Nicole Weinhold
Gerade durften wieder Millionen Menschen teilhaben, als eine Reihe von Windturbinen zu unterschiedlichen Zeiten und an verschiedenen Orten sich in Rauch und wenig Wohlgefallen auflöste: Das Heute Journal hatte gerade wieder eine Geschichte neu aufgekocht, die 2018 für Angst und Schrecken in der Bevölkerung sorgte. Damals hatte der Tüv bekannt gegeben, von alten Windturbinen ginge eine Gefahr aus, weil diese reihenweise umkippen oder in Flammen aufgehen könnten. Gut, einige wenige - nämlich rund 300 haben das in den vergangenen 20 Jahren tatsächlich gemacht. Ein Prozent der über 30.000 Windturbinen in Deutschland während ihrer gesamten Laufzeit. Aber die Bilder von herabstürzenden Rotorblättern wirken stärker als kluge Worte. Gleichwohl sei an dieser Stelle angemerkt, dass bisher noch absolut niemand verletzt wurde.
Geschäftemacherei des Tüv?
Der Tüv aber fordert, dass die Altanlagen häufiger als alle vier Jahre geprüft werden. Insider werfen dem Gutachterservice Geschäftemacherei vor, denn schließlich würde der Tüv maßgeblich durch eine neue Auftragsflut profitieren, wenn es um die Untersuchung und Zertifizierung alter Anlagen geht. Die Altanlagenbetreiber hätten derweil das Nachsehen, denn sie müssten tief in die Tasche greifen, um die Gutachten zu finanzieren. Nach 20 Jahren laufen Windkraftanlagen aus der EEG-Vergütung. Ihnen bleibt also nur der Börsenstrompreis, der allerdings deutlich steigenden Wartungskosten gegenüber steht. Sind die Forderungen des Tüv angemessen? Die Branche ist sich relativ einige in dieser Frage: Anlagen müssen regelmäßig gewartet werden, damit sie nicht zur Gefahr werden. Aber jährliche oder zweijährige Gutachterprüfungen sind überzogen.
Schon jetzt gestaltet sich die Energiewende für Altanlagenbetreiber schwierig. Viele würden ihre Anlagen gern repowern, also durch neue, leistungsstarke Turbinen ersetzen. Aber sie bekommen keine Baugenehmigung, weil die Anlage nicht in der entsprechend freigegebenen Region steht. Gelegentlich klappt es aber doch. Und dann kann eine Altanlage geplant zurück gebaut werden, wie es gerade bei einer V47 von Vestas in Blender geschehen ist.
Sprengung eines Gittermastturmes
Im Windpark Blender wurde am 27. März nämlich die kontrollierte Sprengung eines Gittermastturmes vorgenommen - für all diejenigen, die dachten, da sei mal wieder einfach was umgekippt. Dazu gibt es einen Film. Der 76 Meter hohe Turm war über 18 Jahre die tragende Komponente einer Windenergieanlage mit 660 kW, die im Rahmen eines größeren Repowering-Projektes nun abgebaut wurde und anschließend durch neue effizientere Anlagen ersetzt wird. Die Sprengung wurde vom unabhängigen Serviceanbieter Deutsche Windtechnik in Zusammenarbeit mit Experten der Firma Thüringer Sprenggesellschaft durchgeführt.
„Für den Rückbau von Altanlagen gibt es keine pauschale Vorgehensweise. Wir analysieren für jede Altanlage individuell, welches das sicherste und effizienteste Rückbaukonzept ist“, sagt Lars Vogler, einer der verantwortlichen Projektmanager der Deutschen Windtechnik Repowering.
Turm schrittweise zerlegen
„Gerade bei alten Gittermasten lohnt es sich häufig nicht, den Turm schrittweise zu zerlegen und an anderer Stelle wieder aufzubauen. Hier im Windpark Blender hatten wir zusätzlich die spezielle Situation, dass die Sicherheit der Servicetechniker bei der manuellen Demontage aufgrund der Turmhöhe und -bauweise nicht zu gewährleisten gewesen wäre.“ Die kontrollierte Sprengung hat den Vorteil, dass sie exakt plan- und terminierbar ist, also ein großes Maß an Sicherheit bietet. Die Sprengung wird hinsichtlich Turmstatik und Zeitpunkt so präzise vorbereitet, dass der Turm erst genau dann kontrolliert fällt, wenn der Sprengmeister das entsprechende Signal gegeben hat.
Fallenergie wurde vom Stahlgerüst maximal absorbiert
„Für den Gittermast der V47 wurde die Fallrichtung so konzipiert, dass der Turm direkt auf die Zuwegung fiel“, schildert Lars Vogler. Zudem bot der Gittermast den Vorteil, dass die Fallenergie vom Stahlgerüst maximal absorbiert werde. „Insgesamt ging es wie erwartet relativ schnell, auch Flurschäden traten wie geplant nur in sehr geringem Maße auf. Das wirkt sich positiv auf die Kostenbilanz aus, die maßgeblich vom Vorbereitungs- als auch vom Renaturierungsaufwand abhängt.“
In der Regel werden die Türme klassisch demontiert
Die Sprengung von kompletten Windenergieanlagen oder deren Türmen im Rahmen von Repowering-Vorhaben sind nach wie vor eher die Ausnahme. „In der Regel werden die Türme klassisch demontiert, d.h. Schritt für Schritt zerlegt, so dass sie bei Verkauf der Altanlage an anderer Stelle wieder aufgebaut werden können“, erzählt Lars Vogler. Bei nicht verkäuflichen Altanlagen sei eine Sprengung jedoch immer kosteneffizienter als der Rückbau, sofern diese eine Nabenhöhe von mindestens 70 Metern besäße. Hauptersparnis sind dabei die vermiedenen, mit der Nabenhöhe exponentiell ansteigenden Krankosten. Aufgrund des guten technischen Zustandes – die Turbine der V47 wurde in den letzten Jahren von der Deutschen Windtechnik betrieben und instand gehalten – konnte das vor der Sprengung demontierte Maschinenhaus von den Repowering-Experten der Deutschen Windtechnik weiter verkauft werden. An neuem Standort wird die Turbine voraussichtlich noch einige weitere Jahre grünen Strom in das Netz einspeisen.
Wie anhand dieses gut dokumentierten Rückbaus deutlich wird, haben wir es nicht mit Wildwuchs von gefährlichen Rotoren zu tun, sondern mit Industriemaschinen, für die feste Prüf- und Rückbauvorgaben bestehen.