Am 18.05.2016 schrieb man im Schweriner Landtag Rechtsgeschichte. Das „Gesetz über die Beteiligung von Bürgerinnen und Bürgern sowie Gemeinden an Windparks in Mecklenburg-Vorpommern“ (BüGembeteilG M-V) wurde verkündet. Seither gibt es auf Landesebene damit erstmalig eine Form staatlich verordneter Bürger- und Gemeindebeteiligung.
Natürlich wurde Bürgerbeteiligung deutschlandweit längst praktiziert, das aber eben selbstorganisiert und freiwillig. Nur in Mecklenburg-Vorpommern gelang der freie, faire und selbstorganisierte Interessenausgleich nicht gut. Windparks schossen aus dem Boden und verdarben in den Augen vieler den Blick auf einst „freie“ Horizonte. Und diejenigen, die von diesen „raumordnerischen Härten“ unmittelbar betroffen waren, die Gemeinden und die Ortsbevölkerung, gingen leer aus – insbesondere die Gewerbesteuer-Zuflüsse enttäuschten meist maßlos.
Nun also das BüGembeteilG: Zu befolgen ist es von allen Initiatoren, die in Mecklenburg-Vorpommern an Land Windkraftanlagen errichten wollen. Um das Vorhaben wird ein Zirkelkreis von fünf Kilometer gezogen. Allen, die darin wohnen, und allen Gemeinden darin muss eine Beteiligung seitens des Vorhabenträgers angeboten werden. Das Gesetz kennt dazu zwei Wege. Weg A: 20 Prozent des Eigenkapitals – in Form von Kommanditanteilen – müssen Bürgern und Gemeinden in gleichen Teilen zu je zehn Prozent und in einstiegsfreundlicher Stückelung zum Kauf angeboten werden. Weg B sieht die Kombination einer sogenannten Ausgleichsabgabe für die Gemeinden vor, kombiniert mit einem einlagegesicherten Sparprodukt eines deutschen Kreditinstituts.
Der Clou des Gesetzes: Bürger und Gemeinden sollen mit dem Beteiligungsangebot so gestellt werden, als wären diese de facto Aktionäre der ersten Stunde. Es sagt damit „nein“ zu renditeschwachen Pro-Forma-Angeboten. Zur Bestimmung des Ertragswertes muss auf Weg A mindestens ein unabhängiges formstrenges Wirtschaftsprüfer-Gutachten auf den Tisch gelegt werden. Auch die Berechnung der Sparverzinsung auf Weg B gibt der Gesetzgeber vor.
Im Juni wurde nun das BüGembeteilG erstmalig modifiziert. Jetzt können – nach Einzelfallprüfung – auch andere Formen der Beteiligung alternativ zu Kommanditbeteiligung oder Platzierung von Ausgleichsabgabe und Sparprodukt angeboten werden, zum Beispiel ein vergünstigter Stromtarif.
MV-Beteiligungsgesetz ist gerettet
Ende 2020 wähnte man das BüGembeteilG bereits mausetot – und dies lag nicht an einer schon länger währenden Klage dagegen vor dem Bundesverfassungsgericht oder daran, dass das Gesetz gar nicht zur Anwendung gekommen war, denn jahrelang lautete die Antwort auf parlamentarische Anfragen der Art „Wieviel BüGembeteilG-Fälle wurden denn schon umgesetzt?“: „Fehlanzeige“. Das Gesetz wäre aber wirklich erledigt gewesen, wenn es zur Anwendung des Rechtsgrundsatzes Bundesrecht bricht Landesrecht gekommen wäre. Danach sah es zunächst aus, weil das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) 2021 im Entwurf eine verpflichtende Gemeindebeteiligungsnorm enthielt. Wie bekannt, wurde die Norm abgeschwächt: Es gilt jetzt „kann“ statt „muss“. Das BüGembeteilG lebt damit also weiter.
In diesem Zusammenhang darf man dem Gesetzgeber in Mecklenburg-Vorpommern durchaus Anerkennung zollen, der ganz aktuell pragmatisch etwas miteinander vereinbar gemacht hat, was ansonsten unverbunden nebeneinander gestanden hätte: Statt der Ausgleichsgabe könnte jetzt alternativ – nach jeweiliger Einzelfallentscheidung durch das Energieministerium – auch die Anwendung der EEG-Kommunalabgabe möglich sein. Dass das EEG dabei in 2,5-Kilometer-Radien denkt, während der Kreisbogen im Land M-V nach BüGembeteilG 5 Kilometer misst, ist dabei etwas „tricky“, zumal für die EEG-Kommunalabgabe ja ein faktischer Voll-Erstattungsmechanismus in Anschlag gebracht werden kann. Für den mecklenburg-vorpommerschen Regel-Radius von fünf Kilometer dürfte dieser Erstattungsmechanismus allenfalls anteilig gelten: So ließe sich gemäß dem EEG-Paragrafen 36 k eine freiwillige Gemeindebeteiligung von 0,2 Cent pro Kilowattstunde anbieten, die der Windparkbetreiber allerdings vom Netzbetreiber zurückverlangen darf. Für die übrigen 2,5 Kilometer im Außenkreis der mecklenburg-vorpommerschen Geltung des Beteiligungsgesetzes muss das betreibende Unternehmen dann die Beteiligung aus eigener Tasche bezahlen. Eine Umfrage unter Verantwortlichen bestätigt bereits dieses Vorgehen. Aber auch hier ist grundsätzlich immer das Energieministerium oder die Landesenergie- und Klimaschutzagentur Mecklenburg-Vorpommern zu fragen.
Institute nehmen Risiken ab
Über 90 Vorgänge unterfallen derzeit dem BüGembeteilG und beschreiben damit das Potenzial in den nächsten Jahren. Die Welle setzt sich in Bewegung. Die ersten Anwendungsfälle in 2020 und 2021 hat es gegeben. Bislang sind es drei an der Zahl: Zwei Weg-B-Varianten aus Ausgleichsabgabe und Sparprodukt umgesetzt mit der DKB als Bank-Kooperationspartner und ein Beteiligungsmodell.
Eine angesichts der noch wenigen Fälle noch als steil zu wertende These soll hier nun erlaubt sein. Man müsste zwar diejenigen, die Weg A, also die gesellschaftsrechtliche Beteiligung, eingeschlagen haben, noch präzise befragen, doch der Eindruck lautet: Weg A ist gut gemeint, „kann aber weg“. Er ist – im Vergleich zum Bank-Sparprodukt – erstens beispielsweise wegen der Notareinbindung zu umständlich und zweitens aufgrund der sogenannten Bafin-Prospektierung zu teuer.
Und er ist vergleichsweise zu unsicher. Die Variante der Bürgerbeteiligung durch Windparkanteile bringt zwar die bei jedem klassischen Windbeteiligungsmodell völlig übliche Geldanlage. Doch der risikolose Weg B verheißt faktisch die gleiche Rendite. Warum ergänzt man dessen Sparprodukt und Ausgleichsabgabe nicht weiter um ein paar einfache zeitgemäße Varianten wie die Schwarmfinanzierung oder genossenschaftliche Modelle? Würde man sich in Schwerin durchringen können, auch diesen Bock noch umzustoßen, das Gesetz hätte das Zeug, weit über die Landesgrenzen hinaus zu einem richtigen Schlager zu werden. Aus Schleswig-Holstein hat man erst jüngst dazu was zaghaft läuten gehört.
Zweifellos: Die korrekte Anwendung des Gesetzes ist nicht trivial. Aber muss sich ein Vorhabenträger hiervor fürchten? Klare Antwort: Nein. Denn es gibt am Markt Banken wie DKB und Dienstleister wie die DKB-Partnerin Eueco GmbH die den Vorhabenträger an die Hand nehmen, um diesen sicher durch die Stromschnellen der Norm leiten.