Tilman Weber
Eine Aura, die Genie und Wahnsinn vereint, dichtet ein langjähriger Kunde dem Firmengründer Karsten Porm am Donnerstagabend in dem Stehpulk von vier Männern vor dem Barbecue-Zelt an. Der Betreiber einer Windturbine will damit die Rastlosigkeit des Mannes charakterisieren, der 1999 erst das Projektierungsunternehmen Eno, zehn Jahre später eine eigene Windturbinenproduktion und dann sogar die Herstellung einer eigener Rotorblattserie startete. Der heutige Vorsitzende der Gesellschafterversammlung bei Eno winkt scherzhaft ab: 2018 war er aus der Geschäftsführung offiziell ausgestiegen. Heute komme er nur noch einmal pro Woche kurz zum Reinschauen in der Firmenzentrale am Rostocker Hafen vorbei, flachst Porm. Ansonsten beobachte er draußen in seinem Bauernhof eine kleinere Schar eigener Hühner.
Eine charakteristische Szene von der 20-Jahr-Geburtstagsfeier des Unternehmens mit exklusiven Gästen einen Tag vor der traditionellen Tagung Rostock Wind. Sie startete am Freitagmorgen, um am Abend mit einer Teilnahme an der Segelregatta Hanse Sail auf der Warnowmündung vom Rostocker Hafen aus abzuschließen. Mit knapp 200 Mitarbeitern ist Eno ein klassisches Familienunternehmen geblieben mit weiterhin einer Sonderrolle in der Branche. Dieselbe Kundennähe kann sich wohl kaum ein anderer Windturbinenbauer noch auf die Fahnen schreiben. Nach Konsolidierungsphasen sind die überlebenden führenden Player der Szene bekanntlich heute überwiegend große Konzerne.
Vom Einkaufschef zum selbständigen Windkraftunternehmer
Als damaliger Einkaufschef beim Windturbinenhersteller Nordex hatte Porm sich in den 1990er Jahren entschieden, selbst Windparks entwickeln zu wollen. Das Projektierungsunternehmen hat seit dem Startjahr 1999 Turbinenerrichtungen mit einer Erzeugungskapazität von rund 800 Megawatt (MW) geleistet. 2006 hatte Porm sich den heutigen Geschäftsführer Stefan Bockholt als technischen Leiter aufs Boot geholt, um eine eigene Turbinenserie zu entwickeln. Die erste Anlage mit zwei MW baute das damalige 30-Mitarbeiter-Unternehmen gemäß den Firmenannalen 2008 noch auf einem Dachboden des Bauernhofs von Gründer Porm.
Eno verdoppelte mit der Gründung der Turbinenbausparte vor rund 10 Jahren die Belegschaft auf 60 Mitarbeiter. Unter Bockholts Regie legte sich das Unternehmen auf Anlagendesigns fest, die den Zusammenbau der Windräder aus komplett auf dem Markt erhältlichen Industriekomponenten zuließ. Mit der Einführung der Drei-MW-Plattform mit zunächst zwei 3,5-MW-Anlagentypen 2014 brachte das Entwickler-Team um Bockholt ein eigenes Turbinen-Antriebsdesign auf den Markt.
Eigene Anlagenplattform von 3,5 bis 4,8 MW
Inzwischen gehören jeweils rund 100 Mitarbeiter für die Windparkentwicklung und für die Anlagenentwicklung und Produktion zu dem Unternehmen. Nach Erhöhungen der Erzeugungskapazität der Anlagenplattform durch die Ausgliederung weiterer Turbinentypen mit zunächst 4,0 und dann 4,8 MW sowie bis zu 126 Meter Rotordurchmesser wird Eno bei der Windenergiemesse in Husum im September ein Modell mit noch einmal deutlich längeren Rotorblättern präsentieren. Die bisher bei einem Zulieferer im Westerwald in Partnerschaft hergestellten Großkomponenten dürften dabei nicht die heutigen Spitzenmaße von bis zu 75 oder gar 80 Meter Länge erreichen, wie das Unternehmen andeutet.
Die Konsolidierung
Nicht immer ging der Kurs des in einem historischen Speicher in der Rostocker Altstadt residierenden Unternehmens geradlinig bergauf. 2016 musste der Windturbinenhersteller sich mit einer Umstrukturierung seiner Finanzierung über Wasser halten. Eine Bürgschaft des Bundeslandes Mecklenburg-Vorpommern und eine Anleiheverlängerung ließ das Unternehmen fortbestehen. 2017 und 2018 schloss die Partnerschaft mit einem neu gegründeten Finanzierungs- und Windparkbetreiberunternehmen die Konsolidierung ab: Die Hamburger Neag AG übernahm mehrere Eno-Windparks und ist seither Kunde. Porm wurde Aufsichtsratsmitglied dieses Unternehmens, das Geld von Investoren einsammelt.
Das Zehn-Prozent-Ziel
Eine schon 2013 öffentlich gemachte Zielsetzung hat sich ausgerechnet kurz vor der Geburtstagsfeier auf kuriose Art und Weise bewahrheitet. 2020 werde Eno rund zehn Prozent Anteil am deutschen Windenergiemarkt erreichen, gab die Geschäftsleitung damals aus. Das Unternehmen hatte kurz nach der ersten Errichtung für eine Eno-Windenergieanlage in Schweden, dem zweiten Auslandsmarkt der Rostocker nach Frankreich, das Wachstum hin zu einem der führenden Zulieferer für den deutschen Markt ins Visier genommen. Tatsächlich verblieb Eno seither jährlich in einem Anteilsbereich von ein bis zwei Prozent. Doch im ersten Halbjahr 2019 machte ausgerechnet die Krise des deutschen Windmarkts die Prognose zwischenzeitlich wahr: Mit einem Zubau von elf Windturbinen mit 42,2 MW in Deutschland allein im ersten Halbjahr durch die Projektierungssparte hatte Eno nicht nur einen bedeutenden Zuwachs als Projektierer verzeichnet. Weil neun der elf Anlagen Eno-Turbinen waren, betrug der Eno-Technologie-Anteil an den insgesamt in Deutschland von Januar bis Juni neu errichteten Windturbinenleistung von 231 MW sogar 14,7 Prozent.
Pünktchen-Verzicht und die Rostock Wind
Pragmatismus und Tatkraft haben laut Firmensprecherin Kathleen Zander den schon 20 Jahre währenden Kurs des Unternehmens vor zerstörerischen Kollisionen mit Hindernissen bewahrt und Eno als Player wahrnehmbar bleiben lassen. So einigte sich Eno mit dem Energiekonzern Eon, von der ursprünglichen Firmenschreibweise mit Punkten „e.n.o.“ anders als der sich „e.on“ brandende Konzern abzuweichen und die wie bei Eon roten Buchstaben nicht mehr auf weißem, sondern auf grauem Grund zu präsentieren.
Die nun achte Tagung Rostock Wind war hingegen aus der jährlichen Firmenfeier während der Hanse Sail hervorgegangen, wie sich Zander erinnert: Eno hatte vor einer solchen Feier entschieden, auch Kunden mit zum Segeltörn einzuladen.