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Radarerfassung

Intelligente Windturbine: Tötungsrisiko von Vögeln minimieren

Katharina Wolf

Die Bilder sehen furchtbar aus: Tote Vögel, verunglückt an einer Windenergieanlage. Zuhauf lassen sich solche Fotos auf den Seiten der Windkraftgegner im Internet finden. Und während tote Tiere auf Straßen oder Flugplätzen als akzeptabler Kollateralschaden hingenommen werden, kochen rund um verunglückte Vögel im Windpark die Emotionen hoch. Obwohl oder gerade weil Klima- und Naturschützer eigentlich das gleiche Ziel haben – den Erhalt der Umwelt.

Windkraftgegner entdecken Artenschutz

Doch gibt es wohl kaum einen Projektentwickler, der nicht auf Probleme mit dem Artenschutz stößt. „Wir registrieren quer durch die gesamte Bundesrepublik eine deutliche Zunahme der Herausforderungen durch artenschutzrechtliche Fragestellungen“, sagt Wolfram Axthelm, Geschäftsführer des Bundesverbands Windenergie (BWE). „Zum einen nehmen die Anforderungen an Gutachten zu, was die Verfahrensdauer erhöht. Zum anderen entdecken die Gegner der Windenergie und der Energiewende den Artenschutz für sich und versuchen, diesen als Hebel gegen die Windenergie zu missbrauchen.“ Die dadurch angestrengten juristischen Auseinandersetzungen blockierten zunehmend die zeitnahe Umsetzung von Genehmigungen.

Können Vogel-Detektionssysteme eine Lösung sein?

Können Vogel-Detektionssysteme eine Lösung sein? Sie erkennen die Art und versuchen, sie zu vergrämen oder einzelne Windenergieanlagen zu stoppen, wenn sich ein Vogel auf Kollisionskurs befindet. „Im Ausland und bei Offshore-Projekten finden beispielsweise Radarsysteme zur Erfassung des Vogelzugs und Abschaltung während Zugereignissen bereits seit Jahren Anwendung“, sagt Eva Schuster, Referentin beim Kompetenzzentrum Naturschutz und Energiewende (KNE). „In Deutschland wird an Land konventionell vorgegangen – Ornithologen kartieren im Feld; mit Lenkungsmaßnahmen oder pauschalen Abschaltungen wird versucht, die Tiere aus der Gefahrenzone zu locken oder die Anlagen zu Risikozeiten abzuschalten.“

Erprobung unterschiedlicher Detektionssysteme

Derzeit startet indes die Erprobung unterschiedlicher Detektionssysteme. Sie erfassen die Tiere per Radar oder Kamera und sollen so dazu beitragen, das Tötungsrisiko zu senken. Die Radarerfassung hat gegenüber den Kameras den Vorteil, dass sie größere Reichweiten schafft und auch nachts Tiere erfassen kann; die Kameratechnik kann hingegen deutlich günstiger sein. Der entscheidende Punkt sei nicht unbedingt die Art der Erfassung, sondern die zuverlässige Erkennung und Klassifizierung der Vögel, betont Eva Schuster. „Noch gibt es keine guten empirischen Daten, die die Wirksamkeit der Systeme ausreichend belegen.“

Noch kein Wirksamkeitsnachweis

Deshalb hat das KNE ein Anforderungsprofil entwickelt, um eine fachlich valide Systemerprobung zu unterstützen. In Pilotprojekten wird ein Gutachter Daten erheben, die von einem Zweitgutachter und dem KNE gesichtet und kommentiert werden. „Unser Ziel ist es, die Datengrundlage zu verbessern und Entscheidungshilfen zu schaffen, die eine Beurteilung der Systeme für die unterschiedlichsten Standorte ermöglichen“, so Schuster. Die Entwicklung der Vogelerkennungssysteme sei eine Bottom-up-Bewegung, für die es noch keinen Wirksamkeitsnachweis gebe.

Fabian Schwarzlose, Geschäftsführer der FEFA aus Stendal, ist Teil dieser Bewegung. Sein Unternehmen suchte eine Lösung für die Genehmigung eines Windparks. Das Problem: Zwar befand sich ein Rotmilan-­Horst mit 2,3 Kilometern weit genug von den drei geplanten Windenergieanlagen entfernt, doch sollten zwei Anlagen auf einer Feuchtwiese errichtet werden. Die Naturschutzbehörde sah dort ein attraktives Nahrungsangebot für die Vögel und befürchtete ein signifikant erhöhtes Tötungsrisiko, wenn sie sich auf Futtersuche begeben. „Wir wussten, dass sich der Vogel in dem Gebiet kaum aufhält. Deshalb schien eine bedarfsgerechte Abschaltung sinnvoll. Wir haben dann Kontakt mit Swissbird aufgenommen“, berichtet Schwarzlose. Die Schweizer beobachten bereits seit Jahrzehnten die Zugvögel per Radar und verfügen dadurch über einen großen Datenschatz zur Erkennung der Arten anhand ihrer Flügelschlagmuster.

Vögel aus mehreren hundert Metern Entfernung erkennen

Das System wurde an die Bedingungen eines Windparks angepasst: Statt direkt von unten mussten die Vögel aus mehreren hundert Metern Entfernung erkannt werden. „Wir haben uns dann von Anfang an mit den regionalen Behörden zusammengesetzt, um Birdscan ihren Anforderungen entsprechend zu entwickeln“, so Schwarzlose. Im Pilotwindpark, genehmigt im Oktober 2018, soll nun das System anhand der Vorgaben des KNE validiert werden. „Zunächst wollen wir das Gebiet ohne Windenergieanlagen beobachten. So können wir rund um die Uhr alle Flugbewegungen erfassen“, erklärt Schwarzlose.

Erkenntnisse über die Flughöhe

Die Planer versprechen sich zudem neue Erkenntnisse darüber, wie oft überhaupt eine geschützte Art im geplanten Windpark anzutreffen ist, und über die Flughöhe – wichtige Entscheidungshilfen, ob eine bedarfsgerechte Abschaltung überhaupt sinnvoll ist. Denn der Einsatz hat Grenzen: „Unser System ist kein Allheilmittel“, sagt Fabian Schwarzlose. Zum einen sind die Anschaffungskosten sehr hoch. Zum anderen stellt sich die wirtschaftliche Frage: Wenn ein Windpark ständig steht, weil eine gefährdete Art sich nähert, kann das böse Auswirkungen auf die Stromerträge haben. „Detektionssysteme werden sowohl aus naturschutzfachlicher als auch aus wirtschaftlicher und technischer Sicht nur in bestimmten Fällen sinnvoll sein“, betont auch KNE-Expertin Eva Schuster. Es sei beispielsweise zu erwarten, dass häufiges Abschalten dem Material der Anlagen schadet und möglicherweise die Lebensdauer verkürzt.

Projektentwickler sind durchaus offen

Die Projektentwickler sind durchaus offen: „Wenn es eine Technik gibt, die Projekte möglich macht, dann würden wir sie auch einsetzen“, sagt Alexander Jäger-Bloh, Geschäftsführer der Dean-Gruppe aus Neustadt am Rübenberge. Allerdings sei jedes Projekt ein Einzelfall, zu dem ein solches System passen müsse. Und er verweist auf die Kosten: „Wenn wir in den Ausschreibungen nur noch vier Cent pro Kilowattstunde bekommen, dann ist wenig Geld für teure Systeme vorhanden.“ Er sieht außerdem die Gefahr, dass – wenn erst validierte Systeme vorliegen – die Genehmigungsbehörden sie pauschal vorschreiben, selbst wenn andere Artenschutzmaßnahmen mit weniger Aufwand erfolgreich wären. „Den Stein der Weisen gibt es hier nicht“, ist Alexander Jäger-Bloh überzeugt. Für jedes Projekt müssten individuelle Lösungen gefunden werden.

BWE-Geschäftsführer Wolfram Axthelm hält derzeit eine verbindliche Vorschrift für unrealistisch. „Noch haben die Systeme nicht sicher gezeigt, dass sich gefährdete Arten rechtzeitig erkennen lassen oder Fehlmeldungen vermieden werden. Sollten sie nachgewiesen zielsicher arbeiten, würde die Branche sie zum Einsatz bringen“, ist auch er überzeugt. „Damit könnten dann mehr Flächen für die Windenergie nutzbar werden. Es wäre zu einem solchen Zeitpunkt auch keine Gefahr, dies bundeseinheitlich zu bestimmen.“

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