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Windexperten analysieren

Warum Windgutachten und Ertragsprognosen besser werden müssen

Beim Branchentag Windenergie NRW in Düsseldorf ging es - wie so oft in den vergangenen Monaten - einmal mehr schwerpunktmäßig um die nahenden Ausschreibungen, um das EEG 2016 und um die Energiewende 2.0. Auf breites Interesse stießen in diesem Zusammenhang Vorträge rund um die Themen Ertragsermittlung und Standortbewertung. Durch die künftigen Ausschreibungen in der Windkraft wachsen die Anforderungen an Wind- und Ertragsgutachten. Zum Beispiel spielt die Ertragsprognose eine wichtige Rolle bei der Abgabe eines Strompreisgebotes. Gibt es noch Potenzial zur Verbesserung der Gutachten?

Tjado Osten, zuständig für Projektprüfung bei der Deutschen Windguard Consulting GmbH in Varel,erläuterte seinen Zuhörern auf dem 8. Branchentag Windenergie NRW in Düsseldorf zunächstden prinzipiellen Aufbau von Energieertragsprognosensowie deren Unsicherheitskomponenten. In Deutschlandbasierten Ertragsermittlungen bisher im Wesentlichen auf den Daten vonsog. Vergleichsanlagen in der Umgebung des Planungsstandortes. Generell lassen sich die Unsicherheiten in Bezug auf die Winddatenquelle einer Ertragsprognose durch eine Windmessung am Standort - auf einem konventionellen Windmessmast oder auch mittels LIDAR -reduzieren. Beim Einsatz von SODAR als Windmessgerät können dagegen deutliche Abweichungen auftreten, wie Messungen auf dem WindGuard-Testfeldfür Fernmessgeräte zeigen. Der Aufwand im Falle der Durchführung von Windmessungen nimmt aber deutlich zu, insbesondere bei Installation eines hohen Messmastes. Der Zeitaufwand bei(mindestens) einjähriger Messung, wie in der FGW-Richtlinie "TR6" empfohlen, ist ebenfalls nicht zu verachten.

Beim Langzeitbezug der Winddaten müsse, betonte Osten, auf eine konsistenteLangzeitdatenquelle geachtet werden. Windmessdaten könnten sich etwa verändern, wenn die Messstation durch Bäume und Büsche zuwächst. Osten berichtete den Zuhörern weiter, dass auchdie heutzutage häufig verwendeten Reanalyse-Daten(z. B. MERRA, ConWx) phasenweise inkonsistentzu sein scheinen, wie detaillierte Datenvergleiche zeigen. Das sei aber ein regionales Problem, die Ursache noch nicht hinreichend bekannt. Nach seiner Erfahrungliegt die Abweichung beim Langzeitbezug bei bis zu 10 Prozentbezogen auf den Jahresenergieertrag. Andererseits sind der Genauigkeit des Langzeitbezugs jedoch auch natürliche Grenzen gesetzt: Infolge der Variabilität der Windbedingungen ist allein die in den Windgutachten getroffene Annahme, dass die (bekannten) Windbedingungen der letzten Jahre den (unbekannten) Bedingungen im zukünftigen Betriebszeitraum des Windparks entsprechen, mit einer nicht zu unterschätzenden Unsicherheit behaftet, so dass die Gesamtunsicherheit des Langzeitbezugs an deutschenOnshore-Standortenkaum unter sechs Prozent liegen kann.Sehr hohe Unsicherheiten können nach wie vor bei der Windfeldmodellierung auftreten, insbesondere an komplexeren oder bewaldeten Standorten.Um die Modellierungsunsicherheitenin solchen Fällen zu reduzieren, sollte der Wind direkt am Standort gemessen werden. Als praktikabler Kompromiss bietet sich eineLIDAR-Messung für drei bis sechs Monatean. Dafür müsse kein Mast errichtet werden. Diese Kurzzeit-Daten müssen - zeitlich hochaufgelöst - mit anderen geeigneten Winddaten aus der Region "zwischenkorreliert" werden und bilden dann eine gute Basis für die weiteren Berechnungen. Eine (mindestens) zwölfmonatige Messung bringt gleichwohl noch sicherere Ergebnisse. 

Peter Spengemann, bei der WPD Windmanager GmbH zuständig für die Koordinierung von Repowering-Vorhaben, hat sich in seinem Vortrag ebenfalls mit der Frage beschäftigt, welche Bedeutung Unsicherheiten im Windgutachten und Ertragsabweichungen im neuen EEG haben werden. Für ihn steht fest: Im komplexen Gelände muss gemessen werden. Auf Basis der Untersuchung zeigt sich dann, ausgehend vom 100-Prozent-Standort im neuen Referenzertragsmodell, welche Standortqualität vorliegt. Es gilt ein Vergütungsdeckel von 7 Cent pro Kilowattstunde bei einem 100-Prozent-Standort. Wobei Spengemann davon ausgeht, dass große Projektierer mit ihren Ausschreibungsgeboten darunter liegen werden.

Peter Spengemann erklärte, wie sich durch Neubewertung der Windgeschwindigkeiten und des Windprofils der Referenzertrag ändert. Er wies die Zuhörer in dem Zusammenhang darauf hin, dass es in Deutschland nicht viele 100-Prozent-Standorte gibt. Entsprechend sei die Klassifizierung bis zum 150-Prozent-Standort nicht sinnvoll. Die Standortqualität in Nordrhein-Westfalen sei zum Beispiel eher zwischen 60 und 90 Prozent zu finden. "120 bis 150 Prozent haben wir gar nicht, das ist eine fiktive Diskussion von Seiten des Bundeswirtschaftsministeriums", so der WPD-Mann.

Ein Thema, das die Zuhörer stark interessierte, ist die Nachuntersuchung der Energieerträge nach 5, 10 und 15 Jahren. Das heißt, Gutachten werden nach 5, 10 und 15 Jahren automatisch verifiziert. Das hat es bisher nicht gegeben. Der Nachweis der Standortgüte nach TR 6 geschieht durch akkreditierte Institutionen. Gegebenenfalls muss eine Anpassung des Korrekturfaktors durch den Netzbetreiber stattfinden. Dadurch werden eventuell Nachforderungen bei Abweichung über zwei Prozent fällig. Abweichungen von dem zuvor angegebenen müssen auf Basis dieser Untersuchungen durch externe Gutachter ausgeglichen werden. Das heißt, es gibt entweder eine Nachzahlung oder eine Rückzahlung wird fällig. Rückzahlung gehen an Netzbetreiber bei Euribor.

Till Schorer, Commercial Manager beim Dewi, erklärte, dass die eingespeiste und die fiktive Strommenge zusammen den tatsächlichen Standort ertrag ergeben. Fiktive Strommenge kommt zustande aufgrund technischer Nichtverfügbarkeit von mehr als 2%, wegen Teilnahme am Regelenergiemarkt, aufgrund von Einspeisemanagment und wegen sonstiger Abschaltungen und Drosselungen (z.B. optimierten Vermarktung, Eigenversorgung etc.). Er empfahl den Zuhörern in dem Zusammenhang, besser nach zwei Jahren bereits prüfen zu lassen, ob die Ertragsprognosen vor der Windparkinstallation korrekt war, oder ob man starke Abweichungen feststellt. Ein Planer aus dem Publikum erklärte darauf, er werde die Ertragsdaten sogar kontinuierlich prüfen, um keine böse Überraschung zu erleben. (Nicole Weinhold)