Axpo ist die größte Schweizer Produzentin von erneuerbaren Energien. Kaum ein Unternehmen hat so viel Erfahrung mit Stromlieferverträgen (PPA) wie die Axpo. Wir sprechen über PPAs mit Janosch Abegg, zuständig bei Axpo für Erneuerbaren-PPAs in Deutschland, und Johannes Pretel, Head Origination bei Axpo Deutschland. Er leitet kommerzielle Tätigkeiten in Deutschland im Bereich Erneuerbaren-Business und andere Energie.
Planer wünschen sich langfristige Verträge, um Sicherheit zu haben. Wie machen Sie das, während Sie gleichzeitig den künftigen Börsenstrompreis nicht kennen?
Janosch Abegg: Um das einmal zu erklären, kann man sich verschiedene Märkte herausgreifen, die die ganze Bandbreite zeigen. Das erste Beispiel wäre der skandinavische Markt, der traditionell eine gute Liquidität hat – auch für langfristige Stromhandelsgeschäfte. Man kann dort leichter einen Festpreis für ein PPA über zehn Jahre hedgen, wie es gerade beschrieben wurde. Auf der iberischen Halbinsel ist das schwieriger. Da werden typischerweise Stromhandelsgeschäfte für die nächsten zwei bis fünf Jahre geschlossen. Da ist die Herausforderung größer, einen langfristigen Festpreis-PPA anzubieten Daraus folgt, dass in Skandinavien viele Neubauprojekte unproblematisch ein PPA von 10 bis sogar 20 Jahren bekommen. Das freut die Banken, weil deren Kredite typischerweise eine Laufzeit von 15 bis 18 Jahren haben. Während die Bank in Spanien und anderen Märkten überlegen muss: Reiche ich einen langfristigen Kredit aus, wenn die Einnahmen des Projekts durch das PPA nur über fünf oder acht Jahre gesichert sind? Also muss entweder die Bank bereit sein, langfristige Kredite auch bei kürzeren PPAs zu vergeben. Das bedeutet für das Projekt höhere Kreditkosten. Oder das Projekt muss es schaffen, eine positive Investitionsentscheidung zu erreichen, obwohl der Kreditvertrag dahinter keine 18 Jahre Laufzeit hat.
Die Lieblingslösung der Banken ist wohl ein PPA über 15 Jahre mit einem sehr kreditwürdigen Abnehmer.
Johannes Pretel: Aber mit wie vielen Industriekunden können Sie ein hohes Volumen über viele Jahre zeichnen? Selbst in einem kreditstabilen Land wie Deutschland ist da die Grenze schnell erreicht. In Norwegen gibt es eine staatliche Versicherungslösung. Dort kann das Projekt eine Versicherung kaufen, die einspringt, wenn der Käufer im PPA ausfällt. In Deutschland gibt es das nicht. Deshalb werden die meisten PPAs mit einem stabilen Energieversorger wie Axpo als Käufer abgeschlossen, weil diese Unternehmen von Banken noch am ehesten als langfristig kreditwürdig eingeschätzt werden. Aber auch für uns stellt sich dann die Frage: An welche Industriekunden können wir die Position langfristig weiterverkaufen? Corona hat gezeigt, wie anfällig die Industrie sein kann. Wenn in Deutschland PPAs politisch gewollt sind, kann man fragen: Welche Instrumente werden zur Kreditabsicherung bereitgestellt?
Wie gehen Sie bei der Preisfindung vor? Die sind ja in Europa unterschiedlich.
Janosch Abegg: Die Bepreisung eines PPAs schaut auf vier Hauptkomponenten. Erste Komponente: Das Preisniveau für Grundlaststrom, das im jeweiligen Markt sichtbar ist oder angenommen wird. Da können wir in Deutschland bis 2027 auf Preise schauen. Das ist das Preisniveau, wo sich der Preisanstieg des vergangenen halben Jahres sehr gut nachvollziehen lässt – Gaspreis, CO2 und so weiter. Wo es vorher 40 Euro für die Megawattstunde waren, stehen jetzt 70 Euro. Zweite Komponente: Wie verhält sich der Wert des Produktionsprofils zum Grundlaststrompreis? Der Wert des Erzeugungsprofils von Solar war beispielsweise bis vor ein paar Jahren etwa so hoch wie ein Grundlastband. Das hat sich geändert, denn wir haben jetzt so viel Zubau von PV in Deutschland, dass ein typisches deutsches PV-Profil nur 90 Prozent oder weniger des Grundlastbands erreicht. Drittens: Die Kosten für Ausgleichsenergie, wegen der Abweichung zwischen prognostizierter und tatsächlicher Erzeugung. Und als vierte Komponente kommt der Wert für Herkunftsnachweise hinzu, mit denen die grüne Qualität des Stroms nachgewiesen wird.
Was glauben Sie, wie sich der Wert dieses Solarprofils in der Zukunft entwickeln wird?
Johannes Pretel: Da kommt der Begriff der Kannibalisierung ins Spiel. Je mehr ich zubaue, desto mehr Strom wird in den sonnenreichen Stunden produziert. Ergo fallen die Strompreise, sodass der Wert des Solarpreises in dieser Zeit abnimmt.
Muss man also überlegen, wie und wo man am klügsten baut, um dann Strom zu produzieren, wenn die anderen es nicht tun?
Johannes Pretel: In der Vergangenheit zählte in Deutschland nur die produzierte Megawattstunde. Der Standort musste einfach möglichst viel Solarstrom hergeben. Heute lautet die Frage: Wie produziert meine Anlage im Vergleich zum Durchschnitt. Produziert sie so wie die meisten anderen, oder erzielt sie schon früher oder zu späteren Tageszeiten gute Produktionswerte? Diese Effekte haben sich durch die Direktvermarktung herauskristallisiert.
Welche Rolle spielt die Sonneneinstrahlung dann im Vergleich zum Börsenstrompreis-optimierten Standort?
Johannes Pretel: Jetzt fragen Investoren, in welchem Land sie für ihr PPA einen hohen Marktpreis bekommen. Und wie viele Benutzungsstunden erreiche ich? In Deutschland sind das etwa 1.000, in Spanien haben Sie fast das Doppelte. Das bedeutet: Die gleiche Technologie, die Sie verbauen, steht einer doppelt so hohen Ausbeute an Megawattstunden gegenüber. Nun ist die dritte Komponente aber der Preis. Wenn Sie in Spanien zum Beispiel nur den halben Preis pro Megawattstunde generieren würden, wären die Einnahmen in Deutschland und Spanien wieder gleich. Investoren schauen auf Sonneneinstrahlung, Gestehungskosten, Marktpreis. Und dann kann man noch zum Beispiel auf die Ausrichtung der Panels eingehen. Da gibt es Anlagen, die sich im Tagesverlauf mit der Sonne neigen und so eine höhere Ausbeute erzielen. Wenn Sie mit Ihren Anlagen eine Stunde früher als die anderen anfangen können, Strom zu produzieren, und vielleicht eine Stunde länger Strom erzeugen, dann fallen Sie nicht in die ganz hohe Kannibalisierung hinein. Sie können an den Randstunden höhere Marktpreise abgreifen.
Wie sieht es aus mit Angebot und Nachfrage?
Janosch Abegg: In Spanien werden so viele Anlagen gebaut, dass der Verhandlungsvorteil eher auf Seiten der Abnehmer liegt. Die können sich aussuchen, von wem sie den Strom abnehmen wollen. Trotzdem wird in Spanien zugebaut, weil man dort eben höhere Volllaststunden erreicht. Als Industrie-Unternehmen, das sich grün ausrichten will, haben Sie in Spanien eine größere Auswahl. In Deutschland ist das anders herum. Hier gibt es erst wenige PPAs. Wir haben zwar viel Regenerativstrom in der EEG-Vergütung. Dort werden aber keine Herkunftsnachweise generiert. Das heißt, der EEG-Strom bleibt Graustrom, der nicht interessant ist für Industriekunden, die sich grün aufstellen wollen. Wenn Sie als großer Industriekunde eine Terawattstunde Strom verbrauchen, ist es ein Problem, sich hier grün aufzustellen. Mit ein paar Post-EEG-Anlagen und Solar-PPAs schaffen Sie das nicht. Die durchschnittliche Projektgröße ist in Deutschland viel kleiner. Selbst mit Offshore bleibt es erstmal knapp. Deswegen interessieren sich heute viele große Unternehmen für so genannte Cross-Border-PPAs, und wir beraten sie dahingehend, was für sie am meisten Sinn macht.