Die künftige deutsche Stromversorgung wird geprägt sein durch einen hohen Anteil von Wind- und PV-Strom. In Deutschland liefert die Windenergie mittlerweile den größten Anteil an der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien. Die Einspeisung unterliegt jedoch starken zeitliche Schwankungen. Ausreichend viele Abnehmer für die kurzfristig hohen Stromspitzen sind nicht immer vorhanden, so dass das Überangebot zu sehr niedrigen bis negativen Preisen an der Strombörse führt. In manchen Regionen müssen Windkraftanlagen zur Sicherung der Netzstabilität in der Leistung reduziert oder zeitweise komplett abgeschaltet werden.
Gleichzeitig besteht die Notwendigkeit, die heutigen Energieverbraucher auf Basis fossiler Energieträger, wie Gebäudebeheizung und Verkehr, auf klimaneutrale Energieträger umzustellen.
Im Gebäudebereich findet bereits jetzt eine große Umstellung auf eine strombasierte Beheizung statt, vor allem mit Wärmepumpen. Wichtig ist, diese Sektorenkopplung systemverträglich zu gestalten, so dass keinesfalls zusätzliche Versorgungs- und Leitungsengpässe hervorgerufen werden oder Strom aus fossilen Energieträgern erzeugt wird. Da die Gebäudebeheizung weitgehend im Winter stattfindet, wenn Sonnenenergie kaum verfügbar ist, kommt es künftig darauf an, sich gezielt an der Verfügbarkeit von Windstrom – im Idealfall sogar dessen Überschüssen – zu orientieren. Die hierfür notwendigen intelligenten Steuerungsmechanismen sind in gleicher Weise bezüglich des Ladens von Elektrofahrzeugen relevant.
Das Projekt Windheizung 2.0
Gefordert sind flexible, intelligente Abnehmer und innovative Speicherlösungen. Hier setzt das Projekt Windheizung 2.0 an, welches das Bayerische Landesamt für Umwelt (LfU) gemeinsam mit dem Bayerischen Staatsministerium für Wirtschaft, Landesentwicklung und Energie ins Leben gerufen hat.
Bei Stromüberschuss und freien Leitungskapazitäten wird Strom in Wärme umgewandelt, kurz: Power-to-Heat. Die Energie wird in besonders effizienten Wohngebäuden gespeichert und als Heizwärme genutzt. Der Speicherzeitraum beträgt dabei ein bis zwei Wochen. Im Rahmen dieses vom BMWi geförderten Projekts werden gemeinsam mit dem Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP und mit Unterstützung weiterer Partner aus Industrie und Forschung tragfähige Konzepte erarbeitet.
Als mögliche Wärmespeicher werden untersucht und optimiert:
Ein hoher Dämm- und Effizienzstandard des Gebäudes und ein hocheffektives Wärmeübergabesystem sind Voraussetzungen für einen geringen Heizwärmebedarf. Dadurch kann die Überbrückung der Zeiten zwischen den Starkwindereignissen gewährleistet werden. Beziehungsweise, Perioden von Stromengpasszeiten können ausgeglichen werden. Der ausschließliche Einsatz in hocheffizienten Gebäuden und die extreme Flexibilität des Strombezugs sind Voraussetzungen dafür, das ansonsten umweltbelastende direktelektrische Heizen zu rechtfertigen.
Flexible Stromaufnahme aus dem Netz
Die Systemdienlichkeit des Windheizung-2.0-Ansatzes besteht insbesondere darin, dass das Gebäude und sein Heiz-/Speichersystem eine größtmögliche Flexibilität bezüglich der Stromaufnahme aus dem öffentlichen Netz bieten. Damit kann der Strombezug grundsätzlich marktdienlich sein. Das heißt, die Stromabnahme wird an die Verfügbarkeit der erneuerbaren Energien angepasst. Gleichzeitig ist der Strombezug netzdienlich. Das heißt, es findet eine Anpassung der Stromabnahme an die Kapazität und Auslastung von Übertragungs- und Verteilnetz statt. Die Flexibilität bedeutet auch, dass sich das Steuerungssignal am Strommarkt, also am Börsenpreis des Intraday- beziehungsweise Day-Ahead-Handels orientieren kann. Er kann sich aber auch an der lokalen technischen Situation, also der Spannung oder Frequenz im Netz, orientieren. Idealerweise berücksichtigt das Steuerungssignal eine Kombination aus beiden Einflussfaktoren.
Gebäude als flexible Verbraucher
Das Windheizung-2.0-Konzept basiert darauf, in einem Versorgungsbereich die passende Anzahl von Windheizung-2.0-Gebäuden zu errichten. Diese wiederum werden entsprechend der Bedürfnisse beziehungsweise der Möglichkeiten des Energieversorgers mit Überschussstrom beladen. Die einzelnen Gebäude treten hierbei als variable Verbraucher auf. Die bewohnenden Personen definieren ihren gewünschten Wohlfühl-Temperaturbereich. Wenn ein Stromfreigabesignal nach markt- und systemdienlichen Kriterien vorliegt, wird das Gebäude beladen. Die Regelung der einzelnen Gebäude errechnet laufend eine Art Wärme-Akkuzustand und übermittelt diesen an den Versorger oder Vermarkter. Dieser kann, basierend auf dieser Information, eine angebotsabhängige, gezielte Beladung derjenigen Gebäude mit dem dringendsten Bedarf initiieren. Dadurch kann eine zeitweise Überlastung der Netzinfrastruktur sicher vermieden werden. Die Gebäuderegelung kann Schaltempfehlungen des Versorgers oder Vermarkters annehmen oder verwerfen. Die Schalthoheit verbleibt bei der Person, die das Gebäude nutzt.
Aktueller Projektstand
In drei vorangegangenen und der aktuell noch laufenden Projektphase wurden die netzdienlichen, energetischen und technischen Aspekte der Windheizung 2.0 entwickelt, untersucht und an unbewohnten Gebäuden erprobt. Die erreichten Projektergebnisse zeigen, dass das Konzept mittlerweile einen Stand erreicht hat, der eine Erprobung im realen Gebäude mit dort lebenden oder arbeitenden Personen ermöglicht. Nur in einer Wohnsituation mit realen Personen ist es möglich, die Zuverlässigkeit des Windheizung-2.0-Konzepts vollumfänglich darzustellen, die Zufriedenheit und Nutzungsakzeptanz zu bewerten und letztlich Vertrauen in diese Technologie zu schaffen.
Für die Umsetzung des Windheizung-2.0-Konzepts in realen Wohngebäuden läuft derzeit die Beantragung von Fördermitteln beim BMWi für eine 3,5-jährige Projektlaufzeit ab 2022. Im Falle einer Zusage werden zeitnah einige Wohngebäude aus den Bereichen Neubau und Bestandsgebäude gesucht, um das System Windheizung 2.0 im realen Umfeld zu erproben. Interessierte Architekten/-innen, Bauherren/-innen und Planer/-innen werden derzeit gesucht. Interessierte können sich beim Bayerischen Landesamt für Umwelt unter folgender E-Mail melden: martina.reinwald@lfu.bayern.de