Herr Reinert, für SMA lief das operative Geschäft im vergangenen Jahr nicht so gut wie erwartet. Grund ist vor allem der unerwartete Rückgang des Marktes in China. Wie schätzen Sie die Entwicklung in China für dieses Jahr ein – wird der Weltmarkt wieder vom Reich der Mitte abhängen oder relativiert sich das?
Jürgen Reinert: Anfang November 2018 hat die chinesische National Energy Administration (NEA) angedeutet, dass sie den Photovoltaikzubau auch weiterhin unterstützen wird. Da die ursprünglichen Ausbauziele für 2020 bereits überschritten wurden, steht nun zur Diskussion, die Ziele des 13. Fünf-Jahres-Plans auf 250 bis 270 Gigawatt zu erhöhen. Vor diesem Hintergrund haben wir unsere Prognose für den Zubau in China gerade nach oben revidiert. Wir erwarten 2018 einen Zubau von 39 Gigawatt und für die beiden Folgejahre jeweils 40 Gigawatt. China wird also auch weiterhin der weltweit größte Markt bleiben. Der Marktrückgang in China im vergangenen Jahr wirkte sich insofern negativ auf die Umsatzentwicklung von SMA aus, dass die chinesischen Modul- und Wechselrichterhersteller nach der Kürzung vermehrt auf die internationalen Märkte drängten und hier einen großen Preisdruck verursachten. In der Folge wurden Photovoltaikgroßprojekte in Erwartung noch niedrigerer Preise in dieses Jahr verschoben. Wir gehen davon aus, dass die Projekte in diesem Jahr umgesetzt werden und dass unser Umsatz 2019 wieder steigen wird.
Mit welcher Marktentwicklung rechnen Sie in diesem Jahr weltweit?
Insgesamt rechnen wir 2019 mit einem weltweiten Zubau von 113 Gigawatt, nach 99 Gigawatt im vergangenen Jahr. Während der chinesische Markt, wie bereits erwähnt, nach unserer Einschätzung nur leicht zulegen wird, rechnen wir außerhalb Chinas mit einem Marktwachstum um 20 Prozent.
Wo ist mit einer stärkeren Nachfrage nach Solaranlagen zu rechnen, wo schwinden die Chancen für die Photovoltaik?
Eine positive Entwicklung erwarten wir insbesondere in den lateinamerikanischen Ländern, in einigen europäischen Ländern wie Frankreich und Italien und der Ukraine, im Mittleren Osten, in Australien und Indien. In den USA rechnen wir mit einer stabilen Entwicklung. Schwindende Chancen sehen wir aktuell nirgendwo.
Welche Marktsegmente sehen Sie als die vielversprechendsten an?
Wir rechnen für dieses Jahr auf globale Sicht in allen Segmenten mit einem Wachstum. Nach unserer Einschätzung wird das Residential-Segment, also Anlagen bis zehn Kilowatt Leistung um 8 Prozent auf 13 Gigawatt wachsen, das gewerbliche Segment um 12 Prozent auf 28 Gigawatt und das Utility-Segment, also ab einem Gigawatt Anlagengröße, um 16 Prozent auf 72 Gigawatt.
In welchen europäischen Märkten sind die Rahmenbedingungen immer noch schlecht für die Photovoltaik, wo spüren Sie die größten Hürden?
In Großbritannien ist der Markt ja bereits mit den drastischen Förderkürzungen vor zwei Jahren nahezu zum Erliegen gekommen. Im größten europäischen Markt Deutschland erwarten wir zwar auch im kommenden Jahr eine weitgehend positive Entwicklung, der 52 Gigawatt-Förderdeckel, den wir voraussichtlich bereits Mitte 2020 erreichen werden, stellt jedoch eine klare Hürde dar. Außerdem werden nicht nur die im Koalitionsvertrag vereinbarten Photovoltaiksonderausschreibungen von zwei Jahren auf drei Jahre gestreckt, sondern auch die Förderung großer Aufdachanlagen massiv gekürzt.
Erste Länder Europas, wie jüngst Spanien, beginnen, die ersten Hürden für die Photovoltaik abzubauen. Wird es in den kommenden Monaten oder Jahren einen Trend hin zu einfacheren Rahmenbedingungen geben?
Wir gehen davon aus, dass die Rahmenbedingungen einfacher werden.
Worauf führen Sie das zurück– auf den Druck aus Brüssel zur Umsetzung der versprochenen Zubauziele oder auf die sinkenden Kosten für Solarstrom?
Ein wichtiger Treiber sind die Klimaziele, auf die sich sowohl Brüssel als auch die einzelnen EU-Staaten verpflichtet haben. Darüber hinaus sinken die Preise für die Photovoltaik auch weiterhin. Dadurch wird Solarenergie in immer mehr Regionen zur kostengünstigsten Stromquelle. In der Folge wird es für die Politik immer schwieriger, die Zubauraten zu beeinflussen.
Wird das ein Trend, der zu mehr Nachfrage in Europa führen wird?
Ja, wir erwarten in Europa auch über 2019 hinaus Wachstum.
SMA will sich stärker auf das margenstarke System- und Dienstleistungsgeschäft konzentrieren. Was bedeutet das? Wird SMA zum Systemanbieter oder ist das die stärkere Konzentration auf Innovationen wie das Ennex OS und die dazugehörige Kooperationen?
Beides. Wir werden zum einen in unserem Kerngeschäft segmentspezifische Systempakete mit unseren Wechselrichtern anbieten. Zum anderen werden wir ganzheitliche Lösungen inklusive digitaler Energiedienstleistungen, unter anderem auch durch unsere Tochtergesellschaft Coneva anbieten. Das Angebot reicht dabei vom Monitoring der Energieflüsse über die Optimierung der Energiekosten durch ein gezieltes Energiemanagement über alle Sektoren hinweg bis zur Einbindung in den Energiemarkt über die von uns entwickelte Energiemanagementplattform Ennex OS. Mit Ennex OS können wir die Komplexität im dezentralen Energiesystem der Zukunft beherrschen und einen entscheidenden Mehrwert für unsere Kunden schaffen. Zusätzlich werden wir unsere strategischen Allianzen für ganzheitliche Lösungen im Energiesektor in den kommenden Jahren gezielt weiter auf- und ausbauen.
Ein Grund für das gesunkene Ergebnis in diesem Jahr war auch der Preisverfall für Produkte aufgrund der geringeren Nachfrage. Mit welcher Preisentwicklung rechnen sie im kommenden Jahr?
Der insbesondere durch den Zusammenbruch des chinesischen Marktes getriebene Preisdruck wird sich auch im kommenden Jahr fortsetzen. Wir rechnen in allen Segmenten und Regionen mit einem Preisverfall von zehn bis 25 Prozent. Ab etwa 2020/2021 gehen wir von einer Entspannung bei den Preisen aus.