Zum 1. August hat die Deutsche Flugsicherung (DFS) als zuständige Behörde die Schutzbereiche um die ersten drei so genannten Doppler-Drehfunkfeuer (Abkürzung gemäß technischer Bezeichnung: DVOR) von einem 15-Kilometer- auf einen 7-Kilometer-Umkreis verkleinert. Zuvor hatten das Bundesverkehrs- und das Bundeswirtschaftsministerium sowie die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) und die DFS sich nach genauen fachlichen Prüfungen auf ein neues Verfahren zur genauen Bestimmung der künftig notwendigen Abstände verständigt. Zuständig für die Prüfung und Neuformulierung der technischen Anforderungen war insbesondere die PTB. PTB, DFS und die beiden Ministerien setzen damit nun die Einigung vom April zwischen den beiden Ministerien auf die Verkleinerung der bisherigen Bannzonen um Flugsicherungsanlagen, aber auch um Wetterradare für neue Windparks durch. Die Einigung sah vor, den im internationalen Vergleich unvergleichlich strengen deutschen Sicherheitsradius um DVOR-Anlagen und Wetterradare von 15 auf bis zu 7 Kilometer zu verkleinern.
Konkret könnten nun Investoren und Projektierer von Windparks im weiteren Umfeld der DVOR Klasdorf, Gedern und Fulda ihre Planungen fortsetzen. Sofern solche Akteure dort Windparkplanungen vorangetrieben hatten und weiter vorantreiben wollen, und falls nicht andere Hindernisse wie Naturschutz oder Streit über den Immissionsschutz für Anwohner wirkten, stehe die DFS in den nun freigegebenen Bereichen bis sieben Kilometer vor den DVOR nicht mehr im Wege, erklärte DFS-Sprecherin Kristina Kelek auf Anfrage von ERNEUERBARE ENERGIEN. Nach diesen ersten drei DVOR in Brandenburg und Hessen will die DFS nun bis zum Jahresende für alle DVOR-Anlagen die Schutzbereiche mit der neuen Formel neu berechnet haben. „Diese Neubewertung … soll bis Ende 2022 abgeschlossen werden“, teilten die vier beteiligten Akteure in ihrer gemeinsamen Bekanntgabe mit.
Möglich wird die Neuberechnung durch eine höhere Toleranz der Flugsicherung künftig aber auch für die ältere, einfachere CVOR-Technologie. Denn immer noch betreibt die DFS knapp 20 von insgesamt 51 Drehfunkfeuer-Anlagen im CVOR-Standard. Für die CVOR-Anlagen können die Flugsicherungsprüfer nun eine vom PTB neu entwickelte Formel für den sogenannten Winkelfehler zurückgreifen: Die fehlerhafte Abweichung der Radar- oder Funkwellensignale etwa durch die Reflektionen an den Rotorblättern von Windturbinen darf künftig statt nur maximal 1,0 auch 1,5 bis 2,1 Grad betragen. Die von der PTB entwickelte Neuberechnung ist das Ergebnis des vom Bund geförderten Forschungsprojektes Weran – Wechselwirkung Windenergieanlagen und Radar/Navigation, in dem die PTB federführend war. Sowohl die moderne DVOR-Technologie, die bereits die bisherige einfachere CVOR-Technologie abzulösen begonnen hat, sowie neue Erkenntnisse über sich gegenseitige aufhebende Störwirkungen, ermöglichten also den Schritt, teilten die Flugsicherer mit.
Mehrere 1.000 Megawatt (MW) Windkraft waren bis jetzt allein durch die bisherige besonders strenge deutsche Auslegung der Flugsicherungsanforderungen blockiert. Alleine 2.200 MW blockierte die DFS rings um ihre modernen DVOR, teilt der Branchenverband Bundesverband Windenergie (BWE) mit. Der BWE lobt nun die Umsetzung der Einigung vom April – meldet aber auch Kritik an dem für die Flugsicherung einberaumten Vorbehalt an: „Grundsätzlich begrüßen wir, dass die Ministerien mit einem klaren Gestaltungswillen zügig an die Umsetzung der Ankündigungen aus dem April gehen“, sagte BWE-Präsident Hermann Albers am Mittwoch. „Dass jedoch nun nicht, wie ursprünglich verlautbart, die Prüfbereiche um alle Doppler-Drehfunkfeuer auf sechs bis sieben Kilometer verkleinert werden sollen, sondern stattdessen eine standortindividuelle Prüfung vorgenommen werden soll, betrachten wir mit Sorge.“ Aus der Erfahrung mit den bisherigen Prüfverfahren des DFS der Vergangenheit zeigen sich die Branchenvertreter skeptisch, dass die neuen Prüfverfahren aufwändiger als angedeutet sein könnten und damit die versprochene Befreiung der blockierten Kapazitäten nicht schnell genug stattfinden könnte.
DFS wirbt für Gelassenheit
Bei der DFS wirbt Sprecherin Kelek derweil um Gelassenheit: Technisch betrachtet sei nicht jede Lage einer DVOR-Flugsicherungsstätte mit der Lage einer anderen DVOR vergleichbar – weshalb die DFS die Störkurven in jedem Fall für die einzelnen Standorte durchrechnen müsse. Doch sei nicht davon auszugehen, dass die Neuberechnung anders als von der PTB vermutet den Radius nicht in den allermeisten Fällen tatsächlich auf genau sieben Kilometer verkleinern lasse. „Wir sind da optimistisch.“
Acht CVOR-Anlagen will die DFS daher noch bis 2025 nach und nach auf DVOR-Standard umrüsten. Zudem will sie bis 2032 noch 20 DVOR-Anlagen ganz abbauen, wenn sie ihren gesamten Drehfunkfeuerbetrieb bis dann auf eine noch effizientere Satellitenkommunikation umgestellt haben wird. Der für die Energiewende hauptsächlich zuständige Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck lobt die Übereinkunft mit dem Verkehrsministerium und den Flugsicherern als Ergebnis, das unterschiedliche Interessen optimal zum Ausgleich bringe, nach dem Motto: „Mehr Flächen für Windenergie bei gleicher Sicherheit der Funknavigation“. Der BWE drängt derweil darauf, die Klärung der Situation rings um die Wetterradare müsse nun schnell folgen.
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