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Auf ein Wort

Strompreisbremse: unklar und wider die Energiewende

Der Begriff Strompreisbremse spiegelt die Diskussion und zugleich auch die energiepolitische Flickschusterei wider, die die aktuelle Energie- und Klimapolitik kennzeichnet.“ 2013 stand dieser Satz in der Aprilausgabe der Zeitschrift für Umweltrecht. Das Strompreisbremsegesetz (StromPBG) macht ihn wieder aktuell.

Ausgerechnet Peter Altmaier war damals Umweltminister. Den Erneuerbaren bescherte der Minister durch seine Strompreisbremse einen beispiellosen Einbruch, indem er die Vergütung gesenkt hat. Rund 70.000 Arbeitsplätze gingen in der Photovoltaik-Branche verloren, Solarfirmen meldeten reihenweise Insolvenz an, die Module kommen heute aus Fernost.

Droht nun ein ähnliches Szenario wie beim altmaierschen Kahlschlag? Das Strompreisbremsengesetz lässt sich mit einer EEG-Umlage in umgekehrter Fließrichtung beschreiben. Aber anders als im EEG subventionieren die Erzeuger jetzt den Verbrauch, anstatt dass die Verbraucher die klimafreundliche Erzeugung bezuschussen.

Preisgünstiger grüner PPA-Strom wird so zu teurem Börsenstrom.

Komplizierter Dreischritt

In welcher Höhe Anlagenbetreiber die Preisbremse mitfinanzieren müssen, regelt das StromPBG in den Paragraphen 13 bis 18. Zuerst wird ein „fiktiver Erlös“ für Erzeugungsanlagen festgelegt. Bei Wind und Solar ist das der Monatsmarktwert. Der Gesetzgeber unterstellt, dass sämtlicher Strom zum Börsenpreis verkauft wurde.

Dann werden sogenannte Referenzkosten und Sicherheitszuschläge festgeschrieben. Bei Regenerativanlagen entsprechen die Referenzkosten dem garantierten Mindesterlös der Anlage. Hinzu kommt ein Sicherheitszuschlag, der Härten ausgleichen soll und den Anlagenbetreibern eine kleine Marge belässt. Im dritten Schritt werden vom „fiktiven Erlös“ die addierten Referenzkosten und Sicherheitszuschläge abgezogen. Die Differenz ergibt den „Überschusserlös“, von dem die Anlagenbetreiber 90 Prozent abführen müssen.

Ein Beispiel: Liegen der Monatsmarktwert bei 30 ct/kWh, die Referenzkosten bei 7 ct/kWh und der Sicherheitszuschlag – wie bei den meisten Erneuerbaren – bei 3 ct/kWh, ergibt sich eine Differenz von 20 ct/kWh. Hiervon muss der Betreiber 90 Prozent abführen: 18 ct/kWh. So verbleiben ihm 7 ct/kWh Referenzkosten, 3 ct/kWh Sicherheitszuschlag und 10 Prozent der Überschusserlöse, hier 2 ct/kWh. Also 12 ct/kWh; mit 18 ct/kWh finanziert er die Strompreisbremse.

Ein-MW-Grenze: WEA zusammenfassen?

Unterkomplex ist das nicht. Und das StromPBG wirft weitere Fragen auf. So sind Erneuerbaren-Anlagen mit einer installieren Leistung von bis zu einem Megawatt (MW) von der Anwendung ausgenommen. Da stellt sich die Frage der Anlagenzusammenfassung. Im EEG wäre dies in § 24 EEG geregelt, auf den das StromPBG auch in § 13 verweist. Der Verweis beschränkt sich allerdings auf § 24 Abs. 1 EEG. Die Anlagenzusammenfassung für PV-Freiflächen und Windkraftanlagen nach § 24 Abs. 2 EEG würde so keine Anwendung finden. Ob dies gesetzgeberisch gewollt ist, erscheint zweifelhaft.

Ähnliche Probleme bei der Biomasse. Hier liegt der Schwellwert für die Abschöpfung bei einem MW Bemessungsleistung, nicht einem MW installierter Leistung. Es geht also um die tatsächlich produzierten Energiemengen. Darf man die Anlage einfach abregeln, um unter der Bagatellgrenze zu bleiben?

Einzelne PPA-Anbieter zahlen drauf

Problematisch ist das Gesetz auch in Fällen, in denen die Betreiber mit ihren Erlösen unter den fiktiven Erlösen – also den Börsenstrompreisen – bleiben. Denkbar ist, dass ein Fixpreis-PPA zu 15 ct/kWh vereinbart wurde. Im Beispiel oben müsste der Betreiber 18 ct/kWh abführen und würde mit jeder kWh 3 ct/kWh Verlust machen.

Die vorgesehene Ausnahme hängt aber von einem entscheidenden Stichtag ab. Der Stromverkaufsvertrag muss bis Ablauf des 31.10.2022 geschlossen worden sein. Ab dem 01.11.2022 können nur noch Neuanlagen den Preis ihres PPAs anstelle der Börsenpreise bei der Berechnung der Abschöpfungsbeträge ansetzen.

Kollateralschäden für H2 und Industrie

Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie die BNetzA, Ihren Netzbetreiber und Ihre Anwälte. Die Stichtagsregelung soll Umgehungsgeschäfte verhindern. Sie hat aber eine gravierende Konsequenz: Erneuerbare mit auslaufenden PPAs wandern wieder an den Spotmarkt ab, wo sie der Merit-Oder unterliegen. Preisgünstiger grüner PPA-Strom wird so zu teurem Börsenstrom und führt die Preisbremse ad absurdum. Den Kollateralschaden hat die Wasserstoffwirtschaft. Projekte zur Erzeugung grünen Wasserstoffs sind auf günstige Stromlieferverträge angewiesen. Für die Förderfähigkeit braucht der Wasserstoff zudem perspektivisch die Grünstromnachweise aus den PPAs.

Vor diesem Dilemma steht auch die energieintensive Industrie. Den Firmen stehen zwar unter Umständen auch Entlastungsbeiträge nach dem StromPBG zu, jedem Unternehmer dürfte aber ein eigenverantwortliches Wirtschaften lieber sein, als zum Bittsteller zu werden, der zugleich die strengen Vorgaben des europäischen Beihilferechts zu beachten hat.

Klagewelle im zweiten Halbjahr 2023?

Spätestens wenn in der zweiten Jahreshälfte die Fristen für die Selbstveranlagung durch die Anlagebetreiber ablaufen und die Zahlungen an die Netzbetreiber fällig werden, dürfte es zu einer Vielzahl von Streitigkeiten kommen. Zudem drohen erhebliche Bußgelder, bei vorsätzlicher Verkürzung des Abschöpfungsbetrages sind nach § 44 StromPBG sogar Gefängnisstrafen möglich

Diese Unsicherheiten dürften erhebliche Auswirkungen auf die Branche haben. Ob die Abschöpfung bei den Erneuerbaren überhaupt verfassungskonform ist, wird Karlsruhe zu entscheiden haben. Dem Verursacherprinzip entspricht sie nicht. Ein Umstand, der mir als Anwalt in der täglichen Praxis grundsätzliche Sorge bereitet.

Autor

Martin Maslaton,
er leitet die MASLATON Rechtsanwaltsgesellschaft in Leipzig und lehrt als Professor für Umweltrecht das Recht der Erneuerbaren Energien an der TU Chemnitz

Foto: Maslaton

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