Sollte sich der Dual-Doppler-Radar im Windpark durchsetzen, brächte er deutlich mehr Zugewinn an Klarsicht als früher beim Umschalten vom Schwarz-Weiß zum Farbfernsehen. Eher wohl käme der Erfolg des Forschungsprojektes Windpark Radar beim Windenergieforschungsinstitut Fraunhofer Iwes und dessen beabsichtigte Nutzung des Dual-Doppler-Radars dem räumlichen Rundumblick der Eule in ihrem Jagdrevier gleich. So wie der Raubvogel im nahe gelegenen Luftraum klar Beutetiere in verschiedenen Höhen und Raumtiefen, aber auch Gefahrenstellen sichten könnte, würde der Dual-Doppler-Radar endlich echte Dreidimensionalität in der Winderkennung schaffen.
Das mit 9,5 Millionen Euro dotierte Projekt war im August 2020 gestartet und hat noch eine Laufzeit bis Mai 2025. Sogenannte Dual-Doppler-Radare sind bisher in der Erforschung von Tornados und Hurricanes im Einsatz. Ihre Sehschärfe beruht auf der technologischen Kombination zweier Spezialradare, die mittels versendeter Radarwellen und der Messung einer Frequenzverschiebung reflektierter Radarwellen die Bewegung von Partikeln in der Luft messen und damit Windströme messen. Die geplante Versuchsanordnung im Windpark sieht allerdings sogar den Einsatz zweier Radare an verschiedenen Stellen rings um den Windpark vor, so dass die Messung der Frequenzverschiebungen aus verschiedenen Blickwinkeln zusammengerechnet ein räumliches Bild der Partikelbewegungen ergibt.
Nur ein einziges Mal sei ein Dual-Doppler-Radar bisher in einem Windpark zum Einsatz gekommen, sagt Bernhard Lange, der Ansprechpartner des Projektes und Technischer Direktor beim Fraunhofer Iwes. Die Energieversorgungsfirma Ørsted habe vor wenigen Jahren in Großbritannien erste Messungen vorgenommen. Nun will das Fraunhofer Iwes mit Messungen an einem Dual-Doppler-Radar herausfinden, welche Aufgaben die für Windenergieanwendungen neue Technologie erledigen könnte: Sollte das Gerät nur Windsituationen über einem einstweilen nur für ein Windparkprojekt beplanten Gelände abbilden, um genauere Ertragsprognosen zu erstellen? Sollte das Radar nach der Errichtung der Turbinen die Leistungsfähigkeit jeder einzelnen Anlage für die jeweiligen Windbedingungen an ihrem jeweiligen Aufstellungsstandort präzise vermessen? Sollte es helfen, genauer unterschiedliche Turbinengrößen für die Regionen im Windpark zu bestimmen? Oder sollte das Radar sogar für jede Turbine unterschiedliche Feinjustierungen im Windpark zulassen, um auf die im Windfeld zwischen den Turbinentürmen abweichenden Luftströmungen und Verwirbelungen noch präziser zu reagieren? Die Turbinensteuerungen würden dann die Rotorblätter schneller wieder in den Wind drehen, wo energiereiche und lastarme Luftströmungen sich gut ernten lassen. Sie würden die Rotorblätter aber auch bei unproduktiven und materialquälenden Windlasten wieder aus dem Wind drehen.
„Wir müssen als Wissenschaftler erst einmal sagen, was die Geräte können und feststellen, für welche Aufgabe sich der Einsatz lohnt.“
5 bis 35 Kilometer Entfernung können die Doppler-Radare überwachen. Daher wäre auch eine Mitvermessung benachbarter Windparks möglich. Abhängig ist die Sichtweite von der ungehinderten Sicht, aber vor allem auch davon, ob ausreichend Partikel oder gemäß Fachsprech Aerosole in der Luft sind, um die Signale zu reflektieren.
Bisher eingesetzte Lidare zur Vermessung der Windparklufträume haben einen klaren Nachteil im Vergleich zur nun vom Fraunhofer Iwes erforschten Technologie: Sie müssen zur Vermessung des Windstroms eine längere Zeit messen, um genug Rückstreuung einzusammeln. Die Vermessung eines großen Windfelds dauert daher so lange, dass sich der Wind während der Messdauer schon wieder ändert. Die sich drehenden Radare hingegen decken nicht nur ein Rundum-Blickfeld ab, sondern auch einen großen Blickwinkel vom Boden bis in große Höhen. Das Doppler-Radar würde zum Beispiel den Eingang einer Böe im Windfeld, die Verwirbelung zwischen den Anlagen oder die Windverteilung zwischen den Anlagen in einem Bild messen.
Die Forscher im Projekt, zu denen auch die Universität Oldenburg gehört, übernehmen die Erkundung mit der Technologie auch deshalb, weil Dual-Doppler-Radare sehr teuer sind. „Wir müssen der Branche als Wissenschaftler erst einmal klar sagen, was die Geräte können und was nicht und dann feststellen, für welche Aufgabe sich der Einsatz lohnt“, sagt Projektberichterstatter Lange vom Fraunhofer Iwes. Gemeint ist: Ehe es zum massenhaften und kommerziellen Einsatz der Technologie und damit zu einer Preissenkung der Gerätschaften kommt.