„Auch über 2030 hinaus werden Gaskraftwerke … zur Abdeckung von Lastspitzen bei Extremwetterlagen nötig sein“, schreibt die DUH in ihrer am Mittwoch versandten Mitteilung. Und für den Prozess der Energiewende bis dahin gelte: Insbesondere „zur Absicherung der Versorgungssicherheit bei Kohleausstieg vor 2030“ sei auch ein begrenzter Zubau an Erzeugungskapazitäten zur Stromproduktion mit Erdgas notwendig.
Allerdings fordert die für einen möglichst schnellen Ausstieg aus der Nutzung aller fossilen Energieträger eintretende Berliner Nichtregierungsorganisation (kurz: NGO für Non-governmental Organisation) „strenge Voraussetzungen“ für die Neubaugenehmigungen. Sie sollen eine bremsende Auswirkung auf die Energiewende möglichst ausschließen. So müssten die neuen Gaskraftwerke grundsätzlich „H2-ready“ sein, „um mit grünem Wasserstoff betrieben werden zu können“: Sobald sich demnach durch Elektrolyse überschüssigen Stroms aus Wind- und Solarkraftanlagen eine ausreichende Menge produzieren ließe, müssten die neuen Gaskraftwerke „so schnell wie möglich mit erneuerbarem Wasserstoff betrieben werden“. Diese Verpflichtung und technische Voraussetzung müssten „bereits Teil der Genehmigung sein“, schreibt die NGO. Wasserstoff (chemischer Zustand: H2) ist zur Verstromung als veredeltes synthetisches Erdgas in Erdgaskraftwerken ebenso geeignet wie beispielsweise zum Antrieb von Autos mit Brennstoffzellen oder zur Einspeisung ins Erdgasnetz und damit auch zum Heizen oder zur Warmwasseraufbereitung. Die Wasserstoffnutzung erzeugt dabei keine Emissionen des Klimawandel-Treibhausgases Kohlendioxid (CO2). Wasserstoff gilt gemäß nationaler Wasserstoffstrategie als zentraler Energieträger innerhalb der Energiewende in der Zukunft.
Um jede Bremswirkung auf die Energiewende auszuschließen, fordert die DUH einen Ausstiegs- beziehungsweise Umnutzungsautomatismus: „Für die Umstellung auf grünen Wasserstoff bedarf es verbindlicher Zeitpläne für jedes Kraftwerk.“ Die Neugenehmigungen dürften zudem nur für einen von vornherein begrenzten Zeitraum in Abhängigkeit wohl vom geplanten Tempo der Energiewende erfolgen. Ohnehin müsse die Politik grundsätzlich gewährleisten, „dass es keine unbefristeten Genehmigungen mehr für fossile Projekte gibt.“
Mit Verweis auf heute schon bestehende „erhebliche Überkapazitäten im Kraftwerksmarkt“ in Gestalt von Großanlagen zur konventionellen Stromerzeugung aus fossilen Rohstoffen positionierte sich die DUH zuletzt immer vehementer als Gegnerin der Inbetriebnahme der Gaspipeline Nord Stream 2 für den Import russischen Erdgases durch die Ostsee. Zuletzt verlangte die DUH einen Stopp der Zertifizierung der Gasröhre durch die Bundesnetzagentur, die noch bis Jahresende das Betriebskonzept der dem russischen Gasversorger Gazprom gehörenden Projektgesellschaft überprüft. Mit Verweis auf Verstöße gegen jüngst erlassene europäische Normen wie einer Trennung von Gaslieferant und Betreibergesellschaft will die DUH die Zertifizierung nun verhindert sehen. Außerdem nutzt die DUH das Argument, dass die Fristen für die Zertifizierung seit Jahren abgelaufen seien – und die Bundesregierung sie nicht verlängert habe.
Tatsächlich war die Pipeline nicht zuletzt aufgrund Widerstands vor allem aus den USA immer mehr von den Zeitplänen abgewichen. Die Doppelröhre ist für die USA ein Ärgernis, die – im Bündnis mit mehreren osteuropäischen Ländern – aus geopolitischen und wettbewerblichen Gründen den Pipelinebetrieb gerne vermieden sähen. Dafür wollen die USA allerdings ihr gefracktes eigenes Erdgas als Flüssiggas (internationales Kürzel: LNG) auch im großen deutschen Markt vertreiben. Die Erdgas-Ausbeutung durch Fracking gilt als besonders klima- und umweltschädliche Methode: Durch Einleitung chemischer Stoffe in unterirdische Gesteinsschichten muss das darin eingeschlossene Fracking-Erdgas erst ausgelöst werden, um es dann für den Transport unter hohem Energieaufwand in den flüssigen Zustand herunterzukühlen und mit Schiffen über den Atlantik zu transportieren. Auf Druck der USA hatte die Bundesregierung auch den Bau großer Flüssiggasspeicher für LNG versprochen. Die DUH fordert in unregelmäßigen Abständen bisher ebenfalls einen Stopp für die Flüssiggasterminals.