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Gemeinsam den Stress im Netz reduzieren

Nicole Weinhold

Hybridkraftwerke sind für uns ein wichtiger Baustein in Richtung 100 Prozent fossilfreier Energieerzeugung“, sagt Claus Wattendrup, Leiter des Geschäftsbereichs Solar & Batteries bei Vattenfall. Die sich gut ergänzenden Erzeugungsprofile von Wind und Solar verringern laut Wattendrup die Belastung des Stromnetzes gegenüber einer einzigen Erzeugungstechnologie. „Hybridanlagen sorgen für weniger ausgeprägte Spitzen und wir sehen insgesamt weniger Zeiten ohne Erzeugung“, so der Vattenfall-Manager. Das führe zu einer effizienteren Nutzung der Netzinfrastruktur. „Darüber hinaus verringern sich die Kosten für den Netzanschluss im Vergleich zu Stand-alone-Anlagen deutlich“, verweist er. „Damit sinken die Kosten für erneuerbaren Strom und davon profitieren am Ende die Kunden.

Das erste Vollhybrid-Kraftwerk von Vattenfall, der Energiepark Haringvliet Zuid, besteht aus einem Onshore-Windpark mit 22 Megawatt Leistung (MW), einem Batteriespeicher mit 12 MW sowie einer Freiflächen-Photovoltaikanlage, die von dem Solarspezialisten Belectric errichtet und in Betrieb genommen wurde. Allein der Solarpark umfasst eine Fläche von rund 30 Hektar und hat eine installierte Leistung von 38 MW. Das Hybridkraftwerk ist für die Erzeugung und Speicherung von erneuerbarer Energie ausgelegt und wurde auf der Insel Goeree-Overflakkee in der Provinz Südholland, rund 30 Kilometer südwestlich von Rotterdam, montiert.

„Der Energiepark Haringvliet ist nicht nur unsere bisher größte Solaranlage, sondern auch unser erstes Hybrid-Kraftwerk. Das Kraftwerk, das Sonnen- und Windenergie mit Batterien kombiniert, konnte dank einer hervorragenden Teamleistung entstehen. Trotz des turbulenten Jahres, das durch die Covid-19-Beschränkungen beeinträchtigt war, wurde intensiv an der Realisierung des Projekts gearbeitet“, sagt Paolo Pimentel, Director Project Delivery bei Vattenfall.

Der Solarpark rundet das Stromerzeugungsprofil des Windparks ab. Kombiniert mit einem Batteriespeichersystem ergibt sich ein grünes Großkraftwerk, das einen wichtigen Beitrag zur Stabilisierung des Stromnetzes leistet. Bei der Umsetzung eines Hybridprojekts müsse man sich deutlich höheren Anforderungen stellen als beim Bau einer einzelnen Solaranlage, heißt es vonseiten des Solarparkplaners Belectric. Dies betreffe nicht nur die Bauplanung und -ausführung, damit die Solaranlage, der Windpark und das Batteriespeichersystem parallel realisiert werden können, sondern auch die projektspezifische Funktionalität des Scada-Systems. Belectric hat zusammen mit Vattenfall optimierte Lösungen zur Überwachung und Steuerung des Solarparks innerhalb des Hybridsystems entwickelt, welches die Marktpreisentwicklungen, Wetterprognosen und Stromnetzanforderungen berücksichtigt.

„Hybridkraftwerke werden immer öfter nachgefragt“, sagt Ingo Alphéus, Vorsitzender der Geschäftsführung (CEO) der Belectric Solar & Battery GmbH, ganz allgemein zu dem Thema der Nutzung von Wind- und Solarparks am selben Standort. Und weiter fügt er an: „Sie leisten einen Beitrag dazu, den Stress im Netz zu reduzieren. Erneuerbare Energien in Verbindung mit Batterien machen Sinn, um die Einspeiseprofile im Interesse der Netzstabilität anzupassen. Wenn dabei auch unterschiedliche Erzeugungsarten wie Wind- und Solarkraft kombiniert werden, gibt das zusätzliche Flexibilität und damit Stabilität für das Netz.“

Baywa RE: Finanzielle Vorteile

Baywa RE hat bereits im Sommer 2020 den Bau eines Zehn-MW-Solarparks 50 Kilometer nördlich von Bayreuth im Auftrag eines Kunden abgeschlossen, der die örtliche Liegenschaft verwaltet. Der Solarpark nutzt den Netzanschlusspunkt eines seit 2013 bestehenden Windparks mit einer installierten Leistung von 24 MW, der bereits unter Mitwirkung von Baywa RE realisiert worden war.

Zentrale Herausforderung des neuartigen Gesamtprojekts war laut Baywa RE eine sinnvolle Ausgestaltung der Kapazitätsauslastung des Netzanschlusses bei gleichzeitiger Erzeugung von Wind-Solarstrom. Noch immer gebe es in Deutschland sehr wenige Solar-Wind-Hybridprojekte und damit auch nur begrenzte Erfahrungen mit derlei Anlagen, erklärt Jan-Gerd Bayerköhler, Projektmanager bei Baywa RE. Das gelte gleichermaßen für Projektierer wie für Netzbetreiber. Eine enge Abstimmung beider Seiten sei daher für das Gelingen eines solchen Projektes unerlässlich.

Zwar sind laut Baywa RE Abstimmung und Aufwand für derartige Hybridanlagen höher, gleichzeitig werden aber erhebliche Kosten durch den Wegfall eines eigenen Netzzugangs eingespart. „Tatsächlich war die finanzielle Umsetzung des Solarparks nur dadurch möglich, dass wir den bereits bestehenden Netzanschluss des Windparks nutzen konnten“, sagt Bayerköhler.

„Ein großer Vorteil von Hybridanlagen sind Kosteneinsparungen“, sagt auch Philipp Kunze, Head of Global Hybrid, Baywa RE Solar Projects GmbH. Sie betreffen laut Kunze einerseits den Netzanschlusspunkt, weil beispielsweise Solar- und Windenergieanlagen über den gleichen Anschluss laufen. Andererseits können bei der Projektentwicklung Kosten und Zeit eingespart werden, weil nur ein Flächeneigentümer angesprochen werden muss. Auch Kunze verweist zudem auf die positiven Auswirkungen auf das Stromnetz: „Nach einer detaillierten Analyse der Erzeugungsprofile von Solar- und Windenergieanlagen vor Ort kann die zu errichtende Hybridanlage in Bezug auf deren Größe und Netzanschlusspunkt optimal dimensioniert werden. In der Folge kann eine solche Hybridanlage das Stromnetz effizient nutzen.“

Nachteil: Aufwändige Planung

Den Vorteilen steht ein Nachteil gegenüber: Der Netzanschluss von Hybridkraftwerken ist aufwändiger. Und zwar insofern, als dass die Bedingungen für einen gemeinsamen Netzanschluss vertraglich und technisch geregelt sein müssen. „Außerdem müssen zur Dimensionierung der Anlagen die erwarteten lokalen Ertragsdaten so präzise wie möglich gemessen und analysiert werden, um später keine Überraschungen und eine unerwartet hohe Abregelung zu erleben“, gibt Kunze zu bedenken. „Dass die Projektentwicklung für verschiedene Komponenten größtenteils parallel erfolgen kann, ist zwar förderlich.“ Andererseits dauere die Entwicklung von Windenergieanlagen deutlich länger als die von Solaranlagen. „Ein regulatorischer Rahmen, welcher ähnliche Entwicklungszeiträume schafft, könnte die Planung deutlich erleichtern“, merkt er an.

Baywa RE sieht unterm Strich aber in der Entwicklung von Hybridanlagen deutliche Vorteile und ist dabei, eine steigende Anzahl an Hybridprojekten zu entwickeln. „Dabei fokussieren wir uns zunächst auf einige Länder, die wir aufgrund verschiedener Kriterien ausgewählt haben“, verrät Kunze. „Perspektivisch sehen wir aber, dass die Entwicklung von Hybridprojekten überall auf der Welt, wo Wind- und Sonnenenergieerträge sich gut ergänzen, Sinn macht und wir diese mittelfristig vorantreiben wollen.“ Außerdem sehe man auch Chancen, unterschiedlichste Erzeugungsformen miteinander zu Hybridkraftwerken zu koppeln. „Hier stehen wir aber noch am Anfang der Analysen“, stellt Kunze fest. 

Das Hybridkraftwerk Haringvliet von Vattenfall in den Niederlanden.

Foto: Vattenfall / Jorrit Lousberg

Das Hybridkraftwerk Haringvliet von Vattenfall in den Niederlanden.

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