Martin Schulz ist Geschäftsführer der Buss Energy Group GmbH – und sie ist praktisch sein Kind. Denn als er Anfang 2016 zur Buss-Gruppe kam, gab es dort zunächst nur den Bereich Offshore Solutions, den er leitete, bis er das Geschäftsfeld der Windenergie soweit aufgebaut hatte, dass die Buss Energy Group gegründet werden konnte. Auf die Frage, was Buss Energy eigentlich macht, muss der Diplom-Ökonom ausholen: „Grundsätzlich bieten wir Windturbinenservice und die Installation Onshore und Offshore an.“ Außerdem habe man Spezialthemen wie Großkomponententausch, aber auch Retrofits im Portfolio. „Da sind wir gut aufgestellt. 24/7 Wartung – in der Regel für Windparks, die älter und nicht mehr im Service bei den großen Wartungsfirmen sind.“ Projekt- und Sitemanagement für Windkraft-Baustellen und Hafenprojekte habe man ebenfalls im Angebot. „Zudem vermitteln wir auch geschultes Personal wie Sitemanager an die Kunden.“
Die Vielfalt überrascht, denn Buss ist eigentlich bekannt als Hafen-Logistiker. Was ist da passiert? „Dass die Buss-Gruppe ursprünglich aus dem Hafenbereich kommt, stimmt“, bestätigt Schulz. „Wir haben uns als Dienstleister für das Verladen von schweren Offshore-Komponenten einen guten Namen gemacht. Das ist eines unserer Spezialgebiete, dass wir mit großen Komponenten gut umgehen können.“ Vor dem Hintergrund sei man mit der Offshore-Industrie zuerst in Kontakt gekommen. Vor zehn Jahren habe man dann entschieden, sich im niederländischen Eemshaven niederzulassen und ein Terminal auszubauen. „Seit Alpha Ventus haben wir zu allen großen Offshore-Projekten, die in der deutschen Nordsee installiert worden sind, unseren Teil beigetragen.“ Das heißt unter anderem die Vorinstallation der Anlagen. Das Geschäft habe sich so gut entwickelt, dass man anfing, auch für den britischen Markt Offshore-Projekte abzuwickeln. „Das war der Einstieg“, so Schulz.
Fadenriss bei der Offshore-Windkraft
Er erklärt, warum Buss sich diversifizieren musste: „Im Hafen sind wir abhängig von der Politik. Stichwort: Offshore-Industrie und Fadenriss. Das hat viele Unternehmen hart getroffen. Kapazitäten wurden aufgebaut, dann kam wieder eine Delle, und Firmen mussten Insolvenz anmelden.“ Unter anderem leidet die Meereswindindustrie immer wieder unter einer Politik, die es nicht schafft, kontinuierlich hohe Ausschreibungsmengen auszugeben, sodass die Industrie entsprechend unterbrechungslos produzieren kann. Um Beschäftigungslosigkeit und Krisen in Phasen fehlender Ausbaumengen zu entgehen, war eine Entwicklung erforderlich. Eine Umstellung auf Hafenlogistik für normales Stückgut sei für Großkomponenten-Logistiker schwierig und daher nicht infrage gekommen. Um die Abhängigkeit von der Offshore-Politik und dem Projektgeschäft abzumildern, sei man stattdessen in weitere Bereiche der Windkraft eingestiegen. Die neuen Arbeitsfelder ließen sich auch im Hafen gut nutzen. Wenn Buss nun Windkraftanlagen im Hafen vorinstallieren soll, dann kann der Logistiker dies inzwischen mit den eigenen Mitarbeitern leisten. „Gleichzeitig haben wir ein Zweitgeschäft: Wenn wir unser Onshore-Angebot ausbauen, können wir schwierige Offshore-Phasen überbrücken“, erklärt Schulz.
Die Strategie ging auf. Heute hat die Buss Energy Group rund 200 Mitarbeiter und machte 2020 einen Umsatz von 35 Millionen Euro. Derzeit sei der Bedarf besonders groß in der klassischen Onshore-Installation, berichtet der Geschäftsführer: „Man merkt, dass der Markt gerade anzieht.“ Aber auch das Geschäft mit dem Komponententausch laufe gut, weil Buss die nötigen Spezialisten dafür habe.
Wie kann man für so viele verschiedene Aufgabenfelder Spezialisten haben? Zum Beispiel durch Zukauf. Das fast schon klassische Modell in der Regenerativbranche: Große Konzerne übernehmen kleine, spezialisierte Unternehmen. Auch die Buss-Gruppe hat das gemacht. „Wir haben die Firma SSC vor 1,5 Jahren übernommen“, erklärt Schulz. „Wenn man also die SSC-Erfahrungen dazurechnet, haben wir bereits über 2.000 Anlagen On- und Offshore aufgestellt.“ Der Plan sei gewesen, dass es gelingt, Synergien herzustellen. „Wir hatten zuvor im Hafen viele Projekte durchgeführt, bei denen wir selbst die Dienstleistung nicht anbieten konnten. Türme vorinstallieren, Gondeln vorbereiten – durch Übernahme von SSC konnten wir unser Portfolio erweitern und diese Dienstleistungen in allen Häfen anbieten, jetzt auch in Frankreich als Joint Venture.“ Schäden an den Rotorblättern übrigens werden von der Firma Aero Enterprise unter anderem mithilfe von Drohnen ermittelt. Buss ist seit Mitte 2020 mit 24,9 Prozent an dem Spezialisten aus Österreich beteiligt.
Mit Spezialthemen gut aufgestellt
Wie sieht Buss die Zukunft der Windenergie? „Wir glauben an die Windenergie und wollen den Bereich weiter ausbauen.“ Gleichwohl stehe die Branche relativ stark unter Kostendruck – im Onshore- wie im Offshore-Geschäft. „Davon versuchen wir uns zu befreien, indem wir uns mit Spezialthemen platzieren, bei denen wir den Kunden einen Mehrwert bieten.“ Eine wetterunabhängige Arbeitsbühne ist eines dieser Themen. „Wir haben eine große Unit, die Blattreparaturen macht.“ Das Blatt werde dafür in die Bühne eingefädelt und das Ganze sei dann komplett verschließbar.
So können die Arbeiten witterungsunabhängiger durchgeführt werden. Da die Allwetter-Arbeitsbühne ganzjährig 24/7 eingesetzt werden kann, ist es möglich, die wetterbedingten Arbeitsabbrüche um 30 Prozent zu reduzieren. So gibt Buss ein Beispiel dafür, wie man mit Mut zu neuen Wegen und guten Ideen auch in schwierigen Märkten bestehen kann. Und schließlich ist das Unternehmen nicht nur auf den deutschen Markt angewiesen. Bisher ist Buss Energy für Kunden hauptsächlich in Europa unterwegs. „Wir finden aber auch den US-Markt sehr interessant“, verrät Schulz. Dieser sei vor allem mit Blick auf die Offshore-Windenergie geeignet, um Buss dort zu etablieren.