Urban-PV ist ein Konzept, das zunächst aus dem Bedürfnis entstanden ist, regenerativen Strom in Siedlungsgebieten zu erzeugen, überwiegend auf versiegelten Flächen. In Gebieten also, in denen 70 Prozent der deutschen Bevölkerung leben und arbeiten und in denen der Bedarf an Elektrizität durch den zwingend notwendigen Ersatz fossiler Brennstoffe im Verkehr und in den Gebäuden stetig wächst.
Der Vorteil solch dezentraler Photovoltaikkraftwerke liegt darin, dass der erzeugte Strom meist direkt ohne lange Leitungen genutzt oder in die Netze eingebunden werden kann. Selbst konservative Berechnungen gehen davon aus, dass das mögliche Potenzial bei herkömmlicher Flächennutzung mit etwa 60 Gigawatt immens ist. Bezieht man innovative Konzepte wie solche in diesem Beitrag kurz dargestellten Beispiele mit ein, ergeben sich Potenziale von weit über 100 Gigawatt. Das ist genug, um den Strombedarf der deutschen Haushalte zu decken oder um zehn Atomkraftwerke zu ersetzen.
Fläche doppelt nutzen
Der unmittelbare Nutzen ist aber nur ein Teilaspekt. Alle vorgestellten Beispiele haben einen doppelten Nutzen, indem sie Schutz vor Sonne und Niederschlag – Regen und Hagel – bieten und die Überhitzung großer versiegelter Flächen in Städten reduzieren. Hinzu kommt die visuelle Aufwertung von ansonsten oft sterilen Orten.
Der Handlungsbedarf der Kommunen ist genauso groß wie die Unsicherheit. Deshalb sollten in Normen unter anderem die Anforderungen an die Anlagen und die Module festgelegt werden. Dazu gehören die Statik der Bauwerke, die mechanische Belastung der Module, die elektrische Sicherheit der Anlagen, die Vermeidung von Blendung und andere. Dadurch können industriell vorgefertigte Teile verwendet werden, wodurch sich der Planungsaufwand und die Kosten reduzieren. Eine breite Akzeptanz kann durch die Integration von Musteranlagen in gut besuchten Veranstaltungen wie beispielsweise Gartenschauen erreicht werden.
100 Gigawatt Solarleistung können mit der konsequenten Nutzung von Flächen der Stadt- und Landschaftsarchitektur mindestens errichtet werden.
Anlagen finanzieren sich selbst
In einer ausführlichen Studie sind Kosten- und Ertragszahlen dargestellt. Diese finden Sie auf https://de.gridparityag.com/urbanpv. Die Berechnungen zeigen, dass sich Urban-PV-Anlagen in kurzer Zeit selbst finanzieren. Hier wird auch dargestellt, wie wenig unsere Stadtarchitektur den Herausforderungen des Klimawandels gewachsen ist.
Es fehlen überdachte Bereiche und kühle Räume. Beides kann durch die Integration von semitransparenten Photovoltaikdächern erreicht werden. Der erzeugte Strom kann direkt für die Schaffung von Kühlzonen aber natürlich auch für alle anderen Anwendungen verwendet werden.
Durch eine intelligente Integration von Urban-PV in die Stadtarchitektur können Städte resilienter gegen den Klimawandel werden und eine lebenswerte Umwelt gestalten. Die hier vorgestellten Beispiele und Fallstudien sind alle direkt umsetzbar. Es sind somit keine phantasievollen Ideenskizzen, deren Realisierung oftmals nicht wirtschaftlich möglich ist. Durch die Integration von robusten Pflanzensystemen werden die Ziele der Schaffung attraktiver urbaner Räume zusätzlich erreicht.
Integration in Bürokomplexen
Durch die Umsetzung der Urban-PV-Konzepte ergibt sich eine doppelte Nutzung der Fläche wie beispielsweise die Überdachung einer Haltestelle mit Solarmodulen und gleichzeitig eine zusätzliche ästhetische Aufwertung von Bereichen durch die Verwendung moderner semitransparenter Module.
Auf dies Weise können auch moderne Bürokomplexe mit mehreren verbundenen Gebäuden solar aktiviert werden. Denn will man die Lebensqualität urbaner Räume erhöhen, zum Beispiel durch die Reduzierung des Feinstaubs und die Vermeidung von Hitzeinseln, bietet sich die Gestaltung der Außenbereiche mit Photovoltaik und intensiver Bepflanzung an, wie im Bild unten dargestellt ist. Dadurch wird den Herausforderungen des sich wandelnden Klimas Rechnung getragen. Durch die Integration der semitransparenten Module in Übergängen sowie durch Beflanzungen entstehen Bereiche, in denen die Menschen selbst an heißen Sommertagen sich aufhalten und verweilen möchten. Betrachtet man neben dem offensichtlichen Mehrwert an Lebensqualität auch den energetischen Aspekt, ist die Bilanz ebenso überzeugend.
In den meisten Fällen finanziert sich der Mehraufwand durch die Verwendung des erzeugten Stroms in kurzer Zeit von selbst. Dies schließt auch die Kosten für die Bepflanzung und deren Bewässerung durch das von der Solaranlage gesammelte Regenwasser mit ein.
Zentraler Platz als Erholungszentrum
Typisch für viele Städte ist ein zentraler Platz mit verkehrsreichen Straßen an allen Seiten, die bisher wenig zum Verweilen einladen. Auch hier kommt es darauf an, durch Schattenbereiche und Bepflanzung die Temperatur im Sommer zu senken und während des Jahres Schutzzonen zu schaffen, wie im Bild oben links dargestellt. Die Agorainstallation in der Mitte ist ein ästhetisches Highlight. Gestaltungsalternativen könnten den Platz auch mit einer Bühne für Konzerte und andere Veranstaltungen erweitern.
Auch Obst- und Gemüsemärkte sind in vielen Fällen zentrale Einrichtungen. Unser Beispiel zeigt die Möglichkeit, durch Photovoltaikinstallationen Strom zu gewinnen, der direkt für Beleuchtung und Kühlung aber auch für ein zentrales Kühlhaus verwendet oder eingespeist werden kann.
Durch eine intelligente Integration von Urban-PV in die Stadtarchitektur können Städte resilienter gegen den Klimawandel werden und eine lebenswerte Umwelt gestalten.
Begrünung mit Photovoltaik
Die Verbindung von Photovoltaik mit grünen Elementen wertet die Dachflächen von Wohnanlage deutlich auf. Unser Beispiel auf dem Bild oben rechts produziert genug Strom, um alle 18 Wohnungen des Blocks zu versorgen. Photovoltaik und Pflanzensysteme ermöglichen zudem die Schaffung eines grünen Lebensraums auf den 500 Quadratmetern Grundfläche einer sonst ungenutzten Dachanlage.
Haltestellen und Bahnhöfe
Haltestellen sind wie kleine Inseln in den Städten, denen mehr Funktionen zugewiesen werden können als bisher. Besteht der Zugang zu Elektrizität durch auf dem Dach montierte Solarmodule, so kann der Strom für die Beleuchtung und für Informationstafeln gewonnen werden. Durch Bewegungsmelder wird das Licht intensiviert, sobald sich Personen im Wartebereich befinden. Der Strom kann auch für die Wegbeleuchtung verwendet werden. Bei einem Inselbetrieb mit Batterien besteht Sicherheit auch im Falle eines Blackouts.
Solar überdachte Parkplätze
Die Photovoltaiküberdachung von größeren Parkplätzen ist durch Bauordnungen in fast allen Bundesländern inzwischen Pflicht. Diese Pflicht kann auch kreativ erfüllt werden. Damit wird auch der durch die E-Mobilität sich verändernden Funktion von Parkplatzflächen Rechnung getragen. So kann in einen Pendlerparkplatz ein Erholungsbereich mit einem Kiosk und einer Verweilzone integriert werden, wie auf dem Bild in der zweiten Reihe links gezeigt wird. Hier können die Pendler, die in den Zug umsteigen, Zeitung lesen oder einen Kaffee trinken, um die Wartezeit zu überbrücken. Zusätzlich bekommen sie Informationen zu den Zügen wie eventuelle Verspätungen. Auch das Warten auf freie Ladeplätze wird dann weniger belastend.
Mit der Umsetzung von solchen Konzepten wird Urban-PV zu einem neuen Anwendungsbereich der Photovoltaik, für den es bisher fast keine Beispiele gibt. Die vorgestellten Beispiele sind Denkanstöße für Kommunen, Architekten und Investoren. Stromerzeugung durch Photovoltaik in der Nähe des Verbrauchs ist die günstigste Art der Energiegewinnung. Die Solarpflicht zwingt Bauherren schon heute, dies zu berücksichtigen. Wenn in die Überlegungen auch der Schutz vor den Klimaveränderungen mit einbezogen wird, dann erhält Urban-PV die Bedeutung, die ihr zusteht.