Tilman Weber
Diese drei Innovationen auf ganz unterschiedlichen Gebieten sind ein Beispiel dafür, wie viel Potenzial in der Windkraft schlummert.
Innovation Nr. 1
GEMISCH AUS CFK UND GFK
Die Grundlagenforschung am dänischen Windenergieinstitut Risø könnte den teuren Einsatz von Carbon als Ergänzung zu Glasfasern in der Rotorblattherstellung endlich attraktiv werden lassen. Es würde das Blattwachstum verbilligen.
Die Kombination von belastungsresistenteren Glasfasergelegen mit der Verlegung langer durchgehender Carbon- oder Kohlefasern von der Rotorblatt-Wurzel bis zur -Spitze ist längst Brauch. Der Einsatz der Kohlefasern soll angesichts immer längerer Rotorblätter deren Gewicht reduzieren helfen. Während sonst überall in den Rotorblattschalen auch quer zur Blattrichtung ausgelegte Glasfasern mit Kunstharz getränkt zum Basismaterial Glasfaserkunststoff (GFK) aushärten, sollen leichtere und steifere Carbonfasern in den lasttragenden Gurten der Rotorblätter die Glasfasern ergänzen. Bei allein aus GFK gefertigten Blättern müssen die Rotorblattdesigner lasttragende Bereiche wie die Gurte mit immer mehr GFK-Schichten verstärken, je länger die Blätter werden. Hier droht ohne neue Designs am Blattprofil jedes Mal die Gewichtszunahme verbunden mit höheren Kosten. Allerdings setzt sich Carbonfaserkunststoff (CFK) wenig durch – weil Carbon von vornherein viel kostet und dessem Fasern bei der Fertigung leicht brechen können.
Im Dienste unterschiedlicher GFK- und CFK-einsetzender Industriezweige forschen seit Juni 2018 bis Mai 2022 europaweit Nachwuchswissenschaftler an einer neuartigen Anordnung von Glas- und Carbonfasern, die das Problem lösen soll. Unter dem Zungenbrecher-Projekttitel „Hybrid fibre-reinforced composites: achieving synergetic effects through microstructural design and advanced tools” (HyFiSyn) suchen sie nach dem neuen Hybridwerkstoff. Die These: Carbon- und Glasfasern wie bisher als getrennte Elemente zu verbauen, ist ein Fehler. Vielmehr sollten sie sich mischen. Dann könnten Glasfasern den Carbonfasern als Schiene dienen, um nicht zu brechen. Und umgekehrt übertrügen Carbon- auf Glasfasern ihre Steifheit. Effekt wäre, dass weniger teure Carbonfasern zur Versteifung genügen – und die Gefahr des Carbonfaserbruchs schwindet.
Das dänische Risø konzentriert sich hierbei auf die Anwendung für die Windkraft. Die Aufsicht führt dort der Leiter der Abteilung Verbundwerkstoffe, Bo Madsen. „Wir müssen Glas- und Carbonfasern in intime Nähe zueinander bringen“, sagt er. „In der Praxis wird es nicht möglich sein, sie zu gemeinsamen Faserbündeln zu verweben. Wir zielen vielmehr auf eine abwechselnde Ablage von Carbon- und Glasfaserbündeln so, dass sie sich dennoch optimal verbinden.“ Derzeit fokussiere sich das Risø darauf, wie sich die Herstellung der Faserbündel und ihre präzise Ablage maschinell automatisieren lasse.
Innovation Nr. 2:
HYBRIDKRAFTWERK
Als „erstes Vollhybrid-Kraftwerk für erneuerbare Energien“ bei Vattenfall, wie es der Energiekonzern 2019 ankündigte, ist Haringvliet Zuid auf den ersten Blick nicht einzigartig. Weitere Stromversorger, Energieanlagen-Hersteller und -Projektierer stellen schon Photovoltaik- und Windenergieanlagen mit Batterien als hybride Pionier-Energieparks zusammen. Das Ziel: Die im Herbst und im Winter starke Windstromerzeugung, die nachts oft zunimmt, und tagsüber im Sommer ertragreiche Photovoltaik ergänzen sich. Am Netzeinspeisepunkt sollen sie in Kombination möglichst verlässlich einspeisen. Die Batterie soll Einspeisespitzen glätten und die Strommengen dosieren. Somit lassen sich im Stromhandel die besten Preise erzielen und das Stromnetz statt über- gut auslasten.
Pioniercharakter dürfte der seit Februar unweit von Rotterdam entstehenden Anlage aber das Zusammenspiel der Einzeltechnologien verleihen. Mit 38 Megawatt (MW) Photovoltaik (PV), 22 MW Windkraft und 12 MW Batterienennleistung könnte die Einspeisung der drei Bestandteile des Hybridkraftwerkes außergewöhnlich ausgeglichen ausfallen. Zwar wird die effizientere Windverstromung wie bei anderen Hybridkraftwerken dominieren. Aber mit etwa dem Doppelten der Einspeisung aus den Solarzellen dürfte sie längst nicht so überdimensional wie anderswo ausfallen – während die Batterie bei Maximalauslastung ein Elektrizitätsvolumen irgendwo dazwischen beisteuern kann.
Die technische Innovation besteht gemäß Sebastian Gerhard aus „im Grunde genommen vielen kleinen Einzelinnovationen“. Gerhard hat als German Director Batteries die Speicheranlage beschafft, die aus 288 Autobatterien der BMW-Elektrofahrzeugserie I3 entsteht. Eine zentrale Steuerungseinheit koordiniert hierbei die von den Herstellern gelieferten Einzelsteuerungen für Windpark, Solarpark und Speicher entsprechend der Signale aus dem Strommarkt. „Diese Controlling-Einheit sitzt wie eine Spinne im Netz. Technologisch ist diese Innovation auf einer Skala von eins bis zehn vielleicht bei zwei“ anzusiedeln, sagt Gerhard. „Das so entstehende Businessmodell erreicht aber eher den Innovations-Skalenwert acht.“
Vattenfall belegte die für Haringvliet Zuid gewonnene Standortfläche mit möglichst viel Erzeugungskapazität, um die Wirtschaftlichkeit zu erhöhen. Die sechs Windturbinen vom Typ Nordex N117 mit jeweils 3,6 MW Nennleistung, die 30 Hektar große PV-Freiflächenanlage und die in zwölf Seecontainern untergebrachten Batterien reizen das Areal aus. Der Einbau einer Batterie war eine Vorgabe der Standortgemeinde. Allerdings habe Vattenfall auch die Batterie nach dem Grundsatz „je größer je kostengünstiger“ ausgelegt.
Die Zahl der Volllaststunden der Wind- und PV-Anlagen – wie viele der rund 8.760 Jahresstunden lang die Gesamt-Erneuerbarenkapazität in Haringvliet Zuid rechnerisch mit voller Kraft einspeisen wird – könnte dank der Batteriespeicher bis zu 2.000 erreichen. Bezogen nur auf die Windkraft ließe sich die Auslastung vielleicht auf bis zu 4.000 statt sonst bestenfalls 3.500 Volllaststunden treiben – weil die Batterie in windreichen Phasen mehr Strom tankt und der Netzbetreiber keine Turbine wegen sonst überlasteter Netze abschalten muss. Der Windstrom käme nachträglich aus der Batterie ins Netz. W
Innovation Nr. 3:
MAGNETRING III
Der Magnetring-Generator ist ein Langzeitprojekt. Und doch hat die im Herbst 2018 als Magnetring III fortgesetzte Entwicklung eines Zehn-Megawatt-Speichengenerators neuen Schwung aufgenommen: Die anvisierte Komponente wird zwischen Nabe und Maschinenhaus als schlanker ringförmiger Kragen erscheinen. Das Ziel bleibt auch im dritten Projekt eine getriebelose Anlage. Projektpartner sind Siemens, Krämer Energietechnik und das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE). Mit einer aktiven Dämpfung von Schwingungen und Verformungen und mit modernisierter Kühlung lässt sich die Komponente zunehmend leichter auslegen – um Kosten zu sparen. Geplant sind noch 15 Meter Durchmesser.
Die seit 2009 erforschte Komponente besitzt einen feststehenden äußeren Ring als Stator mit der Drahtwicklung und dem Eisenkern. Im Querschnitt mutet er wie eine mit der Öffnung nach vorne zum Rotor gerichtete Glocke an. Darin dreht der mit der Rotornabe verbundene Generatorläufer mit Permanentmagneten, bei Volllast fast zwölf Mal pro Minute. Durch Induktion wie bei jedem Generator entsteht Spannung in der Kupferdrahtwicklung, die sich um Wicklungszähne des Stators windet.
Besonders ist die Leichtbauweise. Zwar spart jeder Direktantrieb das Getriebe zur Drehzahlerhöhung. Dafür vergrößern Entwickler den Generatorradius. Durch den längeren Rotationshebel soll das Drehmoment wachsen, um trotz geringerer Drehzahl die hohe Erzeugungsleistung zu sichern. Alternativ ließe sich mit einem eher zylinder- als scheibenförmigen Generator das Drehmoment stärken. Allerdings nehmen Masse und Volumen hier noch schneller zu, was die Kosten treibt. Ein scheibenförmiger Generator erfordert umgekehrt stärkere Tragstrukturen. Der Magnetringgenerator soll wie ein Fahrradreifen mit Speichen den Radius materialarm überbrücken. Den Luftraum dazwischen decken zur Versteifung Bleche ab.
Natürlich hat der Leichtbau seine Tücken: Die Kräfte zwischen Permanentmagneten und Stator würden ihn ohne Gegenmaßnahmen verformen. Alleine schon ihr Eigengewicht ließe die Statorglocke ellipsenförmig einsacken. Die Scheibe würde nach außen und nach innen mäandern – schlicht: vibrieren. Doch die Entwickler ermöglichen mit einer Einzelzahnwicklung statt der üblichen verschränkten Kupferwicklung über mehrere Zähne hinweg eine Feinsteuerung. Niederspannungsumrichter regeln hier getrennt für kleine jeweils mehrere Zähne umfassende Segmente die Spannung und so die Stärke des Magnetfelds gegenläufig zu den verformenden Kräften, und tilgen sie.
Noch ist es nur ein zwei Meter hohes Modell mit einigen 100 Kilowatt. Doch die Zehn-MW-Variante wird realistischer, wie Bernd Ponick betont. Der projektbeteiligte Professor am Institut für Antriebssysteme und Leistungselektronik in Hannover lobt die Präzision der Steuerung: Mit den Daten der Schwingungsmessung am Generator gefüttert, erzeugen die Umrichter die gegenphasigen Rückholkräfte in Echtzeit. Zudem gleichen sie ihre Regelung in Summe so aus, „dass sich zum Stromnetz hin nicht auswirkt, was im Generator zur Dämpfung passiert“. So bleibt die Einspeisung stabil.
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Diese Innovationen sind unserem Print-Magazin 6/2020 entnommen. Hier erhalten Sie ein kostenloses Probeheft unserer nächsten Ausgabe.