Zeitliche Betriebsbeschränkungen von Windenergieanlagen, sogenannte Abschaltauflagen, sind ein verbreitetes Instrument, um deren Genehmigungsfähigkeit sicherzustellen. Den Betreibern wird vorgeschrieben, den Betrieb ihrer Anlagen zu bestimmten Zeiten zu drosseln, um so die Auswirkungen auf bestimmte Schutzgüter wie Mensch und Tier zu minimieren. Sie sind in der Regel in Nebenbestimmungen im Genehmigungsbescheid geregelt.
Für den Windenergieausbau haben solche Auflagen zwei Seiten: Einerseits stellen erst sie die gesetzlichen Anforderungen an bestimmten Standorten sicher. Mit Blick auf den notwendigen Windenergieausbau können so auch konfliktreichere Standorte erschlossen werden. Andererseits begrenzen sie die Ausnutzung der technisch möglichen Erzeugungskapazitäten und damit die erreichbaren Volllaststunden der jeweiligen Anlage. Für den einzelnen Anlagenbetreiber sind sie nicht zuletzt eine betriebswirtschaftliche Fragestellung. In Summe sind sie jedoch eine Herausforderung für die Produktion derjenigen Strommengen durch Windenergie, die nötig sind, um den für erneuerbare Energien insgesamt im Erneuerbare-Energien-Gesetz vorgesehenen Strommengenpfad zu erreichen. Je größer die Strommengen sind, die über solche Betriebsbeschränkungen verloren gehen, umso mehr Leistung muss insgesamt durch weitere Anlagen zugebaut werden, um die notwendigen Strommengen doch noch zu erreichen.
Was gesellschaftlich gewollt ist, muss politisch entschieden werden: Mehr Anlagen, die weniger laufen, oder lieber weniger Anlagen, die mehr laufen?
Was am Ende gesellschaftlich gewollt ist – mehr Anlagen, die weniger laufen oder weniger Anlagen, die mehr laufen – ist eine politische Entscheidung. Das Wissen darüber, welche Betriebsbeschränkungen zum Schutz welcher Güter und in welchem Umfang veranlasst werden, wie sich dies in der Genehmigungspraxis der Länder entwickelt und welche Veränderungen erwartbar sind, stellt ein wichtiges Steuerungswissen für den Gesetzgeber dar. Erst dieses Wissen ermöglicht es der Politik, in eine Bewertung des momentan geltenden gesetzlichen Ausgleichs der gegensätzlichen Interessen einzusteigen und über Veränderungen im rechtlichen Rahmen nachzudenken. Dies betrifft etwa Veränderungen, wie sie befristet angesichts der nun für beendet erklärten Versorgungskrise gestattet und in Form von temporären Abweichungen von Abschaltauflagen zum Schutz gegen Lärm und Schattenwurf immissionsschutzrechtlich umgesetzt wurden.
Erste umfangreiche Studie zum Thema
Auf der Grundlage einer Auswertung von Genehmigungen für 1.607 Windenergieanlagen mit insgesamt 4.777,5 MW installierter Leistung im Zeitraum zwischen 2014 und 2019 hat ein Forschungsteam der Stiftung Umweltenergierecht in einer aktuellen Studie erstmals umfassend Erkenntnisse dazu aufgezeigt. Die Daten zeigen, dass über den erfassten Zeitraum hinweg relativ konstant 94 Prozent der Windenergieanlagen mit Betriebsbeschränkungen versehen wurden. Auch in der Vergangenheit war nahezu jede Anlage hiervon betroffen.
Die größte Bedeutung hatten im betrachteten Zeitraum artenschutzbedingte Auflagen, die insgesamt 75 Prozent der Anlagen betrafen und dabei von Nord- nach Süddeutschland ab den Mittelgebirgslagen deutlich zunahmen. Überwiegend dienten sie dem Schutz von Fledermäusen (71 Prozent), bei lediglich 33 Prozent dem Schutz von Vögeln, wobei sich hiervon rund die Hälfte auf den Schutz von Rotmilanen bezieht (17 Prozent). In ihrer Bedeutung folgten dem Artenschutz Beschränkungen zur Begrenzung von Schattenwurf (68 Prozent), Eiswurf (53 Prozent), Lärm (39 Prozent) und Turbulenzwirkungen (9 Prozent). Beschränkungen wegen Vogel- und Fledermausschutz sowie Lärmschutz und Turbulenzwirkungen nahmen im betrachteten Zeitraum dabei tendenziell zu. Nur Beschränkungen gegen Eiswurf reduzierten sich, was auf Lösungen wie beheizbare Rotorblätter zurückzuführen sein dürfte.
Eine Quantifizierung der verlorengegangenen Strommengen durch die Betriebsbeschränkungen ist auf Grundlage der Studie jedoch nicht möglich. Hierfür bräuchte es Betreiberdaten für konkrete Standorte. Um dem Gesetzgeber eine ausreichende Grundlage zu geben, braucht es deshalb weitere Untersuchungen. Wir konnten nur den ersten Schritt gehen und wollen eine Diskussion über die Bedeutung solcher Auflagen anstoßen. Als Mitautor der Studie und Forschungsgebietsleiter bei der Stiftung Umweltenergierecht möchte ich das betonen.
Konflikte könnten auch ohne längere Betriebsbeschränkungen technisch gelöst werden. Dies wird zum Beispiel für Konflikte zwischen der Windenergienutzung und Greifvögeln prognostiziert, da hier mit Kamerasystemen und lediglich kurzfristigen Abschaltungen gearbeitet werden kann. Bislang werden solche Systeme insbesondere von Seiten des Naturschutzes gefordert, während viele Projektierer noch zurückhaltend sind und wirtschaftliche Einbußen durch übermäßige Abschaltungen fürchten. Aufgrund der zunehmenden Realisierung von Windenergieanlagen auch an Standorten mit höherer Konfliktdichte dürften Betriebsbeschränkungen – bei gleicher Rechtslage – voraussichtlich weiter zunehmen, wenn keine spezifischen Lösungen etabliert werden. Durch die geplante Umsetzung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie und die Einführung sogenannter Beschleunigungsgebiete könnte sich der rechtliche Rahmen zwar zeitnah wandeln und die Durchsetzungsfähigkeit von Windenergievorhaben in bestimmten Bereichen erhöhen. Für eine Prognose dazu, wie sich diese anstehenden Veränderungen auf Abschaltauflagen auswirken werden, ist es aber noch zu früh. Das Thema bleibt aktuell und könnte die Politik noch beschäftigen.