Um die Kohlekraftwerke wie geplant schließen zu können und gleichzeitig den Atomausstieg zu beenden, müssen die Erneuerbaren bis 2023 etwa 46 Terawattstunden Strom zusätzlich produzieren. Andernfalls droht Deutschland eine Stromlücke. Das berichtet der Bundesverband Solarwirtschaft unter Berufung auf eine aktuelle Studie der Bonner Marktforscher von EuPD Research.
Ausbau im nächsten Jahr verdoppeln
Deshalb muss der Zubau der Photovoltaik viel schneller gehen als bisher. Der im EEG festgelegte Zubaukorridor von 2,5 Gigawatt pro Jahr reicht nicht mehr aus. „Zur Vermeidung einer Stromerzeugungslücke muss der jährliche Photovoltaikausbau von gegenwärtig rund vier Gigawatt im Jahr bereits 2021 auf acht Gigawatt verdoppelt und ab 2022 sogar auf zwölf Gigawatt verdreifacht werden. Verbleibt hingegen der gesetzlich festgelegte Zubau für Photovoltaik bei 2,5 Gigawatt pro Jahr ergibt sich bereits in 2023 eine Stromlücke“, fasst Martin Ammon, Geschäftsführer von EuPD Research, das zentrale Ergebnis der Untersuchung zusammen.
Energiesystem ist im Umbau
Carsten Körnig, Hauptgeschäftsführer des BSW Solar, appelliert deshalb an die Bundesregierung, die Ausbauziele im EEG entsprechend anzuheben. „Gleichzeitig müssen alle Marktbarrieren für die Solartechnik endlich weg“, fordert er. „Wer A sagt und zu Recht aus Atom- und Kohlekraft aussteigt und zugleich mehr Strom oder grünen Wasserstoff unter anderem in der Mobilität sehen möchte, der muss jetzt auch B sagen und den Ausbau erneuerbarer Energien beschleunigen.“ Entsprechend brauche man dringend verlässliche und klare politische Rahmenbedingen, ergänzt Markus Elsässer, Geschäftsführer von Solar Promotion und Veranstalter der Messe The smarter E Europe. „Nur dann entstehen für Industrie, Handwerk und Gewerbe neue Wachstumsmöglichkeiten und zukunftsfähige Geschäftsmodelle. Denn wir sind mitten in einem umfassenden Wandel der Energiesysteme“, betont er. (su)
Strombedarf steigt
Um zu berechnen, wie schnell der Ausbau der Photovoltaik gehen muss, haben die Bonner Analysten im Auftrag des BSW Solar und der Messe The smarter E Europe die Entwicklung des deutschen Strommarktes modelliert. Sie haben hier auch die Sektorenkopplung mit einbezogen. Das Ergebnis: Bis 2035 wird der Nettostromverbrauch in Deutschland von derzeit knapp 500 auf 572 Terawattstunden pro Jahr steigen. Bis 2040 prognostizieren die Marktforscher sogar einen Strombedarf von 880 Terawattstunden pro Jahr. Damit müssen die Erneuerbaren nicht nur den Strom produzieren, der bisher aus den fossilen Kraftwerken und Atommeilern kam. Sie müssen auch noch eine Nachfrage bedienen, die jeweils im Verlauf von fünf Jahren zwischen elf und 17 Prozent ansteigt.
Beim jetzigen Tempo fehlen 2023 etwa 46 Terawattstunden
Diese Lücke müssen die Ökostromanlagen füllen und entsprechend schnell muss der Ausbau gehen. Denn infolge des Atom- und Kohleausstiegs und aufgrund eines derzeit nur schwachen Nettoausbaus der Windenergie an Land werde die Stromerzeugung nach den Prognosen der Marktforscher spätestens in drei Jahren mit der anziehenden Stromnachfrage nicht mehr mithalten können. Trotz des stärkeren Zubaus von Windrädern in Nord- und Ostsee auf zwanzig Gigawatt in den kommenden zehn Jahren fehlen schon im Jahr 2023 mindestens 46 Terawattstunden, wenn die Photovoltaik nicht endlich schneller ausgebaut wird. Diese Stromlücke steigt beim derzeitigen Tempo des Ausbaus von Ökostromanlagen bis 2030 auf 77 Terawattstunden. Das sind immerhin zwölf Prozent des zu diesem Zeitpunkt erwarteten Strombedarfs.