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Die Nöte der Projektentwickler

Katharina Wolf

Wer mit Projektentwicklern ins Gespräch kommen will, muss eigentlich nur nach Problemen im jüngsten Genehmigungsverfahren fragen. Artenschutz, Flugsicherung, wütende Anwohner – diese Hürden treten meist sogar im Rudel auf. Nicht zuletzt deshalb hat sich die Dauer der Genehmigungsverfahren in den letzten Jahren immer weiter verlängert. Es können schon mal Jahre ins Land gehen, bis ein Windpark den ersten Strom ins Netz speist.

Für die Projektentwickler ist das nicht nur eine Frage von Geduld, sondern es geht um bares Geld: Das Auktionsregime Wind an Land legt jährlich sinkende Höchstgebote fest. Wer den Termin verpasst, muss mit weniger Vergütung rechnen. Gleichzeitig kann es passieren, dass die beantragten Anlagentypen gar nicht mehr zur Verfügung stehen und umgeplant werden muss.

Ausdauer und Flexibilität sind also gefragt - und auch ein gerüttelt Maß an Kreativität, wenn es darum geht, Genehmigungshürden aus dem Weg zu räumen. Drei Projektentwickler erzählen.

Artenschutz ist immer ein Thema

„Mit dem Artenschutz gibt es eigentlich in jedem Projekt Diskussionen“, sagt Markus Pauly, Abteilungsleiter Projektentwicklung bei Juwi. Sei es, weil Gutachten angezweifelt und überprüft werden müssten oder nicht windkraftsensible Arten für Bauzeitenbegrenzung herangezogen würden. In einem Projekt seien plötzlich mehr als 150 Horste im erweiterten Plangebiet durch Bürgerinitiativen nachgemeldet worden. „Die musste dann ein Gutachter alle überprüfen und stellte fest, dass es sich nicht um Nester von Greifvögeln handelt. Aber im Zweifel legt die Genehmigungsbehörde eine erneute Prüfung im Folgejahr fest und das ganze Projekt verzögert sich um ein Jahr.“

Um Behörden bei solchen Fragestellungen Unterstützung zukommen zu lassen, werden bei Juwi mittlerweile möglichst oft sogenannte Projektmanager oder auch Verfahrenshelfer einbezogen – neutrale Planungsbüros, die von der Behörde beauftragt und vom Projektentwickler bezahlt werden. „Diese Helfer sind gut im Thema und unterstützen die Behörde im Genehmigungsverfahren“, so Pauly. Festgelegt sei diese Rolle im Bundesimmissionsschutzgesetz. Gerade wenn es darum gehe, Einwendungen zu bewerten, sei die Erfahrung dieser Verfahrenshelfer nützlich, da sie schnell zwischen berechtigten und unberechtigten Einwänden unterscheiden könnten, betont Pauly. „Das kann die Verfahren beschleunigen, vor allem, wenn die Helfer so früh wie möglich eingebunden werden.“

Flughafen und Petition als Hindernis

Auch für Andreas Markowsky, Geschäftsführer der Ökostromgruppe Freiburg, ist Artenschutz eine Hürde, die in jedem Projekt auftaucht. Aber manchmal kommen die Probleme aus einer ganz anderen Ecke: Drei Anlagen waren im Bürgerwindpark Biederbach im Schwarzwald geplant. Leider befindet sich in der Nähe ein kleiner Flughafen, so dass die Deutsche Flugsicherung (DFS) ihre Zustimmung verweigerte: 40 Meter zu hoch würden zwei der Turbinen in eine mögliche Einflugschneise ragen. Ein Gutachten, das belegte, dass die Höhe der Anlagen beim Anflug praktisch keine Rolle spielte, wollte die DFS nicht akzeptieren. „Da das Bundesverwaltungsgericht der DFS ein Monopol auf die Wahrheit zugesprochen hat, mussten wir notgedrungen umplanen“, sagt Markowsky. Ergebnis: Ein Jahr Verzögerung, 100.000 Euro Zusatzkosten und dauerhaft weniger sauberer Strom.

Ein zweites Problem hingegen konnte Markowsky ohne zusätzliche Kosten aus dem Weg räumen: Ein „besorgter Bürger“, der acht Kilometer entfernt wohnt, sorgte sich um zu geringe Abstände und reichte eine Petition gegen das Projekt im baden-württembergischen Landtag ein. Das Problem: So lange der Petitionsausschuss nicht getagt hat, kann ein Verwaltungsbeschluss nicht vollzogen werden. Und der tagt nicht allzu oft – dem Projekt lief die Zeit für die nächste Ausschreibungsrunde davon. „Wir haben uns dann in einem freundlichen Brief an das zuständige Ministerium und das Landratsamt gewandt und erklärt, dass wir auf Schadenersatz klagen werden, sollten wir die Genehmigung nicht rechtzeitig bekommen“, erklärt Markowsky. Mit Erfolg: Am letzten Tag der Frist konnte er die Unterlagen abholen und die Anlagen noch online registrieren.

Eiswurf als Risikofaktor für den Zugverkehr

Eher ungewöhnlich war ein Problem, das sich dem Projektentwickler Windstrom aus Edemissen stellte. Die Genehmigungsbehörde befürchtete, dass sich im Winter Eis von den Rotorblättern der stehenden Turbinen lösen und so unglücklich in Richtung der 142 Meter entfernten Bahntrasse geweht werden könnte, dass ein Zug getroffen werden und Personenschäden entstehen könnte. „Wir mussten also eine Risikobewertung zur Gefährdung des Personenverkehrs erstellen lassen“, berichtet Sven Stölzel, Teamleiter Projektentwicklung.

Gesagt, getan. Der Gutachter kam bei einer Anzahl von einer Million Simulationen zum Ergebnis, dass ein solches Ereignis unter Berücksichtigung des Zugverkehrs auf der ICE-Strecke Hannover-Berlin, den Temperaturen im norddeutschen Winter, den unterschiedlichen Formen des fliegenden Eises und einer angenommenen Windgeschwindigkeit von 18 m/s statistisch alle 6.864 Jahre stattfindet. Stölzel erschien das als vertretbares Risiko angesichts der 20 Jahre, die der Windpark stehen soll. Die Behörde jedoch wollte die Genehmigung nicht erteilen. „Letztlich haben wir uns darauf geeinigt, dass wir die Rotoren im Winter, sollten sie stehen, parallel zur Bahntrasse ausrichten“, berichtet Stölzel. Ein zweites Gutachten bescheinigte schließlich, dass ein gefährlicher Eisabfall dann nur noch alle 12.584 Jahre stattfindet – ausreichend selten für die Behörde. Für Windstrom bedeutete diese Volte allerdings drei Monate Projektverzögerung und außerdem Verschleiß am Material durch die Fixposition der Rotoren. 

Viel Zeit kann verstreichen, bis Planer die erforderlichen Genehmigungen zusammen haben und endlich mit dem Bau beginnen können.

Foto: juwi / Thomas Hoch

Viel Zeit kann verstreichen, bis Planer die erforderlichen Genehmigungen zusammen haben und endlich mit dem Bau beginnen können.
Von der Anlage links könnte alle 6.864 Jahre theoretisch Eis auf einen Zug geweht werden.

Foto: WindStrom

Von der Anlage links könnte alle 6.864 Jahre theoretisch Eis auf einen Zug geweht werden.
Konflikte gibt es fast immer vor dem Bau eines Windparks.

Foto: juwi / Thomas Hoch

Konflikte gibt es fast immer vor dem Bau eines Windparks.

Die Lösung? Wind-an-Land-Gesetz

Kann ein eigenes Gesetz die Lösung aller Genehmigungsprobleme sein? Die Stiftung Klimaneutralität hat den Vorschlag eines Wind-an-Land-Gesetzes in die Debatte eingebracht.

Demnach sollen unter anderem

  • Anträge ohne Öffentlichkeitsbeteiligung in 10 Wochen ab Vollständigkeit der Unterlagen entschieden sein, mit Öffentlichkeitsbeteiligung gilt eine Frist von 22 Wochen,
  • Anträge als genehmigt gelten, wenn die Frist ohne Entscheidung abgelaufen ist – oder 6 Wochen nach der Öffentlichkeitsbeteiligung,
  • die Behörden verpflichtet sein, dem Antragsteller innerhalb von 6 Wochen die Vollständigkeit der Unterlagen zu bescheinigen oder konkrete Nachbesserungen verlangen,
  • Anträge, Genehmigungsverfahren und Öffentlichkeitsbeteiligung ausschließlich auf digitalem Weg erfolgen,
  • Gemeinden „Windparkgebiete“ einführen können, in denen bereits nach 8 Wochen eine Entscheidung fällt,
  • die maximalen Abstände zur Wohnbebauung bundesweit einheitlich auf dreifache Anlagenhöhe (3H) bei Neuprojekten und 2H bei Repowering-Projekten festgelegt werden,
  • Repowering artenschutzrechtlich immer genehmigt werden, wobei zusätzliche Schutzmaßnahmen verlangt werden können.
  • Genehmigungen – wie läuft’s?

    Genehmigungen sind wichtiger als Ausbauziele, heißt es in der Windbranche, denn sie seien ein sichereres Indiz dafür, was in den kommenden Jahren an Windenergieleistung zugebaut werden kann. In den vergangenen Jahren machte der Blick auf die Statistik wenig Spaß: Genehmigungen von insgesamt fast 9.500 Megawatt (MW), die die Fachagentur Windenergie an Land (FA Wind) für 2016, dem letzten Jahr vor Einführung der Ausschreibungen, ermittelt hatte, erscheinen im Rückblick wie eine riesige Kraftanstrengung, der eine mehrjährige Ermattungsphase folgte. In den folgenden drei Jahren blieben Genehmigungen zum Teil deutlich unter 2.000 MW und sorgten dafür, dass die Auktionen, in denen Bieter eine Genehmigung nachweisen mussten, regelmäßig unterzeichnet waren.

    Erst langsam zeichnet sich eine Erholung ab: 2020 stieg die genehmigte Leistung erstmals wieder auf 2.900 MW, auch die ersten Monate 2021 geben Anlass zur Hoffnung: Im ersten Quartal wurden 230 Windenergieanlagen mit 1.108 MW genehmigt, davon allein 800 MW im März - so viel wie seit dem Rekordjahr 2016 nicht mehr.

    Jürgen Quentin von der FA Wind sieht indes keinen Anlass zur Euphorie: „Das erste Quartal ist ein Zwischenhoch. Es ist bislang unklar, ob diese Entwicklung anhalten wird.“ Der Anstieg im März sei unter anderem auf die reduzierte Zahl von Ausschreibungsterminen zurückzuführen: „Die Erfahrung zeigt, dass kurz vor Ablauf der Registrierungsfrist zur Teilnahme an einem Gebotstermin die Genehmigungszahlen ansteigen“, so Quentin. 2021 seien nur drei Auktionen terminiert, die Registrierungsfrist zur Teilnahme im Februar zudem um eine Woche vorgezogen worden, so dass zum Jahreswechsel wegen der Feiertage keine höheren Genehmigungsaktivitäten zu verzeichnen waren. Die Bugwelle für die zweite Ausschreibung stieg folglich bis Ende März umso höher. „Die Genehmigungslage im April und Mai ist jedoch mit 110 MW und 70 MW bislang desolat.“ Die letzte Auktionsrunde findet am 1. September statt, wofür Windenergieanlagen bis Anfang August genehmigt werden müssen.

    Für die hohe genehmigte Leistungsmenge gibt es laut Quentin noch weitere Gründe: Zum einen lag die durchschnittliche Nennleistung der neu genehmigten Anlagen im ersten Quartal bei 4,8 MW –während es im Jahr 2016 noch lediglich 3 MW waren. Und es gibt regionale Aspekte: In Schleswig-Holstein hat die Flächenausweisung in den neuen Regionalplänen zu einem Genehmigungspeak geführt. Auch Niedersachsen und Brandenburg steigerten ihre Zahlen deutlich. In Nordrhein-Westfalen prägt die Angst vor dem 1.000-Meter-Mindestabstand zu Siedlungen die Situation. „Drei Viertel der in diesem Jahr bislang erteilten Genehmigungen kommen aus diesen vier Ländern“, so Quentin.

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