Vom Regen der vergangenen Wochen frisch grünende Wiesen und Weiden. Bis an der nächsten Ausfahrt plötzlich alles blau wird. Ein Meer von Solarmodulen liegt hier in weichen Wellen über den Wiesen. Dazwischen ragen zwei weiße Zeltspitzen auf – und an der kleinen Zufahrtsstraße reihen sich stattliche Limousinen aneinander: Wir befinden uns nahe dem Örtchen Priestewitz bei Dresden. Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer steht von Presse umringt auf einem Schotterweg vor den Pavillons. Er lässt es sich nicht nehmen, bei der feierlichen Inbetriebnahme der mit einem Großspeicher kombinierten Solaranlage die Stecker medienwirksam zusammenzustecken. Immerhin handelt es sich hierbei um eines der ersten Projekte aus der Innovationsausschreibung der Bundesnetzagentur, das in seinem Bundesland ans Netz geht.
Die Stadt Leipzig will Klimaneutralität Schritt für Schritt voranbringen.
Überschüsse zwischenspeichern
Als Innovation gilt in diesem Fall der Zusammenschluss eines Großspeichers von Intilion mit einem 13,5-Megawatt-Solarpark. Rund 36.000 Solarmodule erzeugen künftig jedes Jahr 14 Millionen Kilowattstunden Energie, was für die Versorgung von 4.000 Haushalten reicht. Dabei spart das System jedes Jahr 9.500 Tonnen Kohlendioxid ein. Der Speicher hat eine Kapazität von 3,7 Megawattstunden und ist in einem wetterfesten 40-Fuß-Container untergebracht. „Unser Stromspeicher stabilisiert das Netz, weil er Überschüsse zwischenspeichert und bei Engpässen wieder abgibt. Dadurch bringen wir die Energiewende voran“, erklärt André Haubrock, CEO der Intilion AG. Neben dem Speicher kommen auch Wechselrichter und Transformator von Intilion. Das Unternehmen hat zudem die Anbindung an die vorhandene Mittelspannungs-Schaltanlage übernommen.
„Wir haben das Projekt in der Hochphase der Coronapandemie und mit Beginn des Ukrainekonflikts sowie unter widrigsten Wetterbedingungen mit Starkregen und Überschwemmungen umgesetzt. Trotz dieser Herausforderungen haben wir es geschafft, das Projekt innerhalb unseres Zeitplans fertigzustellen“, sagt Daniel Freymark, Projektleiter von Intilion.
Eine erfolgreiche Partnerschaft gingen bei dem Projekt nicht nur Speicher und Photovoltaik ein, sondern auch die beiden Betreiberunternehmen: Die Stadtwerke Leipzig haben sich für das Projekt mit dem unabhängigen Produzenten von erneuerbaren Energien (IPP) Qair Deutschland zusammengetan. Beiden Projektpartnern geht es darum, ihr regeneratives Portfolio mit dem Hybridpark auszuweiten. „Die Stadt Leipzig und wir als Leipziger Stadtwerke haben in den nächsten Jahren viel vor“, sagt Marcel Werner, Projektleiter bei den Leipziger Stadtwerken. „Die Stadt Leipzig will Klimaneutralität Schritt für Schritt voranbringen, Versorgungssicherheit ausbauen und Nachhaltigkeit in all ihren Facetten stärken. Unser Ziel ist nicht nur der grüne Strom, sondern auch die grüne Wärme. Wir wollen dafür unter anderem eine Elektrolyseanlage etablieren, die mit Grünstrom gefüttert wird.“ Er berichtet, man habe in den vergangenen drei Jahren ein modernes Heizkraftwerk im Leipziger Süden gebaut, das mit der Brückentechnologie Gas startet, aber so ausgelegt ist, dass es mit wenigen Anpassungen in Zukunft auch mit Wasserstoff betrieben werden kann. Über reichlich Regenerativstrom verfügen die Leipziger bereits. „Wir betreiben eigene Wind- und Solarparks und planen weitere Erzeugungsanlagen im dreistelligen Megawattbereich unter anderem in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Thüringen und Sachsen.“
Verantwortung für Leipzig
Woher kommt das Engagement der Leipziger? „Wir haben als Leipziger für Leipzig eine Verantwortung, die wir wahrnehmen. Es sind viele engagierte Menschen im Unternehmen, die das Thema voranbringen, und natürlich ist auch der politische Wille da – deutschlandweit sowie in der Region. Die Stadt Leipzig ist ja unser Gesellschafter“, sagt Werner. Die Ausrichtung hin zu mehr erneuerbaren Energien habe wieder Auswirkungen auf die Gewerbeindustriekunden, die einen größeren Strom- oder Gasbedarf anzeigen, der grün werden soll. „Wir als Unternehmen haben das Ziel, die Wünsche zu erfüllen.“
Frank Polhaus, Leiter Photovoltaik bei der Qair Deutschland GmbH, erklärt, warum sich die Stadtwerke mit dem IPP gut ergänzen: „Als mittelständisch organisiertes, inhabergeführtes Unternehmen können wir viel schneller und flexibler reagieren, um dem Markt gerecht zu werden. Wir müssen nicht gleich nach der absoluten Rendite schauen.“ Das sei bei einem kommunalen Unternehmen schwieriger, weil immer eine gewisse Rechenschaftspflicht gegenüber dem Gesellschafter, der Stadt, bestehe.
4.000 HAUSHALTE können durch den Solarpark mit Speicherleistung versorgt werden
Bauleitverfahren beschleunigen
Während sich bei der Inbetriebnahme alle über die Fertigstellung des Projektes freuen, erinnern die Beteiligten aber auch an Hürden, die es zu überwinden galt. „Wir haben sehr gut mit der Kommune zusammengearbeitet, aber allein der ganz normale Prozess des Bauleitverfahrens für die Photovoltaikanlage hat schon über ein Jahr gedauert. Den könnte man deutlich schlanker gestalten“, sagt Simon Ruckinski, Head of Operations bei Qair. Das sei keine Rocket-Science, da würden wie bereits seit 20 Jahren Stahlträger in den Boden gerammt. Das habe das Bundeswirtschaftsministerium mittlerweile erkannt. „Wir gehen davon aus, dass sich das in einem für den Sommer angekündigten Gesetzespaket widerspiegeln wird.“
Einfach war auch die Umsetzung des Projektes nicht: So musste ein sogenanntes Blendgutachten angefertigt werden, weil befürchtet wurde, dass Reflexionen auf der Oberfläche der Solarmodule die Lokführer auf der nahen Bahnstrecke irritieren könnten. Herausfordernd waren zudem Überschwemmungen auf der Fläche während des Baus. Drainagegräben mussten gelegt werden, um das Problem in den Griff zu kriegen.
Der Wiese wurde übrigens viel Aufmerksamkeit gewidmet. Sie soll nicht einfach unter den Solaranlagen brachliegen, sondern wird künftig von den eigens dafür angeschafften Schafen eines Flächenverpächters besiedelt. „Damit nicht genug“, betont Polhaus. „Mit Biodiversität auf der Wiese, einem Eidechsen- und einem Insektenhotel tun wir etwas für den Artenschutz dort.“