Unmittelbar vor dem UN-Klimagipfel in Doha hat die Weltbank vor den dramatischen Folgen der Klimaerwärmung gewarnt. Mitte November veröffentlichte sie den Report „Turn Down the Heat“, der die Konsequenzen aus einer globalen Erwärmung um vier Grad Celsius aufzeigt. Im Sommer hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in Aussicht gestellt, dass es wahrscheinlich nicht gelingen werde, die Erwärmung auf zwei Grad Celsius zu begrenzen. Auf dem Klimagipfel in Bonn hatte sie davor gewarnt, dass die Temperaturen weltweit um vier Grad Celsius ansteigen könnten. Das sommerliche Treffen auf dem Petersberg war zur Vorbereitung der Klimakonferenz in der kommenden Woche gedacht.
Ein dramatisches Bild
Der aktuelle Report der Weltbank stützt sich auf Analysen des Potsdamer Zentrums für Klimafolgenforschung. Die Autoren zeichnen ein dramatisches Bild, das angesichts der galoppierenden Emissionen sogar noch untertrieben sein dürfte. „Keine Nation wird von den katastrophalen Folgen der Klimaerwärmung verschont bleiben“, schreiben die Forscher um Hans-Joachim Schellnhuber. „Allerdings wird es die ärmsten Regionen der Welt am härtesten treffen.“ Denn in den Tropen werde sich die Klimaerwärmung deutlicher ausprägen als beispielsweise in den gemäßigten Breiten des Nordens, wo die meisten Industrieländer liegen. Die Hitze und Wassermangel werden die Verwüstung der Tropen forcieren, angrenzende Areale werden durch Versteppung und Übersalzung bedroht. Auch werde der Wasserspiegel der Ozeane in den Tropen um 15 bis 20 Prozent höher ansteigen als im globalen Durchschnitt. Die Zahl und Wucht tropischer Stürme wird zunehmen und die Landwirtschaft in diesen Regionen zusätzlich zum Wassermangel und der Hitze ruinieren. Stellenweise könnte die Temperatur sogar um zehn Grad Celsius steigen.
Emissionen wachsen weiter
Die Wissenschaftler haben analysiert, dass der Anteil von Treibhausgasen in der Atmosphäre weiter ansteigt. So ist China mittlerweile zum weltgrößten Emittenten von Kohlendioxid aufgestiegen und hat die USA auf den zweiten Platz verwiesen. Allerdings sind die Pro-Kopf-Emissionen in den Vereinigten Staaten höher. Noch höher sind sie in den reichen Ölstaaten Arabiens, wo der Klimagipfel in der nächsten Woche tagen wird. Der Anteil der Treibhausgase in der Erdatmosphäre wächst ungebremst um 1,8 Parts per Million pro Jahr. Das entspricht jährlich rund 35 Milliarden Tonnen schädlicher Gase. Bis 2020 wird diese Belastung auf 41 Milliarden Tonnen im Jahr anwachsen. Derzeit ist die Konzentration von Kohlendioxid, Methan und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre höher als jemals zuvor in den vergangenen 15 Millionen Jahren. Seit Beginn der ersten industriellen Revolution im 18. Jahrhundert hat sich die Temperatur der Erdatmosphäre um durchschnittlich 0,8 Grad Celsius erhöht. Eine Erhöhung um vier Grad Celsius entspricht der Temperaturdifferenz zwischen der letzten Eiszeit und heute.
Ozeane schwellen an und übersäuern
Seit 1955 schlagen sich diese Effekte auch in den Weltmeeren nieder, die mehr als 70 Prozent der Erdoberfläche bedecken. Der Meeresspiegel ist um rund 20 Zentimeter gestiegen, davon allein 3,2 Zentimeter in der vergangenen Dekade. Wird die Klimaerwärmung nicht gebremst, dürfte der Meeresspiegel in diesem Jahrhundert um 30 Zentimeter steigen. Zugleich steigt der Anteil saurer Gase im Wasser, denn das Kohlendioxid wird als Kohlensäure gebunden. Dadurch dürfte ein beispielloses Artensterben einsetzen, das durch Überfischung und Vermüllung verstärkt wird. Korallenriffe sind sehr sensibel gegen den ph-Wert des Wassers, sie sind und werden massiv von der Versäuerung betroffen. Wenn sie verschwinden, werden auch die Küsten ungeschützt den Stürmen und Fluten ausgesetzt, die sie bislang wie natürliche Barrieren abschirmen. Im dritten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts könnte das Wachstum der Riffe weltweit zum Erliegen kommen.
Städte versinken im Meer, Äcker verbrennen in der Sonne
Der steigende Meeresspiegel und die Hitze werden große Flächen menschlicher Siedlungsgebiete an den Küsten bis weit ins Inland unbewohnbar machen. Die Potsdamer Forscher sagen voraus, dass die Ozeane um einen halben bis einen ganzen Meter anschwellen könnten. Bis zum Jahr 2300 könnten es sogar vier Meter werden. Vor allem die dicht besiedelten Küsten in Mosambik, Madagaskar, Mexiko, Venezuela, Indien, Bangladesch, Indonesien, Philippinen und Vietnam sind von Schwund und starken Naturkatastrophen bedroht. Kleinere Inselstaaten werden vollkommen versinken.
Wasser wird knapp
Die Wissenschaftler prophezeihen zudem schwerste Schäden für die Versorgung der Menschen mit Lebensmitteln und Trinkwasser. Süßwasser wird von der Oberfläche vieler Regionen verschwinden. Auch drücken die anschwellenden Ozeane tiefer in die Deltas der Flüsse, die dadurch zu ungenießbarem Brackwasser werden. Das betrifft vor allem die Küsten Im Norden und Osten Afrikas, den Mittleren Osten und Südasien. Der Wassermangel wird durch die schnell wachsende Bevölkerung in diesen Regionen verstärkt. Auch in Nordamerika, Europa und Sibirien steigen die Temperaturen an, die Niederschläge dürften deutlich sinken. Die höheren Temperaturen in der Erdatmosphäre lassen viel mehr Wasser verdunsten. Die Pegel des Nil, des Ganges, des Mississippi, der Donau, des Amazonas und des australischen Murray Darling dürften deutlich absacken. In der Folge könnten Millionen Menschen gezwungen werden, ihren Lebensraum zu verlassen und Zuflucht in den gemäßigten Breiten zu suchen.
UN-Konferenz in Doha
Nächste Woche beginnt in Doha im arabischen Emirat Katar der neue UN-Klimagipfel. Erstmals findet er in einem arabischen Land statt. Im Vorjahr hatten sich Hunderte Delegierte aus allen Ländern in Durban getroffen. In Doha geht es um die genauen Modalitäten des Klimaprotokolls „Kyoto 2“, das die Reduktion der Emissionen vorschreiben soll. Es geht auch um einen umfassenden Klimavertrag, der in drei Jahren fertig sein soll, damit ihn alle Regierungen unterschreiben können. Streitpunkt ist weiterhin, wie stark einzelne Staaten ihre Treibhausemissionen senken sollen. Die China und die USA als wichtigste Emittenten von Kohlendioxid und Methan sträuben sich gegen diese Auflagen. Mit Spannung wird erwartet, wie sich der neu gewählte US-Präsident Barack Obama positioniert. Auch feilschen Tigerstaaten wie Indien oder Brasilien um ihre Einsparziele, um den wirtschaftlichen Aufschwung nicht zu gefährden. Katar und die übrigen Ölstaaten haben weltweit höchste Pro-Kopf-Emissionen. Bisher haben sie sich noch gar nicht am Klimaprozess beteiligt. (Heiko Schwarzburger)