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Wohnung teilen, Auto teilen, Energie teilen

Energy-Sharing ist ein internationales Trendthema mit vielversprechenden Möglichkeiten, um die dezentrale Energiewende voranzubringen. Dabei geht es um das lokale Teilen von lokal erzeugtem Strom. Es erweitert die Optionen, sich unkompliziert am Ausbau erneuerbarer Energien zu beteiligen und direkt davon zu profitieren. Mit Energy-Sharing können Bürgerinnen und Bürger zum Beispiel Solaranlagen in ihrer Umgebung mitfinanzieren, die Sonne selbst ernten oder anderen den nicht genutzten Strom unbürokratisch verkaufen. Dadurch steigt wiederum der Anreiz, mehr Photovoltaikmodule auf den Dächern zu installieren und erneuerbare Energie direkt vor Ort zu nutzen. Zwar gibt es auch heute schon vielerorts Beteiligungsformen an Wind- oder Solarparks durch Bürgerenergiegesellschaften, doch kann der erzeugte Strom nicht selbst genutzt werden. So können sie nur wenig zur Akzeptanzsteigerung der Energiewende beitragen.

Wie sieht die Energy-Sharing-Landschaft derzeit in Deutschland aus?

Erfreulicherweise hat die EU mit ihrer soeben beschlossenen Strommarktreform ein Recht auf Energy-Sharing beschlossen und auch die Bundesregierung hat in ihrer Photovoltaikstrategie angekündigt, ein Konzept vorzulegen. Grundsätzlich gibt es in der EU und auch innerhalb der deutschen Verbändelandschaft zwei Ansätze für Energy-Sharing, die sich gegenseitig nicht ausschließen. Der regionale Ansatz ist eine Weiterentwicklung der bereits bestehenden Bürgerenergiegesellschaften. Konsumenten, welche sich finanziell an einem Windpark beteiligen, werden mit einer Prämie belohnt, wenn sie den Strom dann nutzen, wenn er erzeugt wird. Ein solches Konzept schlagen beispielsweise der Bundesverband Erneuerbare Energie und der Deutsche Genossenschafts- und Raiffeisenverband vor und auch in Italien wurde ein solches Modell bereits umgesetzt. Dieser Ansatz schafft Akzeptanz, denn Bürger erhalten einen direkten finanziellen Vorteil davon, wenn sie in der Nähe eines Windparks wohnen.

Stromerzeugung dort, wo sie gebraucht wird– in der Stadt

Das zweite, noch stärker lokale Konzept nimmt vor allem die unzähligen innerstädtischen Dachflächen in den Blick: Durch reduzierte Netzentgelte wird lokal produzierter Strom günstiger und durch vereinfachte Lieferantenpflichten wird es attraktiv, seinen Strom mit den Nachbarn zu teilen. Für die Zeiten, in denen das nicht ausreicht, wird die Energie von einem Reststromlieferanten bezogen. In diesem Konzept ist es vor allem wichtig, dass die Teilnehmer komplementäre Erzeugungs- und Verbrauchsprofile haben, damit möglichst viel lokal genutzt werden kann. Solch ein Ansatz kann auch den Druck auf den Netzausbau reduzieren, da durch den lokalen Ausgleich von Erzeugung und Verbrauch weniger Lastspitzen in die höheren Netzebenen abgegeben werden müssen. In Portugal ist das schon heute Realität und ein ähnliches Konzept hat auch der Bundesverband Neue Energiewirtschaft gemeinsam mit innovativen Unternehmen erarbeitet.

Müssen die Energiewende vor Ort so einfach wie möglich umsetzen

Lokales Energy-Sharing füllt die Lücke zwischen Eigenverbrauch und Bürgerenergiegesellschaften. Es ist eine Lösung für alle, die nicht selbst erzeugen und sich nicht in einer Gesellschaft oder Genossenschaft engagieren möchten. Es ist räumlich begrenzt auf die Nachbarschaft und die Netzebenen Niederspannung und Mittelspannung. Haushalte, Unternehmen und öffentliche Einrichtungen beteiligen sich so aktiv an der gemeinsamen Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen und teilen Strom über das Netz der öffentlichen Versorgung lokal. Das kann ein Supermarkt mit einer großen Photovoltaik-Dachanlage sein, der Solarstrom an benachbarte Ladesäulen liefert, oder auch Bewohner eines Quartiers, die gemeinsam eine Großwärmepumpe zur Wärmeversorgung mit dezentralem Photovoltaikstrom betreiben. Ausgeschlossen sind lediglich Unternehmen, deren primärer Zweck ohnehin die Energieversorgung ist.

Ein großer Vorteil ist, dass die Teilnehmer nicht zwingend eine eigene Rechtsform benötigen, sondern sie treffen private Vereinbarungen und werden von bestimmten Lieferantenpflichten entbunden. Da sie den Strom selbst nutzen und nicht in den Energiemarkt einspeisen, erhalten sie im Gegenzug auch keine EEG-Einspeisevergütung. Robert Busch, Geschäftsführer des Bundesverbands Neue Energiewirtschaft, betont: „Die Abrechnung für die lokalen Gemeinschaften muss so einfach wie möglich sein. Unser Modell erlaubt außerdem, dass Netzbetreiber und Stromlieferanten sicher und verlässlich Strommengen ausgleichen und beschaffen können.“ Demnach übernimmt ein „Energy-Sharing-Koordinator“ die Marktkommunikation und die energiewirtschaftliche Abrechnung. So bleibt Energy-­Sharing kein Pilotprojekt für wenige, sondern ist überall umsetzbar und für jedermann zugänglich.

Was braucht Energy-Sharing noch?

Die Technologien, um Energy-Sharing umzusetzen, sind bereits vorhanden, aber noch nicht ausreichend verbaut: Echte, leistungsfähige Smart Meter und eine funktionierende Datenkommunikation zwischen Energy-Sharing-Akteuren, weiteren Energiemarktteilnehmern und Netzbetreibern sind dabei ein zentraler Baustein. Gerade bei der Digitalisierung der Energiewende hinkt Deutschland im internationalen Vergleich hinterher. Zwar gibt es bereits Konzepte für virtuelle Bilanzkreise, mit denen man die Strommengen in komplexen Energy-Sharing-Gruppen zuordnen und abrechnen kann, aber auch sie bauen auf das Vorhandensein von Smart Metern auf. Pilotprojekte in Bakum und Wunsiedel testen lokales Energy-­Sharing bereits und signalisieren: Wenn man seine Wohnung und sein Auto teilen kann, warum sollte es dann nicht auch mit Strom gehen? Energy-­Sharing kann so helfen, das Betriebssystem der Energiewende für die Vor-Ort-Versorgung zu entwickeln und bestehende Ansätze zu integrieren.

Flavia Röhrs
Referentin für dezentrale Erzeugung beim Bundesverband Neue Energiewirtschaft

Foto: Bundesverband Neue Energiewirtschaft e.V.

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