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Hoffnung in der Sonnenfinsternis

Keine Klimapolitik ohne Energiewende. Das gilt auch in Frankreich. Bis vor kurzem sahen dort die Bedingungen für Betreiber von Solaranlagen immerhin so gut aus, dass dort inzwischen um die 20 Prozent der verbrauchten Energie aus erneuerbaren Energiequellen stammen. Die französische Regierung sah in grünen Technologien einen zentralen Punkt für den wirtschaftlichen Neustart nach der Corona-Krise.

Von Planungssicherheit kann inzwischen aber keine Rede mehr sein. Seit Dezember 2020 erleben wir in Frankreich Entwicklungen, die das Vorhaben und damit den ganzen PV-Markt torpedieren könnten. Es ist ein wirres Hin und Her, die Rahmenbedingungen ändern sich seit Juni nahezu wöchentlich, und die Industrieverbände sprechen von einer „Sonnenfinsternis“. Ein Gesetz wurde beschlossen, mit dem der Einspeisetarif für Photovoltaik-Anlagen über 250 Kilowatt, die in den Jahren 2006 bis 2010 einen Stromabnahmevertrag inklusive fester zugesicherter Vergütung mit dem französischen Stromversorger EDF abgeschlossen haben, während der Vertragslaufzeit reduziert wird. 400 Millionen Euro sollen eingespart werden. Maßvoll sinkende Renditen sind für Betreiber solcher Projekte zwar ein Schlag, können aber verkraftet werden.

Doch als am 3. Juni 2021 der Entwurf für den Erlass und die Ausführungsverordnung bekannt wurden, war das Entsetzen groß. Als entscheidende Parameter für die Tarifreduzierung galten unter anderem das Datum der Inbetriebnahme, der Standort mit der in der Region vorhandenen Globalstrahlung und eine theoretische Rendite auf Basis der Kosten, die eine vergleichbare Anlage gehabt hätte. Diese „Standardwerte“ bezüglich der Kosten für Bau und Betrieb einer PV-Anlage ermittelten die Behörden größtenteils auf Basis von Preisen aus dem Jahr 2020. Jedem Betreiber ist klar, dass diese Kosten in den letzten Jahren massiv gesunken sind. Die neuen Tarife sollten teils bis zu 95 Prozent unter den alten liegen. In Südfrankreich etwa errechneten sich so Tarife von nur noch 2,075 Cent/Kilowattstunde, statt bisher 34,7 Cent. Etliche Projekte standen auf der Kippe.

Betroffen sind dabei auch viele deutsche Investoren – mit deutschen Landesbanken als Financiers, inklusive Refinanzierung bei der KfW –, die voller Zuversicht in französische Photovoltaik-Projekte investiert hatten.

Hoffnung keimt wieder auf

Nun aber hatte sich der Himmel verdunkelt. Das Vertrauen in Frankreich als Investitionsland war erschüttert. Der Staat hatte schlichtweg gegebene Versprechen gebrochen und wollte zugesagte 400 Millionen Euro von den Betreibern abziehen. Auf allen Ebenen drohten Klagen. Im Juni gab es jedoch eine völlig unerwartete Wendung: einen neuen, komplett überarbeiteten Entwurf für den Erlass.

Diese Version unterscheidet sich deutlich von der vorherigen. Berücksichtigt werden insbesondere höhere Errichtungskosten und aus vorher 18 Annahmen für die Einstrahlung gemäß der Region wurden immerhin 110. Als Folge können nun viele kleine Aufdach-Anlagen ihren Tarif behalten. Unverständlich bleibt noch immer die willkürliche Einordnung des Netzanschlusstermins: So führt ein Netzanschluss am 1. Januar 2012 zu einem neuen Tarif, der 22 Prozent niedriger ist als der für eine vergleichbare Anlage, die einen Tag zuvor angeschlossen wurde. Doch das Gros der Anlagen liegt nun einmal im sonnenreichen Süden, insbesondere die großen Parks, die bereits jetzt einen enormen Beitrag zu den Klimazielen 2030 leisten. Parks mit zwei MW und mehr. Bei diesen Parks soll der Tarif nun nicht mehr um 95 Prozent reduziert werden, sondern „nur noch“ um bis zu etwa 75 Prozent. Jeder Kaufmann weiß, dass diese Projekte damit nicht überleben können. Und schon gar nicht in der Lage sein werden, anstehende erforderliche Re-Investitionen für einen Weiterbetrieb in den nächsten zehn Jahren zu tätigen.

Wo Licht ist, ist auch Schatten

Neuer Schatten ist im neuen Entwurf beim Thema Härtefallklausel entstanden. Diese Klausel war von Anfang an vorhanden und sollte Betreibern die Möglichkeit geben, während der Verhandlung mit den französischen Behörden für bis zu 16 Monate den alten Tarif zu behalten. Später muss dann die Differenz zwischen dem neuen und dem alten Tarif für diese Zeit – sollte der neue Tarif nach Überprüfung bestätigt werden – wieder zurückgezahlt werden. Hierzu gab es nun umfangreiche Auflagen. Diese würden insbesondere dazu führen, dass die Regelung nicht greift, wenn es entsprechende Kapitalrücklage-Konten für Zins und Tilgung, aber auch für Reparaturen und Instandhaltung gibt. Bei Projektfinanzierungen sind diese Konten üblich.

Zudem sollte der Antrag vor dem 1.10.2021 gestellt sein, und bisher gibt es noch gar keinen offiziell verabschiedeten Erlass, sondern nur einen Entwurf. Wie in der kurzen dann verbleibenden Zeit die umfangreichen geforderten Unterlagen beschafft werden sollten, blieb schleierhaft.

Ein erster Sonnenstrahl

Am 24. Juli lehnte der französische Höhere Rat für Energie überraschend mit überwältigender Mehrheit eine Änderung der Vergütung ab. Der Energierat hat zwar nur eine beratende Funktion, seine Stellungnahme wird aber als deutliches Signal an die Regierung gesehen. Er ist zudem mit Abgeordneten, Senatoren, Politikern aus den Regionen, Vertretern der entsprechenden Ministerien aber auch Repräsentanten von Energieverbrauchern und Energieerzeugern besetzt – und einem Mitglied des Conseil d’État, dem höchsten französischen Verwaltungsgericht, vor dem wiederum viele Investoren Klage einreichen wollen und das als Gremium ebenfalls zu den Entwürfen konsultiert werden muss.

Kurz darauf wurde bekannt, dass die Datenbasis für die Kalkulation des neuen Tarifs im Erlass erneut geringfügig geändert wird und die Bedingungen für die Beantragung der Härtefallklausel entfallen: Zunächst kann wohl jeder Betreiber den Antrag stellen und behält damit vorerst den alten Tarif. Dieser Punkt ist aber vermutlich dem Einfluss der nationalen Banken zuzuordnen: Jedes Projekt muss in der Lage bleiben, seine „Senior-Debt“, also die bei Banken aufgenommenen Kredite, zurückzuzahlen. Genauso wie bei deutschen Landesbanken, die etliche, vor allem große Solarprojekte in Frankreich finanziert haben, ist die Sorge bei den französischen Banken wohl groß gewesen, dass es zu Insolvenzen, Abschreibungen und einem erhöhten Risiko in den eigenen Büchern kommen würde.

Fraglich ist, wie viel noch eingespart werden kann, und wie viele Kosten bei der individuellen Prüfung durch die Behörde entstehen. Zu hoffen bleibt, dass die Sonnenfinsternis in Frankreich vorübergeht und das größte Flächenland Europas weiterhin seinen Beitrag zum Erreichen der Klimaziele durch erneuerbare Energien leistet und seinen Ruf als sicheres Investitionsland nicht aufs Spiel setzt.  

Antje Grieseler
Geschäftsführerin, Leonidas Management

Leonidas Management

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