Die belgische Atomaufsichtsbehörde Fanc hat trotz vielfältiger Proteste der Bevölkerung das Wiederanfahren der seit vielen Monaten aus Sicherheitsgründen abgeschalteten belgischen Kernkraftwerksblöcke Doel 3 nördlich von Antwerpen und Tihange 2 südwestlich von Lüttich genehmigt, obwohl die zur Abschaltung führenden technischen Mängel nicht beseitigt werden konnten. Mit dem Hochfahren der beiden Meiler wird für Mitte Dezember gerechnet. Das Abschalten der beiden belgischen AKW-Blöcke erfolgte, weil ihre Reaktordruckgefäße zahlreiche Materialfehlstellen aufweisen, deren Anzahl und Ausdehnung sich von früheren bis zur letzten Untersuchung weiter vergrößert hat.
Der Solarenergie-Förderverein Deutschland teilt mit, "viele kommunale Parlamente – unter anderem der Stadtrat von Aachen – haben sich einstimmig gegen das Wiederanfahren gewendet. Eine in diese Richtung zielende Unterschriftenliste hat deutlich über 100.000 Unterzeichner gefunden." Die NRW-Landesregierung habe signalisiert, dass man die Sorgen derer teile, die auf deutscher Seite in der Nähe der Reaktoren leben, aber gegen die Energie-Souveränität Belgiens besitze man keine Handhabe.
1.000 Gigawatt neue Atomkraft?
Derweil teilt die Atomorganisation World Nuclear Association mit, 1.000 Gigawatt Atomleistung würden bis 2050 gebraucht, um dem Klimawandel zu begegnen. Angesichts der Gefahren, wie sie der Fukushima-Umfall vor Augen geführt hat. Und angesichts der milliardenschweren Rückbau- und Lagerkosten sollte es sebst mit massivem Lobby-Druck kaum möglich sein, die Atomkraft als ernstzunehmende Größe wieder ins Spiel zu bringen. Greenpeace bloggt dazu: "Schon heute dürfte fraglich sein, ob zum Beispiel der ehemalige Energieriese RWE seinen Anteil von etwa 10,8 Milliarden Euro an den Entsorgungsrückstellungen überhaupt noch zahlen kann. Am 11. Mai 2015 sah RWE-Chef Peter Terium sein Unternehmen schon in Gefahr, wenn eine vergleichsweise geringe Klimaabgabe für die Braunkohlekraftwerke des Unternehmens eingeführt würde."
Der Zero Emission Think Tank verweist derweil auf die gefallenen Kosten der erneuerbaren Energien: "Erneuerbare Energien sind in Deutschland heute schon kostengünstiger als neue Konventionelle. Und ein Blick auf die Welt-Windkarte und auf die Welt-Solarkarte zeigt zudem, daß es eigentlich überall auf der Welt mehr Wind- und mehr Sonnenenergie gibt, als in Deutschland ." Die jüngsten Ausschreibungen für Großprojekte liegen bei 5,5 Cent pro kWh Windstrom (Südafrika/2), 4,7 cent (Brasilien/3) bei meist 20-jährigen Verträgen. Die meisten Stromverträge (PPAs amp;PTCs) in den USA liegen um 2,9 Cent (USA/4). Mehr dazu.
Es ist im Prinzip nicht mehr erforderlich, dass aus Vernunftgründen auf Erneuerbare gesetzt wird, um Kohle und Atom zu vermeiden. Die niedrigen Kosten für Erneuerbare geben nun den Ausschlag. Gleichwohl hat die Weltgemeinschaft enorme Kosten zu stemmen, wenn sie das Klima im Lot halten will. Das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung erklärt dazu, dem Ausstoß von CO2 einen Preis zu geben könnte helfen, die internationale Klimapolitik aus der Sackgasse zu holen. Finanzminister weltweit hätten Grund genug, sich für CO2-Steuern oder für Emissionshandel stark zu machen – und zwar völlig unabhängig von den Risiken eines ungebremsten Klimawandels, wie eine neue Studie zeigt. Das Ergebnis des Weltklimagipfels in Paris ist offen, aber Regierungen und Volkswirtschaften könnten in jedem Fall davon profitieren, Kohlenstoff zu bepreisen und dafür Kapital oder Arbeit weniger stark zu besteuern. Und dies unabhängig davon, ob andere Länder mitmachen oder nicht.
„Von den Finanzministern werden – bei knappen Kassen – immer lautstark öffentliche Investitionen in Bildung, Sicherheit oder das Transportwesen gefordert; ein CO2-Preis könnte hier ein geeignetes Mittel sein, um die hierfür nötigen Einkünfte zu erzielen“, sagt der Leitautor Max Franks vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). „Finanzminister könnten so Gelder in den Ausbau von Infrastruktur stecken und dem Gemeinwohl substanziell und nachhaltig nutzen. Dieser Nutzen ist volkswirtschaftlich bares Geld wert. Und er kommt eben auch dem Klimaschutz zugute, da ein CO2-Preis einen starken Anreiz zur Emissionsreduktion setzt. Man könnte das als doppelte Nachhaltigkeitsdividende bezeichnen.“ (Nicole Weinhold)