Um eine funktionierende Grüner-Wasserstoff-Wirtschaft und einen ausreichend schnellen Ausbau der Elektrolyseure zur Wasserstofferzeugung zu erreichen, brauche es ein Sprinterprogramm mit sechs Maßnahmen, so fordert es das Bündnis. Dieses bezeichnet sich als Offshore-Wind-H2-Achter und will erklärtermaßen die von der Bundesregierung geforderte Produktion großer Volumen des emissionsfreien Energieträgers (chemisches Kürzel: H2) mittels Windstrom vom Meer für den Aufbau einer gut funktionierenden Industrie genutzt sehen. Wie die Verbundinitiative am Donnerstagmittag erklärte, verlangt sie ein verbindliches Mengenziel inklusive Bereitstellung von Flächen für Produktionsanlagen, nur weit gefasste Vorgaben an den Strombezug der Elektrolyseure, Wasserstoff-Sammelpipelines in der Nordsee, die Förderung der Wirtschaftlichkeit, ein Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramm sowie eine Wasserstoffpartnerschaft von Politik und Wirtschaft.
Am Donnerstagvormittag hatte das sich in Kurzform als „Wasserstoffachter“ bezeichnende Bündnis auf der Industriemesse in Hannover seinen Appell bereits dem Beauftragten für Wasserstoff der SPD-Bundestagsfraktion, Andreas Rimkus, überreicht. Die symbolische Übergabe an den Wasserstoff-Zuständigen der führenden und den Bundeskanzler stellenden Regierungspartei solle die Voraussetzungen für das Entstehen einer Wasserstoffwirtschaft schnell ins Bewusstsein der Politik bringen, formulierte es Werner Diwald, Vorstandsvorsitzender des Wasserstoffverbands DWV.
Mengenziel und Flächen
Als einziges Mengenziel existiert bisher ein Ausbau der Elektrolyse-Erzeugungskapazität auf fünf Gigawatt (GW), das die Bundesregierung in ihrer sogenannten Nationalen Wasserstoffstrategie von 2020 vorsieht. Dieses will der Offshore-Wind-H2-Achter auf zehn GW bis 2035 erweitert sehen. Die Politik müsse dieses erhöhte Ziel sowohl in die Nationale Wasserstoffstrategie als auch in das Offshore-Windkraftgesetz WindSeeG als verbindliche Festlegung eintragen. Zudem verweist das Bündnis darauf, dass Deutschland bisher nur eine Fläche für 300 Megawatt Windkraft ausgewiesen hat, die der Wasserstofferzeugung aus Offshore-Windstrom dienen soll. Mit Verweis auf den im Gesetzentwurf stehenden Prüfauftrag für eine Erschließung weiterer vier bis sechs GW in den besonders küstenfernen Regionen der deutschen Nordsee plädiert die Initiative für eine Ausschreibung von zwei GW im ersten Quartal 2023. Eine weitere Ausschreibung soll außerdem ein Gigawatt für Windkraft-Wasserstoff-Projekte an Land freigeben.
Flexibilität für Strombezug der Elektrolyseure
Bei den Vorgaben der Europäischen Union für den Strombezug der Elektrolyseure sehen die Windkraft-Wasserstoff-Akteure dringenden Korrekturbedarf. Die Erneuerbare-Energien-Richtlinie RED II lässt die förderfähige Wasserstofferzeugung nur bei neuen Windparks zu, außerdem soll der Windstrom fast live in die Elektrolyseure fließen und dessen Erzeugung höchstens eine Stunde vor dem Bezug durch die Elektrolyseure erfolgt sein. Die Bundesregierung solle aber auch bestehende oder gar ausgeförderte Erneuerbare-Energien-Anlagen in die Wasserstofferzeugung einbeziehen.
Sammelpipelines in der Nordsee
Dass der Entwurf der WindSeeG-Novelle im Ansatz Sammelpipelines für weitere Energieträger den Gleichstromtrassen zur Übertragung von Offshore-Windstrom an Land gleichsetzt, lobt der Wasserstoffachter. Dennoch müsse die Raumordnung noch „für einen effizienten Trassenverlauf … dafür zwingend angepasst werden“.
Zehn-Milliarden-Förderung durch CFD
Um die Erzeugung grünen Wasserstoffs sofort wirtschaftlich sein zu lassen, plädiert die Initiative für ein Förderprogramm im Volumen von zehn Milliarden Euro. Parallel zur Entwicklung eines Wettbewerb fördernden Marktdesigns muss dieses Förderprogramm demnach den Wettbewerbsnachteil der noch deutlich höheren Kosten einer Wasserstoffproduktion im Meer im Vergleich zu Onshore-Wasserstofferzeugung ausgleichen. Im Detail schlagen die Vertreter des Bündnisses bereits eine Förderung des Preises von 64 Euro pro Megawattstunde vor. Das daraus folgende Fördervolumen, so geht ihre Rechnung, sollte sich auf zehn Milliarden Euro addieren. Die Förderung soll gemäß ihrem Konzept als so genannte Differenzvergütungsverträge an die Betreiber und Investoren der Anlagen gehen. Solche international als Contracts for Difference (CFD) bezeichneten, in Großbritannien bereits erprobten Vergütungstitel erhalten die Projektierer in einer Ausschreibung für neue Offshore-Windparkprojekte. Die Projektierer, die den Zuschlag erhalten, bekommen eine Aufzahlung auf den Vermarktungspreis des Windstroms im kurzfristigen Börsenstromhandel bis zur Höhe des von Ihnen angebotenen Einspeisepreises. Erzielen sie aber höhere Börsenmarktpreise oberhalb des CFD-Einspeisepreises, zahlen sie die Überschüsse an die Netzbetreiber.
Attraktive Jobs im internationalen Wettbewerb um Fachkräfte und insbesondere auch für Frauen
Ein Ausbildungs- und Beschäftigungsprogramm muss nach dem Willen der Appell-unterzeichnenden Organisationen eine Förderung von Frauen in technischen Berufen enthalten. Außerdem fordern die Unterzeichner von der Politik, für Rahmenbedingungen für Arbeitende in Deutschland zu sorgen, die „im globalen Wettbewerb konkurrenzfähig“ sind. So müsse diese die Attraktivität der deutschen Windkraft-Wasserstoff-Unternehmen für qualifiziertes Personal im zunehmenden internationalen Wettbwerb um gute Fachkräfte erhalten helfen.
Partnerschaft von Politik und Wirtschaft
Durch die gewünschte Partnerschaft von Politik und Wirtschaft erhoffen die Organisationen außerdem „an notwendigen Weichenstellungen moderierend und übergreifend mitzuwirken“
Das ist der „Wasserstoffachter“
Die hinter dem Bündnis stehenden Organisationen sind außer dem DWV auch die Windenergiewirtschaftsorganisation WAB, der Förderverein für küstenferne Windkraft-Wasserstofferzeugung Aqua Ventus, der Bundesverband der Windparkbetreiber Offshore (BWO), die Offshore-Windenergieorganisation Stiftung Offshore Windenergie, die schleswig-holsteinische Wirtschaftsförderungsgesellschaft EESH sowie das Hamburger Windenergie-Cluster EEHH und die Gewerkschaft IG Metall des Bezirks Küste.
Was die Partner des Appells im Einzelnen sagen
Es sei nun „ganz wichtig, dass wir für die Offshore-Windenergie-Wasserstofferzeugung noch dieses Jahr einen Rahmen bekommen“, sagte der Geschäftsführer der Clustergesellschaft EEHH, Jan Rispens. DWV-Vorstandsvorsitzender Diwald betonte, für die notwendige Beschleunigung des Aufbaus einer Windkraft-Wasserstoff-Infrastruktur müsse der Staat nun schnell Geld zur Verfügung stellen. Es sei eine „wahnsinnige Chance“ angesichts von 250 bis 300 GW europaweit erwarteter Erzeugungskapazität für Deutschland, sich rasch industriepolitisch zu positionieren und damit die Teilhabe am europaweiten Ausbau dieser Anlagen für die deutschen Unternehmen zu sichern. Dafür benötige es allerdings einen guten Heimatmarkt.
Die Projektmanagerin bei EESH, Sina Clorius, betonte, es sei sehr wichtig, das Potenzial schleswig-holsteinischer Windparks an Land für hohe Flexibilität in der Wasserstofferzeugung zu nutzen. Außerdem müsse es darum gehen, durch die Förderung des Aufbaus einer Wasserstoffwirtschaft die im Land vorhandene Expertise erfahrener Windenergieakteure auch im Land zu halten. WAB-Geschäftsführerin Heike Winkler sagte, es brauche nun einen Qualitätsrahmen für die Beschäftigung qualifizierter Mitarbeiter. Deutschland habe im Maschinenbau bereits „sehr viele gute Fachkräfte. Aber die Erhaltung dieses Fachkräftepools „wird unterstützt werden müssen“.
Urs Wahl vom Förderverein Aqua Ventus für die Erzeugung von Wasserstoff aus Windstrom im Meer betonte, der Zeitpunkt für den Appell sei deshalb richtig, weil aktuell noch die politischen Diskussionen über die Reformen des Offshore-Windenergie-Gesetzes WindSeeG stattfänden und die Behörden sich noch über den nächsten Flächennutzungsplan abstimmten. Weil die Weichenstellungen jetzt getätigt würden, so betonte Wahl, müssten sich die Branchenvertreter nun einbringen.
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