoren wie die Auswahlentscheidung des einstellenden Unternehmens, die Wettbewerbssituation der sich bewerbenden Kandidaten, finanzielle Rahmenbedingungen und so weiter Einfluss darauf haben, wo und in welcher Funktion der berufliche Wiedereinstieg gelingt. Teilweise sind diese Faktoren gar nicht oder nur bedingt durch einen selbst beeinflussbar. Aber gerade aus diesem Grund ist es wichtig, sich auf Aktivitäten zu konzentrieren, die im eigenen Ermessen liegen. Dazu gehört auch das Wissen über die eigenen Kompetenzen, Verhaltensweisen und Motive, das einen sinnvollen Ausgangpunkt für die Nutzung künftiger Chancen bietet. (Volker Schulz)