Nicole Weinhold
Seit Langem schon wird darüber spekuliert, wie die Ausschreibungen das Servicegeschäft beeinflussen werden. Der Kostendruck hat stark zugenommen. Das sei allerdings unabhängig von der Umstellung des Vergütungssystems, sagt Dörte Nölting, kaufmännische Leiterin des Windpark-Managements von Abo Wind: „Windparks, die noch die frühere EEG-Festvergütung erhalten, sind davon ebenso betroffen wie neue Projekte.“ Die Umstellung auf Ausschreibungen erscheine vielfach als Katalysator eines härteren Wettbewerbs. „In Anbetracht sinkender Tarife hinterfragen Betreiber zunehmend bestehende Wartungsverträge und übernehmen mehr Verantwortung für ihre Anlagen.“ Zugleich würden viele Anbieter ihre Servicepalette vergrößern.
Kosten sparen lautet die Devise. Eine Umfrage der Deutschen Windtechnik unter Betreibern zeigt, dass die Unternehmen weniger Geld für Wartung und Reparatur ausgeben wollen. Basic-Verträge sind entsprechend laut Umfrage stärker im Fokus, während das Interesse an der kostenintensiven Vollwartung sinkt. Genau diese war stets das Aushängeschild des Enercon-Service. Wie beurteilt der deutsche Marktführer die Veränderungen durch die Ausschreibungen? Zu unterscheiden sei bei dieser Frage die technische und die kaufmännische Sichtweise, so Unternehmenssprecher Felix Rehwald: „Die technische Notwendigkeit von Wartungen bleibt auch im Ausschreibungssystem erhalten.“ Allerdings erhöhe sich der Preisdruck. „Unsere Herausforderung ist es, noch effizienter zu werden, zum Beispiel durch die Einführung neuer Logistikkonzepte oder die Entwicklung wartungsfreundlicherer Anlagen.“ Kosten und Strukturen müssten sich an die neuen Gegebenheiten anpassen.
Auch Vestas sieht die Notwendigkeit für Anpassungen durch den erhöhten Kostendruck. „Investitionen in Kostenoptimierung, Digitalisierung, präventive Instandsetzung und Up-Tower-Repair-Lösungen rücken vermehrt in den Fokus“, so Bettina Brückner, Manager Service Contract Sales. Vestas will zudem neue Geschäftsfelder als Wachstumstreiber eröffnen, etwa das Multibrand-Service-Geschäft, wozu auch der Zukauf von Availon gehört. Unter anderem geht es zudem um Instandsetzungen oder Prüfungen mittels Angebot statt festen Vertragsarten.
Komponente überarbeiten und einlagern
Beim Serviceanbieter PSM ist Kostenreduktion ebenfalls ein Thema. Lange Jahre Erfahrungen im Wartungsbereich seien in intelligente und individuelle Instandhaltungskonzepte für Betreiber eingeflossen. „Ein Beispiel hierfür ist unser Instandhaltungskonzept für Großkomponenten, bei dem wir die Reparatur defekter Komponenten übernehmen, die Komponente einlagern und über einen Pool bei Bedarf den Betreibern von Windenergieanlagen zur Verfügung stellen“, erklärt Geschäftsführer Ian Paul Grimble. Das garantiert sehr kurze Stillstandzeiten der Windenergieanlagen und der PSM-Kunde zahlt nur die Kosten für die Reparatur seines Getriebes. Dafür erhält er sofort eine Großkomponente, zum Beispiel ein Getriebe mit der üblichen Gewährleistung. „Der zügige Einbau bringt dem Betreiber einen großen Kostenvorteil“, sagt Grimble.
Dörte Nölting sieht noch eine weitere Veränderung: „Um Kosten zu sparen, legen Betreiber zunehmend Betriebsführung und Wartung in die gleichen Hände.“ Das funktioniere allerdings nur, wenn das Serviceunternehmen Vertrauen verdiene und genieße. Schließlich verzichte der Betreiber auf eine Kontrollinstanz. „Dafür nimmt die Effizienz des Service zu, weil Einsätze gebündelt, redundante Tätigkeiten vermieden und das Berichtswesen synchronisiert werden.“
Individuelle Angebote für Altanlagen
Niedrige Vergütungspreise sind aber nicht nur für die neuen Windparks ein Problem. Viel diskutiert wird seit geraumer Zeit auch über Altanlagen, die ab 2020 aus der EEG-Vergütung fallen. Sollen diese Anlagen wirtschaftlich weiterbetrieben werden, dürfen Wartung und Reparatur nicht viel kosten.
„Bei Anlagen, die mehr als 20 Jahre auf dem Buckel haben, und nun für eine minimale Vergütung noch ein paar Jahre weiterlaufen, müssen Betreiber natürlich besonders darauf achten, größere Reparaturen zu vermeiden“, sagt Dörte Nölting. Ein Getriebetausch im 22. Betriebsjahr amortisiere sich in aller Regel nicht mehr. „Insofern bedürfen gerade solche Anlagen eines kompetenten Service. Der hat allerdings auch seinen Preis. Und da beißt sich die Katze in den Schwanz.“ Gerade in diesen Fällen gelte: Der billigste Service ist nicht zwangsläufig der ökonomischste. „Wir erleben eine verstärkte Nachfrage nach individualisierten Servicekonzepten“, so Nölting. Und da seien alle Varianten denkbar: vom Anlagenbetreiber, der nur einen abgespeckten Teilwartungsvertrag hat und vieles selbst betreut, bis hin zum Betreiber, der sämtliches Risiko durch die Bündelung von Dienstleistungen wie Service, Betriebsführung, Stromvermarktung, Gutachten an einen Anbieter auslagert und lediglich eine risikoärmere Restvergütung erhält.
70 Prozent der Kosten einer Altanlage entfallen laut Matthias Brandt, Vorstand der Deutschen Windtechnik, auf Service und Wartung. Für Betreiber, deren Anlagen keine EEG-Vergütung mehr erhalten, bietet Enercon derzeit eine spezielle Variante des Vollwartungskonzepts EPK an – oder alternativ einen reinen Wartungsvertrag. Weitere Angebote seien in Vorbereitung, so der Hersteller aus Aurich.
„Unser Ansatz dabei sind feste Arbeitspakete, die der Kunde bei Bedarf und in der jeweiligen Situation abfragen kann. Die Basis bleibt der Wartungsvertrag“, erklärt Vestas-Mitarbeiterin Bettina Brückner. Vestas verweist auf modulare Konzepte, welche die notwendige Basis für die Windenergieanlagen abdecken und optionale Zusatz-Maßnahmen wie Instandsetzung von Anlagenteilen beinhalten können. „Jeder Windpark wird individuell betrachtet; Chancen und Risiken werden mit den Betreibern besprochen“, sagt Brückner. Vestas biete maßgeschneiderte Konzepte.
Genau darin sieht auch Enercon derzeit einen Servicetrend. „Wir beobachten bereits seit einiger Zeit den Trend zu individuellen, auf die jeweiligen Kundenbedürfnisse maßgeschneiderten Serviceangeboten und stellen uns darauf ein“, so Rehwald.
Der Herstellerservice reagiert auf den Kostendruck durch Ausschreibungen und das auslaufende EEG mit abgespeckten, individuellen Konzepten. Zusätzliche Besuche auf der Turbine werden so gut es geht vermieden. Ist dadurch auf mittlere Sicht ein Verlust an Anlagenqualität zu befürchten? Das bleibt abzuwarten. Aber DWT-Mann Brandt stellt fest, dass die Windparks in Deutschland durch jahrelange feste EEG-Vergütung besonders gut in Schuss seien.
Enercon will der Gefahr eines Qualitätsverlusts mit gutem Service entgegenwirken. „Insbesondere unter den neuen, verschärften Rahmenbedingungen müssen wir unsere Kunden unterstützen und die Anlagen noch besser betreuen, um die Ausfallzeiten so gering wie möglich zu halten“, erklärt Rehwald. Aufgrund der geringeren Vergütung fielen Ausfallzeiten noch stärker ins Gewicht. „Unsere Aufgabe ist es, Wartungsstandards zu entwickeln, die effizienter und zielgerichteter sind. Das Wartungsniveau pauschal abzusenken, würde niemandem helfen.“
Vestas verweist darauf, dass der Großteil seiner Serviceflotte ein Vollwartungskonzept hat. „Eine Wartung ist je nach Anlagentyp immer gleich, egal ob Voll- oder Basiswartung.“ Der Unterschied liege in der Instandsetzung von Anlagenteilen und der jeweiligen Verfügbarkeitsgarantie der Betriebsbereitschaft der Anlage. „Anlagen innerhalb des EEGs haben einen eher größeren Vertragsumfang als Anlagen außerhalb des EEGs.“
Digitalisierung
Auch viele herstellerunabhängige Servicedienstleister blicken inzwischen auf einen jahrzehntelangen Erfahrungshorizont. Die Firma PSM gibt es seit 20 Jahren. Sie hat im Lauf der Zeit viele Trends im Service- und Wartungsgeschäft erlebt. „Große Veränderungen haben mit der Digitalisierung sowohl in der Anlagentechnik als auch in unserem Servicegeschäft stattgefunden“, so Ian Paul Grimble. Kommunikation und Absprachen zwischen den an einer Windenergieanlage arbeitenden Unternehmen und die Transparenz gegenüber dem Betreiber seien immer mehr in den Fokus gerückt. „Reagiert haben wir darauf zum Beispiel mit dem Kundenportal, einer Online-Plattform, in der PSM-Kunden eine übersichtliche Darstellung geplanter und spontaner Serviceeinsätze an ihrer Windenergieanlage sowie die dazugehörige Dokumentation in Echtzeit erhalten.“ Und Dörte Nölting von Abo Wind unterstreicht: „Tatsache ist, dass Serviceunternehmen – und mit ihnen die ganze Branche – nur dann bestehen können, wenn sie in Digitalisierung und Standardisierung investieren.“
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