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Ein neues Kapitel für das Engpassmanagement

Bei Verteilnetzbetreibern und einigen Verbänden hat die Bundesnetzagentur für großes Aufsehen gesorgt, als sie im vergangenen Jahr die Neuregelungen zu §14a EnWG in den Festlegungsverfahren BK6-22-300 und BK8-22/010-A beschlossen hat. Damit wird die netzorientierte Steuerung von elektrischen Verbrauchern in der Niederspannung geregelt. Die neue Regelung ist Anfang dieses Jahres in Kraft getreten. Sie ist damit die erste umfassende Regulatorik für das verbrauchsgetriebene Engpassmanagement in der Niederspannung und stellt einen Kontrast zu der einspeisegetriebenen 70-Prozent-Regelung für PV-Anlagen dar, die seit dem EEG 2023 weggefallen ist. Mit der neuen Regelung zu §14a EnWG kann der Verteilnetzbetreiber bei Erkennung eines Engpasses als Ultima-Ratio den Leistungsbezug von gewissen Verbrauchern „dimmen“ und damit die Netzbelastung reduzieren. Im Gegenzug zahlt der Betreiber bzw. Besitzer des Verbrauchers ein vermindertes Netzentgelt auf seinen verbrauchten Strom. Dies ist unabhängig davon, ob eine Reduktion tatsächlich stattfindet. Mit der Neuregelung darf der Anschluss einer solchen steuerbaren Verbrauchseinrichtung im Gegenzug nun nicht mehr vom Netzbetreiber wegen mangelnder Netzkapazitäten abgelehnt werden. Dies schafft Planungssicherheit für die Verbraucher und fördert durch die verbesserte Integration nachhaltiger Technologien die Energiewende.

Im Gegenzug zahlt der Besitzer des Verbrauchers ein vermindertes Netzentgelt.

Wer ist betroffen?

Betroffen von der Neuregelung sind grundsätzlich Wärmepumpen, private E-Kfz-Ladeeinrichtungen, Anlagen zur Raumkühlung und Stromspeicher, die Leistung aus dem Netz beziehen. Die Teilnahme ist verpflichtend für Anlagen mit Inbetriebnahmedatum nach dem 01.01.2024 mit einer Nennleistung von mehr als 4,2 Kilowatt (kW). Verbrauchseinrichtungen, die in der Vergangenheit nach §14a EnWG angemeldet wurden und zu einer der vier Gruppen zählen, müssen bis zum 01.01.2029 auf das neue Modell wechseln. Für eine Anlage, die vor 2024 in Betrieb gegangen ist und nicht nach §14a EnWG angemeldet wurde, ist der Wechsel freiwillig.

Grundsätzlich sollen alle betroffenen Anlagen in dem Netzbereich, in dem der Engpass vorliegt, diskriminierungsfrei „gedimmt” werden. Die Intensität des Dimmens muss dabei geeignet sein, den Engpass zu beseitigen, gleichzeitig darf sie aber nicht Verbraucher unnötig drosseln. Es gilt also der Grundsatz: „So viel wie nötig, so wenig wie möglich“. Auch beim Dimmen wird eine Mindestbezugsleistung garantiert, auf die der Betreiber bis zu einem gewissen Grad Einfluss hat.

Betreiber von §14a-Anlagen können sich für eine von zwei Ansteuerungsarten entscheiden: Die Direktansteuerung oder die Steuerung mittels Energiemanagementsystem. Bei der Direktansteuerung beträgt die Mindestbezugsleitung grundsätzlich 4,2 kW pro Anlage. Ausnahmen gibt es für Wärmepumpen und Klimaanlagen. Wenn mehrere Wärmepumpen oder Klimaanlagen an einem Netzanschlusspunkt sind, werden die Nennleistungen addiert und als eine Wärmepumpe und eine Klimaanlage behandelt. Die Mindestbezugsleistung beträgt dann jeweils 40 Prozent der addierten Nennleistungen.

Bei der Steuerung mittels Energiemanagementsystem liegt der entscheidende Unterschied darin, dass der Netzbetreiber nur den netzwirksamen Leistungsbezug am Netzanschlusspunkt begrenzt. Wie die Reduzierung umgesetzt wird, kann der Betreiber über das Energiemanagementsystem selbst entscheiden. Das heißt zum Beispiel, dass eine Wärmepumpe ungedimmt weiterlaufen kann, wenn dafür die Wallbox voll abgeregelt oder eine Batterie für die Lastabdeckung herangezogen wird. Sinnvoll ist diese Ansteuerungsart vor allem für PV-Anlagenbesitzer (gegebenenfalls mit Batterie) und kann sich auch für Verbraucher lohnen, die mehrere §14a-Anlagen hinter einem Netzanschlusspunkt betreiben.

Wann darf der Netzbetreiber steuern?

Damit der Netzbetreiber steuern darf, muss er mittels einer Netzzustandsschätzung einen Engpass erkennen, wobei einige Mindestanforderungen an die Messdurchdringung gelten, die bis spätestens 2029 umgesetzt sein muss. Das ist eine größere Herausforderung, die aber durch den Smart-Meter-Ausbau unterstützt werden kann. Nach Erkennen des Engpasses müssen innerhalb von fünf Minuten die Steuerungsmaßnahmen verschickt werden, um den Engpass zu lösen. Der Netzbetreiber darf die Anlagen übergangsweise auch in reduziertem Umfang präventiv steuern, wenn er auf Basis von Berechnungen einen Engpass prognostiziert. Dann müssen die entsprechenden Messeinrichtungen aber innerhalb von zwei Jahren realisiert werden. In jedem Steuerungsfall muss der Netzbetreiber dies in seiner weiteren Netzausbauplanung berücksichtigen und unverzüglich andere mögliche Maßnahmen prüfen.

Wie sieht die Entgeltreduzierung aus?

Mit den Regelungen zu §14a EnWG wurden neue Modelle für die Netzentgeltreduzierung gebildet. Betreiber haben die Wahl: Das erste Modul, das Standardmodul, beinhaltet eine pauschale Netzentgeltreduzierung, die je nach Netzbetreiber verschieden hoch ausfällt. Das Modell ist am ehesten für Wallboxen-Betreiber geeignet. Das zweite Modul, die prozentuale Reduzierung des Arbeitspreises des Netzentgeltes, entspricht weitgehend dem Entgeltmodell vor 2024 und soll für Wärmepumpenbetreiber attraktiv sein. Das dritte Entgeltmodell kann nur zusammen mit dem ersten Modul gewählt werden und beinhaltet ein zeitvariables Netzentgelt, das preisliche Anreize setzt, um zum Beispiel Ladevorgänge von E-Kfz in Zeiten niedriger Netzauslastung zu schieben. Es steht ab 2025 zur Auswahl.

Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass es mit den Neuregelungen zu §14a EnWG die erste umfassende Regulatorik für das verbrauchsgetriebene Engpassmanagement in der Niederspannung gibt. Die Bundesnetzagentur sieht den Bedarf an zusätzlicher Regulatorik und strebt die Balance zwischen Netzbetreibern und Endkunden an. Erste Dienstleister bieten Softwarelösungen zu §14a EnWG an. Inwiefern der nötige Messtechnikausbau bis 2029 umsetzbar ist, wird sich zeigen.

Johannes Heid,
Fachbereich Elektrotechnik/Informatik, Universität Kassel Und: Bereich Netzplanung/Netzbetrieb, Fraunhofer IEE

Foto: Universität Kassel

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