Am Ende blieb die Klage erfolglos: Ein Anwohner in Rheinland-Pfalz hatte versucht, vor Gericht den Bau von drei Windenergieanlagen bei Metzenhausen zu verhindern. Einer seiner Kritikpunkte: die optische Bedrängung, die von den zwischen 1.050 und 1.250 Metern von seinem Grundstück entfernten Anlagen ausgehe.
Doch die Richter des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz sahen das anders. Die Entfernung der 241 Meter hohen Anlagen von mehr als dem Vierfachen der Anlagenhöhe und die größtenteils nur eingeschränkte Sichtbarkeit vom Grundstück des Klägers aus ließen keine „Situation des Eingemauertseins“ entstehen. Dem Grundstück werde nicht „gleichsam die Luft zum Atmen genommen“. Allein die Sichtbarkeit der Anlagen als solche bedeute noch keine unzulässige optische Bedrängung. Ein Rechtsanspruch auf eine von technischen Bauwerken freie Sicht bestehe nicht, betonten die Richter im März dieses Jahres.
Faustformel für optische Bedrängung
Dieses Urteil ist kein Einzelfall. „Die Hürden für Anwohner, eine Genehmigung wegen optischer Bedrängung zu verhindern, sind hoch“, sagt Christian Falke, Fachanwalt für Verwaltungsrecht bei der Kanzlei Prometheus in Leipzig. Für die Beurteilung habe sich mittlerweile eine Faustformel durchgesetzt: Beträgt der Abstand zwischen Windenergieanlage und Wohnhaus weniger als das Zweifache der Gesamthöhe der Anlage, ist eher davon auszugehen, dass von der Anlage eine optisch bedrängende Wirkung ausgeht. Liegt der Abstand über dem Dreifachen der Gesamthöhe, ist das nicht der Fall. Dazwischen muss genau geprüft werden.
„Das Problem, das wir bei Genehmigungen und Planungen sehen, liegt eher im Bereich Beeinträchtigung des Landschaftbildes oder eines Denkmals“, sagt Falke bei einem Webinar des BWE. „Da ist erst in den letzten Jahren eine Klarheit in der Rechtsprechung entstanden.“
Eine alte Dorfkirche reicht nicht
Komplette Landschaften als schützenswert aus der Planung zu nehmen oder die Genehmigung von Windparks zu verweigern, weil in der Nähe eine alte Dorfkirche steht, das gehe nicht, erläutert Falke. „Die Gerichte haben mittlerweile klare Bewertungskriterien aufgestellt: Eine Verunstaltung des Landschaftsbildes ist nur in Ausnahmefällen bei besonders schutzwürdiger Umgebung oder bei besonders grobem Eingriff in das Landschaftsbild anzunehmen.“ Und auch für Denkmale gelte: „Die Umgebung ist nur schutzwürdig, soweit sie für das Denkmal bedeutsam ist, und umgekehrt, soweit die Umgebung vom Denkmal geprägt wird.“ Selbst ein Unesco-Weltkulturerbe sei nicht per se ein Grund, ein Gebiet von Windenergieanlagen frei zu halten.
Noch sei das allerdings nicht in allen Planungs- und Genehmigungsbehörden angekommen. „Und natürlich wird das Thema auch instrumentalisiert“, meint Falke. Vor allem in Thüringen und Sachsen sei zu beobachten, dass Planungsverbände ganze Regionen als schutzwürdige Landschaften und so als Windkraft-Tabuzonen auswiesen, nur weil in 40 Kilometern der Fichtelberg bei guter Sicht zu erkennen sei.
Dass der Ausschluss schützenswerter Landschaften auch konkrete Folgen für die Kosten der Energiewende hat, hat eine neue Studie aus Großbritannien belegt, die in der Zeitschrift Nature Energy erschienen ist. So stünden auf den britischen Inseln Großbritanniens 18 Prozent weniger Potenzial für die Erzeugung von erneuerbarem Strom zur Verfügung, würde man die reizvollsten 10 Prozent der Landschaft für Onshore-Windparks sperren. Die Kosten für die Betreiber stiegen sogar um bis zu 25 Prozent, etwa durch weniger Stromertrag oder teurere Netzanschlüsse.
„Es ging uns darum, die Schönheit der Landschaft quantifizierbar zu machen, praktisch mit einem Preis zu versehen, um eine sachliche Grundlage für den Zielkonflikt Landschaftsbild – Wind-
energie zu liefern“, sagt Russell McKenna, der die Studie geleitet hat. „Jetzt ist es an der Gesellschaft und der Politik zu entscheiden, welchen Preis man zahlen und welche Technologie man wählen möchte.“
Um herauszufinden, welche Landschaft als besonders schön angesehen wird, nutzten die Wissenschaftler aus Schottland, Dänemark und Deutschland eine Website, auf der Probanden insgesamt 200.000 Bilder von Landschaften im ganzen Land nach ihrem landschaftlichen Wert bewerteten. Anschließend verglichen sie die mehr als eine Million Bewertungen mit dem Ergebnis von Windpark-Genehmigungsanträgen in den Regionen. In Gebieten, die als landschaftlich am schönsten eingestuft wurden, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass die Anträge abgelehnt werden.
In Deutschland kamen die Wissenschaftler in einem etwas anderen Ansatz zu ähnlichen Ergebnissen, wenn auch die Einschränkungen nicht ganz so groß sind wie auf den britischen Inseln. „Ein wichtiger Unterschied ist, dass in Großbritannien als besonders reizvoll eingestufte Landschaften auch besonders gute Windbedingungen bieten“, erklärt McKenna. „Das ist in Deutschland nicht ganz so stark der Fall.“
Doch auch wenn Landschaften ausschließlich von den Einheimischen als besonders schützenswert eingestuft werden, bewahrt das Projektentwickler nicht vor Diskussionen oder Prozessen. Anwalt Christian Falke ist indes zuversichtlich. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutz habe Einfluss auf die rechtliche Praxis, hat er beobachtet: „Die Richter sind jetzt mutiger und beziehen diese Belange mit in ihre Abwägungen ein.“ Früher hätten die Richter die Schutzwürdigkeit von Landschaften hingegen oft nicht hinterfragt. „Doch jetzt müssen für den Schutz des Landschaftsbildes oder von Denkmälern gute Argumente vorgebracht werden.“
Gute Visualisierung – wie geht das eigentlich?
Optische Auswirkungen von geplanten Windparks spielen im Genehmigungsverfahren eine große Rolle. Visualisierungen helfen, Behördenvertretern und Anwohnern die optischen Auswirkungen der Anlagen realitätsnah vor Augen zu führen.
Derzeit erfüllten Visualisierungen diese Funktion jedoch nicht immer zuverlässig, heißt es von der Fachagentur Wind an Land (FA Wind). Oftmals würden sie sogar selbst zum Gegenstand von Konflikten und sind der Grund für verzögerte Planungsverfahren. Es fehlte lange Zeit ein Qualitätsmaßstab, mit Hilfe dessen sich gute von schlechten Visualisierungen unterscheiden lassen. FA Wind hat deshalb ein Handbuch veröffentlicht: „Gute fachliche Praxis für die Visualisierung von Windenergieanlagen“ hilft mit Bildanhang, Glossar und drei Checklisten, Anforderungen an qualitativ hochwertige Visualisierungen besser anzuwenden.
Weitere Informationen: https://bit.ly/2V0t7de