Es ist ein ganz klares Signal in Richtung Marktentwicklung: Das Investment-management der niederländischen Umweltbank Triodos will bis spätestens 2025 satte 70 Millionen Euro von Investoren einsammeln, um damit Mieterstromprojekte zu finanzieren. Das Geld wird über den Triodos Energy Transition Fund verwaltet. Mit diesem Geld soll der Kölner Mieterstromdienstleister Einhundert Energie Solaranlage mit einer Leistung von 50 Megawatt auf Mehrfamilienhäusern errichten, betreiben und mit dem Strom die Bewohner versorgen.
Dazu haben die beiden Partner extra ein gemeinsames Tochterunternehmen, die Einhundert Solar, gegründet. Die Kölner setzen die Anlagen im sogenannten Contracting-Modell um, bei dem Einhundert nicht nur den Betrieb der Anlage, sondern auch die gesamte Finanzierung übernimmt. Damit können sich die Immobilienunternehmen, die Einhundert mit der Lösung ansprechen will, auf ihr eigentliches Geschäft konzentrieren und müssen sich um die Stromversorgung ihrer Mieter nicht kümmern.
90 Megawatt
Mieterstromleistung waren Mitte August 2022 installiert.
Starkes Interesse an Contractingmodell
Einhundert setze das Modell schon mit einer Reihe von deutschen Immobilienunternehmen wie Interboden und der Rheinwohnungsbau um. „Unser Contractingmodell wird stark nachgefragt, denn es nimmt unseren Kunden viele Bürden und Kosten. Aufgrund des Drucks nach Dekarbonisierung von Gebäudeportfolien sowie der Knappheit an Material, Installationskapazitäten und billigem Kapital sehen wir einen rasant steigenden Bedarf für dieses Produkt“, beschreibt Ernesto Garnier, Geschäftsführer von Einhundert Energie, die derzeitige Marktlage. „Mit dem Joint Venture Einhundert Solar können wir diese Nachfrage gemeinsam mit dem Triodos Energy Transition Europe Fund bedienen“, betont der Einhundert-Chef. Denn damit stehen genügend Investitionsmittel für die Umsetzung der Projekte zur Verfügung.
Tatsächlich wäre ein Zubau von 50 Megawatt Mieterstromleistung eine echte Ansage an den Markt. Allein damit würde Einhundert Solar die installierte Mieterstromleistung in Deutschland um mehr als die Hälfte des derzeitigen Wertes erhöhen. Denn das Marktstammdatenregister weist bei einer entsprechenden Abfrage Mitte August 2022 immerhin schon 4.881 Solaranlagen mit einer Gesamtleistung von fast 90 Megawatt aus, für die ein Mieterstromzuschlag gezahlt wird.
Strompreise treiben den Markt
Doch auch andere Anbieter merken, dass die Nachfrage heftig zulegt. Denn immerhin hat sich schon jetzt im Vergleich zu Ende 2019 die installierte Leistung der Mieterstromanlagen von damals 9,4 Megawatt fast verzehnfacht. „Im Zuge der Energiepreiskrise ist die Nachfrage nochmals enorm angestiegen“, sagt Manuel Thielmann, Leiter der dezentralen Energieversorgung beim Münchner Ökoenergieversorger Polarstern, der auch im Mieterstromsegment gut unterwegs ist. „Das liegt nicht so sehr an der EEG-Novelle oder verbesserten Rahmenbedingungen, wobei diese die Umsetzung der Projekte schon etwas vereinfachen. Die jetzigen Anfragen kommen vor allem aus Wohnungswirtschaft oder von Wohnungseigentümergemeinschaften und sind zum größten Teil durch die hohen Stromkosten getrieben. Diese Tendenz wird zunehmen. Denn die hohen Einkaufskonditionen für die Versorger am Energiemarkt sind bei Verbrauchern noch gar nicht angekommen.“
Mit steigenden Strompreisen werden wiederum die Mieterstromanlagen um so wirtschaftlicher für alle Beteiligten. Die seit dem 1. Juli 2022 weggefallene EEG-Umlage ist erst einmal eine Gleichsetzung des Mieterstroms mit dem anderen Eigenverbrauch. Doch de facto ist der Mieterstrom, der in den vergangenen Jahren immer wieder darunter gelitten hat, dass die volle EEG-Umlage aufgeschlagen wurde, jetzt gegenüber dem Eigenverbrauch sogar im Vorteil. „Denn während beim Eigenverbrauch nur die EEG-Umlage weggefallen ist, bekommt der Mieterstrom noch einen Zuschlag“, erklärt Manuel Thielmann.
101 Kilowatt – ab kommendem Jahr erhalten auch Mieterstromprojekte mit einer Leistung von mehr als 100 Kilowatt einen Zuschlag. Die Grenze liegt dann bei einem Megawatt.
Gegen die Volleinspeisung rechnen
Das gilt auch für den Netzstrom, für den zwar jetzt ebenfalls keine EEG-Umlage mehr erhoben wird, der aber noch andere Preisbestandteile enthält wie Netzentgelte, Stromsteuer und sonstige Umlagen. Zu Letzteren gehören unter anderem die KWK-Umlage und die Umlage für die Finanzierung des Netz-anschlusses von Offshore-Windkraftanlagen. Dies ist inzwischen für die Mieterstromanlagen die entscheidende Größe, um die Bewohner der Mehrfamilienhäuser vom Mieterstromangebot zu überzeugen. „Dies ist aber inzwischen nicht mehr die große Herausforderung, da wir mit dem Mieterstrompreis laut gesetzlicher Vorgabe ohnehin zehn Prozent unter dem Grundversorgungstarif bleiben müssen“, weiß Thielmann. „Dazu kommt, dass die Grundversorgungspreise, anders als noch im letzten Jahr, inzwischen in vielen Fällen die preiswertesten Tarife der Versorger sind, da die Strommengen dafür langfristig am Markt eingekauft wurden.“
Seit der EEG-Novelle muss sich die Solarstromanlage im Mieterstromprojekt aufgrund der gestiegenen Einspeisevergütung gegen die Volleinspeiseanlage wirtschaftlich durchsetzen – egal ob sie im Contracting- oder im Lieferkettenmodell betrieben wird. Bei Letzterem bleibt die Anlage, anders als beim Contracting, im Besitz des Immobilieneigentümers. Dieser liefert wiederum den für das Gebäude benötigten Solarstrom an einen Dienstleister oder Versorger, der seinerseits diesen Solarstrom mit einer Reststromlieferung aus dem eigenen Portfolio kombiniert als Mieterstrom an die Hausbewohner vertreibt. „Wir oder der Anlagenbetreiber müssen in beiden Fällen mit dem Ertrag, den wir mit Mieterstrom erzielen zuzüglich des Mieterstromzuschlags und den Erlösen aus der Überschusseinspeisung mehr erwirtschaften als wir an Erlösen bei einer Volleinspeisung hätten, bei der noch nicht einmal ein aufwändiges Summenzählermodell installiert werden muss“, beschreibt Thielmann die gegenwärtige Herausforderung bei der wirtschaftlichen Umsetzung von Mieterstromprojekten.
Verbraucher profitieren mehr
Hier spielen die höheren Investitionskosten aufgrund des immer noch aufwändigen Summenzählermodells zur Messung und Abrechnung des vor Ort verbrauchten Solarstroms eine große Rolle. Doch auch dabei kommen den Anbietern die hohen Strompreise der Versorger zugute. Denn selbst bei üppigen Einspeisetarifen von 9,4 bis 13,4 Cent pro Kilowattstunde können die Mieterstrompreise weit darüber liegen, zumal dann noch der Zuschlag dazukommt, der die Mehrkosten für Messung und Abrechnung des Mieterstroms abdecken soll.
„Wir müssen mit dem Ertrag, den wir mit Mieterstrom erwirtschaften, zuzüglich des Mieterstromzuschlags und den Erlösen aus der Überschusseinspeisung mehr erwirtschaften, als wir an Erlösen bei einer Volleinspeisung hätten.“
Direktvermarktung bleibt Herausforderung
Wichtig wären vor allem die Anhebung der Grenze für die verpflichtende Direktvermarktung. „Wenn die Mieter 70 oder 80 Prozent des Stroms direkt vor Ort verbrauchen, ist es vor allem für kleinere Mieterstromanbieter schwierig, einen Direktvermarkter für die sehr geringen und schwer prognostizierbaren Strommengen zu finden“, beschreibt Thielmann das Problem. „Ein anderer Vorschlag neben der Anhebung der Grenze für die verpflichtende Direktvermarktung wäre, dass diese sich auf den Netzanschluss beziehen würde. Nur wenn mehr als 100 Kilowatt Leistung der Mieterstromanlage an einem Netzanschluss angeklemmt wären, ginge die Anlage in die Direktvermarktung.“
2,70 Cent pro Kilowattstunde wird es ab kommendem Jahr maximal als Mieterstromzuschlag geben, haben die Experten von Polarstern ausgerechnet.
Hier hilft auch die neue Regelung kaum, dass auf einem Gebäudedach eine Eigenverbrauchs- und eine Volleinspeiseanlage errichtet werden können. Diese Regelung in Paragraph 48 Absatz 2a des EEG legt dazu fest, dass die beiden Anlagen galvanisch voneinander getrennt werden müssen und jeweils eigene Messeinrichtungen brauchen. Die Regelung hilft auf großen Industriedächern sicherlich, die ganze Fläche zu nutzen. Doch für Mieterstromanlagen ist sie nur bedingt brauchbar, da auf den Dächern von Mehrfamilienhäusern in der Regel kaum noch Platz für einen zweiten Generator ist. Doch sollte tatsächlich noch Dachfläche frei bleiben, wenn die Mieterstromanlage geplant ist, ist dies sicherlich eine Möglichkeit, auch hier die Dachflächen komplett auszunutzen.